Essen. Die Essener Ausländerbehörde kommt bei den Flüchtlingsfällen nicht hinterher. Betroffene warten laut Pro Asyl monatelang auf Termine und Papiere.

  • Pro Asyl kritisiert, dass die Essener Ausländerbehörde weder für Betroffene noch für Flüchtlingsberater erreichbar sei
  • Flüchtlinge warten auf Sozialleistungen und Arbeitserlaubnisse. Selbst freiwllige Ausreisen verzögern sich, weil Papiere fehlen
  • Stadt hat seit 2015 zwölf Stellen neu besetzt. Einarbeitung der Mitarbeiter dauere 15 Monate. Der Arbeitsaufwand steige weiter an

. Obwohl der Stadt seit Monaten keine neuen Flüchtlinge zugewiesen werden, ist das Ausländeramt an der Schederhofstraße weiter hoffnungslos überlastet. Pro Asyl kritisiert, dass die Behörde weder für Betroffene noch für die Flüchtlingsberater erreichbar sei. Das führe dazu, dass Flüchtlinge „monatelang keine Leistungen beziehen, Job- und Wohnungsangebote nicht wahrnehmen können und in finanzielle Notlagen geraten“. Selbst freiwillige Ausreisen verzögerten sich, weil die Betroffenen wochenlang auf ihre Papiere warteten: So fielen unnötige Kosten für die Kommune an.

Schon Mitte Juli hatten Pro Asyl und der evangelische Flüchtlingsbeirat Oberbürgermeister Thomas Kufen und dem fürs Ausländeramt zuständigen Ordnungsdezernenten Christian Kromberg eine Mängelliste vorgelegt. „Auf E-Mails erhält man Standardantworten, wenn man anruft, kann man 90 Minuten in der Warteschleife hängen und kurzfristige Termine werden nicht vergeben“, listet die Pro-Asyl-Vorsitzende Kathrin Richter auf.

Arbeitserlaubnis kommt mit monatelanger Verspätung

Da werde etwa ein Betroffener als Asylbewerber anerkannt und müsse trotzdem lange auf einen Termin beim Ausländeramt warten. So erhalte er erst Monate nach der Anerkennung seine Arbeitserlaubnis: „Das verzögert die Integration“, kritisiert Richter. In anderen Fällen verfallen Sozialtickets für Bus und Bahn, weil Flüchtlinge ihre „Gestattungen“ nicht rechtzeitig im Ausländeramt verlängern können. Mancher werde so unwissentlich zum Schwarzfahrer, „andere fahren nicht zum Sprachkurs, weil ihr Ticket ungültig ist“.

Unterlagen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) an die Ausländerbehörde schickt, „händigt diese erst beim nächsten Termin aus“. Mit der Folge, dass das Jobcenter Antragsteller abweist, weil sie ihre Berechtigung nicht belegen können. Oder dass kein Kindergeld beantragt werden kann, weil das Neugeborene monatelang keine Geburtsurkunde hat.

Pass fehlt: Mutter kann Kind nicht nach Essen holen

Auch rasche Familienzusammenführungen scheitern bisweilen am Nadelöhr Ausländeramt. „Da erfuhr eine Mutter, dass sie endlich ihr Kind nachholen darf – und dann konnte sie erstmal nicht reisen, weil sie keinen Ausweis bekam“, schildert Kathrin Richter. Pro Asyl wolle nicht die Mitarbeiter des Amtes angreifen, sondern klar machen, welche gravierenden Folgen die Unterbesetzung dort habe – für Einzelschicksale und für den gesamten Integrationsprozess.

Bei dem Gespräch mit Oberbürgermeister und Ordnungsdezernent hätten beide zwar Verständnis gezeigt, aber erklärt, dass ad hoc wenig geändert werden könne. Zwar habe man das Team aufgestockt, doch das Personal müsse erst eingearbeitet werden. Stadtsprecherin Silke Lenz erklärt dazu: „Weil der Arbeitsbereich der Ausländerbehörde durch die unterschiedlichen Rechtsgebiete sehr komplex ist, dauert die Qualifizierung von neuen Mitarbeitern rund 15 Monate.“ Seit 2015 habe man zwölf Stellen neu besetzt, weitere Besetzungsverfahren liefen noch. Allerdings stehe man hier in Konkurrenz zu den Nachbarstädten, die ebenfalls Fachpersonal suchen.

Stadt will Engpässe so schnell wie möglich beseitigen

Seit 2011 sei der Zuzug von Ausländern, die nicht aus der EU stammen – meist Flüchtlinge – um 518 Prozent gestiegen, so Lenz. Die gut 70 Mitarbeiter der Behörde seien mit schwierigen Fallbearbeitungen betraut, die den aktuellen Erlassen von Landes- und Bundesregierung entsprechen müssten. „Gleichzeitig stehen immer wieder Klageverfahren an, die einer gründlichen und rechtssicheren Vorbereitung bedürfen.“ So werde die Arbeit stetig anspruchsvoller und umfangreicher. Und: Als Stärkungspakt-Kommune habe Essen den Auftrag der Bezirksregierung, „den Stellenschlüssel nicht weiter zu erhöhen“.

Pro Asyl fordert dennoch, „dass die Ausländerbehörde wieder persönlich und telefonisch erreichbar wird“. Für Flüchtlingsberater müsse es einen direkten Kommunikationsweg geben. Auch solle die Kommunikation mit anderen Ämtern optimiert werden. Und bei dringenden Fällen müsse eine flexible Terminvergabe möglich sein. Konkrete Zusagen macht die Stadt dazu nicht, Silke Lenz sagt lediglich, dass die Mitarbeiter bemüht seien, „Engpässe so schnell wie möglich abzuarbeiten und bessere Kommunikationstechniken einzusetzen, um den Kunden möglichst schnell weiter zu helfen“.

>>> REIBUNGSVERLUSTE ZWISCHEN ÄMTERN

Pro Asyl lobt, dass die Ausländerbehörde das Verfahren für Bewohner von Asylheimen vereinfacht habe (vieles wird dort gesammelt erledigt). Die meisten Flüchtlinge lebten aber nun in Wohnungen, sie treffe die schleppende Bearbeitung ihrer Fälle.

Die Meldesysteme von Ausländeramt und Meldestelle seien nicht abgestimmt, sagt Pro Asyl: „Viele Flüchtlinge laufen monatelang ohne gültige Meldung herum, was sie sehr verunsichert.“

Zwischen Bundesamt für Migration (Bamf) und Ausländeramt gebe es fehlerhafte Ummeldungen von Adressen, so dass wichtige Bescheide zur falschen Anschrift gehen. Versäume jemand deswegen seinen Anhörungstermin beim Bamf, werde sein Asylverfahren niedergeschlagen. Die Wiederaufnahme sei schwierig.