Essen. Gegen die Ausweisung von Freiflächen für Wohnungsbau formiert sich an vielen Stellen Protest. Bürgerinitiativen wollen nun gemeinsam vorgehen.
Gegen die mögliche Ausweisung neuer Wohnbauflächen auf Freiflächen durch die Stadt Essen wächst der Protest in der Bevölkerung. Am Sonntag will die Bürgerinitiative „Finger weg von Freiluftflächen – für eine zukunftsorientierte und klimaschützende Wohnbebauung in Haarzopf und Fulerum“ Vertretern des Stadtrates in der Kirche Christus-König deutlich machen, was sie von einer Bebauung hält: Nichts.
Die Veranstaltung soll aber nur der Auftakt sein für weitere Aktionen. Erklärtes Ziel sei es, sich mit anderen Bürgerinitiativen und Gruppen zu vernetzen, erklärt der Sprecher der Bürgerinitiative, Jörn Benzinger. Am Donnerstag, 3. November, will man gemeinsam in Haarzopf demonstrieren. Weitere Kundgebungen, auch an zentraleren Orten der Stadt, könnten laut Benzinger bald folgen.
In der Kritik stehen die Ergebnisse des Bürgerforums „Wo wollen wir wohnen?“
„Unsere Position ist klar: Wir lehnen jegliche Bebauung in Regionalen Grünzügen, in Landschaftsschutzgebieten, im Wald und auf Flächen, die gutachterlich bestätigt wesentliche Umweltfunkionen einnehmen, ab“, heißt es in einem Offenen Brief der Haarzopfer Initiative an die Adresse von Oberbürgermeister Thomas Kufen. An die 5000 Bürger aus Haarzopf und Fulerum unterstützen diese Forderung nach Angaben der BI mit ihrer Unterschrift.
Die gleiche Zahl an Unterschriften hat die Bürgerinitiative „Rettet die Schönebecker Grünflächen“ gesammelt. Am Donnerstag wollen die Initiatoren die Unterschriftenlisten Oberbürgermeister Kufen im Rathaus übergeben.
In Haarzopf wie in Schönebeck richtet sich der Protest gegen die vorläufigen Ergebnisse des Bürgerforums „Wo wollen wir wohnen?“ Zur Erinnerung: 420 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Essener Bürger hatten vor rund einem Jahr auf Einladung in der Messe Essen in Kleingruppen über 99 potenzielle Wohnbauflächen beraten. 29 Flächen wurden für eine Bebauung als „sehr gut“ oder „gut“ eingestuft. Die Prioritätenliste dient dem Planungsamt nun als Arbeitsgrundlage. Bis Ende des Jahres will die Verwaltung darlegen, welche der 29 Flächen sie der Politik für die Ausweisung als Bauland vorschlägt.
Mehrere Bezirksvertretungen lehnen die Ergebnisse des Bürgerforums ab
Noch bevor das Prüfergebnis auf dem Tisch liegt, schlagen die Wellen hoch. Oberbürgermeister Kufen und der Rat der Stadt, der das gewählte Verfahren mitgetragen hatte, sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, es sei über die Köpfe der betroffenen Bürger vor Ort hinweg entschieden worden. Tatsächlich hatte sich Verwaltung für das Bürgerforum ausgesprochen in der Hoffnung, dass die zur Diskussion stehenden Flächen nicht bereits im Vorfeld aus lokaler Betroffenheit heraus zerredet werden. Inzwischen haben mehrere Bezirksvertretungen die Ergebnisse abgelehnt oder Korrekturen eingefordert.
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Unter dem Vorzeichen der aktuellen Debatte um besseren Klimaschutz erhalten die Proteste vor Ort nun zusätzliche Wucht. „Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem man eine Grenze ziehen muss“, sagt Karsten Fähndrich, einer der Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet die Schönebecker Grünflächen“. In Schönebeck sind Bürger besonders aufgebracht, weil das Bürgerforum ausgerechnet eine mit alten Bäumen bewachsene Grünfläche unter Priorität I möglicher Wohnbauflächen einsortiert hat, die die „Bergbaukolonie“ seit Jahrzehnten für Nachbarschaftstreffen nutzt. Der Eigentümer der Fläche hat den Pachtvertrag mit dem Verein bereits gekündigt. Die Wogen schlagen umso höher, seit auf Facebook eine Gruppe für eine Bebauung wirbt und dort Pläne zu sehen sind, wie es einmal nach einer Bebauung dort aussehen könnte – als sei die Entscheidung längst gefallen.
Kaufaktionenen der Thelen-Gruppe sorgen für Irritationen
Im Nordwesten der Stadt das Bemühen um den Erhalt von Freiflächen eine lange Tradition. Besonders sensibel reagieren Bürger, wenn es um das schöne Hexbachtal geht. Dass eine potenzielle Wohnbaufläche am Rande des Tals, beim Bürgerforum unter Priorität IV eingestuft, zum Teil der Essener Thelen-Gruppe gehört, die landauf, landab Bauflächen entwickelt, sorgt zusätzlich für Misstrauen. Da genügt es, wenn die Stadtwerke, wie jüngst geschehen, am Rande eines Wanderweges, rot-weiße Baken aufstellen – und sei es, wie sich herausstellt, nur für die Sanierung eines alten Abwasserkanals. Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus Essen