Essen. Die Ruhrbahn will einen Juristen für Fehlzeitengespräche einstellen, denn der Krankenstand liegt bei rund 20 Prozent. Der Betriebsrat wehrt sich.

Dicke Luft bei der Ruhrbahn: Ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Essen offenbarte am Montag aufschlussreiche Einblicke in das Betriebsklima beim kommunalen Nahverkehrsunternehmen. Der Anlass für die Auseinandersetzung: Die Ruhrbahn will, befristet für sechs Monate, einen Juristen einstellen. Dieser soll so genannte Fehlzeitengespräche mit Beschäftigten führen und die für Recht und Soziales zuständige Abteilung der Ruhrbahn entlasten. Der Betriebsrat hat der Einstellung des Juristen jedoch seine Zustimmung verweigert, weil er befürchtet, Mitarbeiter, die häufig und lange krank sind, könnten unter Druck gesetzt werden. Deshalb liegt der Fall nun vor Gericht.

Der Krankenstand bewegt sich laut Ruhrbahn dauerhaft im zweistelligen Bereich

Hintergrund des Rechtsstreites ist der hohe Krankenstand, insbesondere unter den 1100 Bus- und Bahnfahrern. Konkrete Zahlen dazu hatte die Unternehmensführung auf Nachfrage bislang unter der Decke gehalten. Auch eine offizielle Anfrage der Politik im Verkehrsausschuss des Stadtrates blieb unbeantwortet. Vor dem Arbeitsgericht hieß es nun, der Krankenstand bewege sich „dauerhaft im zweistelligen Bereich“. Im Fahrbetrieb liege er bei rund 20 Prozent! „Wir müssen etwas tun“, betonte der Rechtsbeistand des Unternehmens beim Gütetermin vor Gericht.

Dass die Ruhrbahn reagieren muss, ist auch aus Sicht des Betriebsrates unstrittig. Nur wie, darin liegen beide Seiten über Kreuz. Der Vorsitzende des Betriebsrates, Ahmet Avsar, sieht im Unternehmen Defizite bei der Gesundheitsvorsorge und bei der betrieblichen Wiedereingliederung von Beschäftigten, die nach einer Erkrankung wieder genesen sind und langsam wieder in den Berufsalltag zurückfinden sollen. Gerade einmal drei Mitarbeiter seien bei der Ruhrbahn dafür zuständig. Bei 2600 Beschäftigten seien dies viel zu wenig.

Dabei haben nach Angaben des Betriebsrates 700 Mitarbeiter einen Anspruch auf Teilnahme am betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement, da sie mehr als 42 Tage im Jahr krank waren. Gerade einmal 60 Fälle seien in Bearbeitung.

Der Betriebsrat klagt, die Personaldecke im Fahrbetrieb ist zu dünn

Die Ursachen des hohen Krankenstandes liegen nach Überzeugung des Betriebsrates in der hohen psychischen und körperlichen Belastung des Fahrpersonals. Die Pausenzeiten insbesondere für Busfahrer seien so kurz, dass sie nicht eingehalten werden könnten, wenn es im Straßenverkehr zu Verspätungen kommt. Insgesamt sei die Personaldecke im Fahrbetrieb zu dünn.

Statt das Wiedereingliederungsmanagement personell zu entlasten, verbreite die Ruhrbahn in den Fehlzeitengesprächen „Angst und Schrecken“, kritisierte Ahmet Avsar. Ein Betriebsarzt, der an Gesprächen teilgenommen hat, berichtete, den Betroffenen werde mit Kündigung gedroht, sollten sie weiterhin wiederholt und lange aufgrund von Krankheit fehlen. Zu befürchten sei, dass sich davon auch Fahrer beeindrucken ließen, obwohl sie selbst gar nicht zu einem Fehlzeitengespräch geladen wurden. Sie könnten sich hinters Steuer setzen, obwohl sie nicht gesund sind.

Ruhrbahn will Mitarbeiter so schnell wie möglich zurück an den Arbeitsplatz holen

Die Ruhrbahn weist die Vorwürfe zurück und spricht von einer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern. Allein deshalb würden Gespräche geführt. Erklärtes Ziel ist es, die Mitarbeiter „so schnell wie möglich aus der Krankheit zurückzuholen“, hieß es vor Gericht.

Die Ruhrbahn muss sparen

Kritisch sieht die Betriebsrat der Ruhrbahn die Personalie auch vor dem Hintergrund des sogenannten Effizienzprogramms. So sollen die Kosten bis zum Jahr 2032 dauerhaft um 9,5 Millionen Euro gesenkt werden. Ein Großteil davon entfalle auf die Verwaltung. Durch die Einstellung eines Juristen werde der Apparat weiter aufgebläht. Die Ruhrbahn hält die Einstellung hingegen für sinnvoll. Die Investition lohne sich, wenn es gelinge, Mitarbeiter zurück an den Arbeitsplatz zu holen. Richterin Janny Sell betonte, Personalpolitik sei nicht Sache des Betriebsrates.

Dass der Betriebsrat mit seiner Argumentation vor Gericht durchkommt, erscheint nach dem Gütetermin eher unwahrscheinlich. Befürchtungen allein reichten nicht aus, um der Einstellung zu widersprechen, gab Richterin Janny Sell eine erste Einschätzung kund. Der Betriebsrat hat nun Zeit, seine Argumentation zu untermauern, die Ruhrbahn kann darauf reagieren. Eine Entscheidung in der Sache soll am 6. Dezember fallen.