Essen. Ein Essener Professor beklagt, dass das Ausländeramt nicht erreichbar sei: Eine Wissenschaftlerin aus Vietnam warte seit Wochen auf einen Termin.
Professor Martin Karlsson ist Professor für Gesundheitsökonomik an der Uni Duisburg Essen (UDE) und international aufgestellt. Darum ärgert er sich über das, was seine wissenschaftliche Mitarbeiterin aus Vietnam beim Essener Ausländeramt erlebe.
Die junge Frau, die seit Anfang Oktober an der UDE arbeitet und „exzellente Qualifikationen“ von einer der besten Unis Australiens mitbringe, habe sich gegen 100 Mitbewerber durchgesetzt, „es ist aber anscheinend unmöglich, einen Termin bei der Ausländerbehörde zu bekommen, damit sie sich hier aus anmelden kann“, notiert Karlsson. Weder per Telefon noch per Mail sei das zeitnah zu bewerkstelligen. Erschwerend komme hinzu, „dass das Personal dort der englischen Sprache nicht mächtig ist“. Was ihn bei einem Amt, das ausschließlich Ausländer betreue, doch verwundere.
Drei bis vier Stunden in der Warteschleife gelten als normal
Auch als Muttersprachler sei die Kommunikation mit dem Ausländeramt nicht einfach, ergänzt Karlssons Sekretärin Eva Zielke. Stundenlang habe sie am 7. Oktober in der telefonischen Warteschleife gehangen, um einen Termin für die junge Vietnamesin zu vereinbaren. „Schließlich bin ich dahin gefahren, wurde aber nicht reingelassen.“ Man habe ihr gesagt, dass es normal sei, drei bis vier Stunden in der Warteschleife des Amtes zu verbringen.
Versehen mit einer E-Mail-Adresse trat sie den Rückweg an und mailte die Terminbitte noch am selben Tag ans Amt. „Eine Woche verging – und dann antwortete man mir, dass eine Terminvereinbarung per Mail nicht möglich sei.“
Die junge Wissenschaftlerin konnte ohne Anmeldung kein Konto eröffnen
Doch ohne Anmeldung konnte sich die Wissenschaftlerin weder krankenversichern noch ein Konto eröffnen. Beides sei inzwischen mit viel Aufwand gelungen, erzählt Eva Zielke. „Aber sie bekommt keine Steueridentifikationsnummer und wird daher nach Steuerklasse 6 veranlagt.“ Eine höchst ungünstige Einstufung. Zudem habe sie zwar einen Kita-Platz für ihre kleine Tochter, aber auch die Gebühren-Abrechnung übers Jugendamt laufe ohne Anmeldung nicht.
Dass die Ausländerbehörde inzwischen reagiert hat, ist für Professor Karlsson ein schwacher Trost: Erstens seien nun „aus nicht nachvollziehbaren Gründen“ zwei Termine notwendig, zweitens lägen diese erst am 21. und am 25. November und drittens richte sich der eine an einen Herrn D. – und nicht an Frau H. aus Vietnam. In einer Mail an Oberbürgermeister Thomas Kufen fragt Karlsson jetzt, „ob Sie mir erklären könnten, ob hochqualifizierte Migranten in Essen erwünscht sind“.
Ausländeramt ist für 100.000 nicht-deutsche Bürger zuständig
Eine Antwort des Stadtoberhaupts steht noch aus. An seiner Stelle erklärt Stadtsprecherin Silke Lenz, dass ein „Kommunikationsdefizit“ aus Sicht der Ausländerbehörde nicht erkennbar sei: Zwar sei die Amtssprache Deutsch, die Mitarbeiter beherrschten aber durchaus Englisch. Auch sei es möglich einen Dolmetscher hinzuzuziehen, und schließlich werde die junge Vietnamesin ja durch Eva Zielke unterstützt. Zwei Termine seien wiederum nötig, weil es einmal um die Anmeldung, einmal um die Entscheidung zur Aufenthaltserlaubnis gehe. Eine Terminorganisation, die angesichts der notorisch angespannten Situation in der Ausländerbehörde schwer verständlich ist.
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Was die eingeschränkte Erreichbarkeit und komplizierte Terminvergabe angeht, verweist Stadtsprecherin Lenz wiederum darauf, dass in Essen derzeit 100.000 nicht-deutsche Bürger lebten. „Die kommunale Ausländerbehörde ist für alle ausländischen Menschen zuständig, egal ob Akademiker oder Nicht-Akademiker“. Für Studenten und hochqualifizierte Zuwanderer gebe es aber einen zeitnahen Zugang und mit dem Akademischen Auslandsamt und dem Welcome- und Service-Center (WSC) auch besondere Anlaufstellen.
Die Akademikerin gilt nicht als Topkraft – dafür verdient sie zu wenig
Das hatte auch Eva Zielke gedacht und zunächst das Akademische Auslandsamt gebeten, einen Termin beim WSC zu besorgen. Doch dort bekam sie einen Korb: Das Welcome-Center wendet sich zwar ausdrücklich an Fachkräfte und Hochqualifizierte, aber die Wissenschaftlerin aus Vietnam zähle nicht dazu erklärte man ihr: Die junge Mutter hat nur eine 75-Prozent-Stelle, „und damit verdient sie offenbar nicht genug, um als Spitzenkraft zu gelten“.