Essen-Fulerum. Von der Zukunft des Bruchsteinhauses in Fulerum haben Stadt und Naturfreunde gegensätzliche Vorstellungen. Jetzt melden sich Nachbarn zu Wort.
Die Stadt will das marode ehemalige Naturfreundehaus an der Wienenbuschstraße 29 in Essen-Fulerum im kommenden Jahr abreißen und dort eine Ausgleichsfläche für die Flüchtlingsunterkunft am Overhammshof in Fischlaken schaffen. Zuletzt hatte die wieder neu entstandene Ortsgruppe Essen-West der Naturfreunde Interesse an einer Sanierung und Nutzung des Bruchsteingebäudes geäußert. Das nehmen Nachbarn mit Freude zur Kenntnis. Sie berichten von jahrelangem Partylärm und zugeparkter Straße.
Nachbarn in Fulerum haben unter der Nutzung des Hauses als Partyort gelitten
Es melden sich Nachbarn zu Wort, die in der Vergangenheit unter Lärm und Verkehr durch die Partynutzung des Gebäudes gelitten haben. Sie würden sich freuen, wenn das Haus möglichst zeitnah abgerissen wird – auch weil sie aktuell immer wieder junge Leute beobachten, die über das löchrige Dach durch die Fensteröffnungen in das Gebäude einsteigen. „Ich halte das für lebensgefährlich. Das Dach könnte doch jederzeit einbrechen, das Glas der zerbrochenen Fenster birgt eine enorme Verletzungsgefahr“, sagt Anwohner Hans Bovermann (72).
Bovermann, der seit langem den Spielplatz an der Wienenbuschstraße als Pate betreut, und Horst Cremer (77) leben seit rund 40 beziehungsweise 50 Jahren im Mecklenbeckstal und haben die Hausnutzung durch die Naturfreunde viele Jahre miterlebt. „Anfangs saßen dort ein- bis zweimal pro Woche ältere Menschen bei Bier oder Kaffee, mit denen sind wir wunderbar klargekommen“, sagt Bovermann.
Die Probleme hätten begonnen, als das Haus immer häufiger für Partys und Feiern vermietet worden sei. Gerade an Wochenenden sei am Ende der Sackgasse alles zugeparkt gewesen, die Anwohner hätten die laute Musik bis spät in die Nacht ertragen müssen. Oft hätten Nachbarn, auch aus der nahe gelegenen Siedlung Heimatdank, damals die Polizei gerufen. „Wir waren froh, als damit vor rund zehn Jahren endlich Schluss war und freuen uns über die Abrisspläne“, sagt Anwohner Horst Cremer.
Hans Bovermann vermutet zudem, dass das Haus nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen sei. „Da sind offenbar jahrelang die Küchenabwässer und auch das Putzwasser mit entsprechender Chemie einfach in die Natur geleitet worden“, mutmaßt Bovermann und verweist darauf, dass das Mecklenbeckstal Landschaftsschutzgebiet sei. Das Abwasser sei offenbar über ein Rohr abgeleitet worden, dessen Ende er jetzt im Wald ausgegraben habe.
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Die Nachbarn beobachten zudem mit Sorge, dass immer wieder Leute auf dem maroden Dach herumklettern und offenbar auch durch geöffnete Fenster in das Haus gelangen. Immer wieder würden Ziegel vom Dach geworfen. „Ich rechne damit, dass Teile des Dachs einstürzen werden, vor allem, wenn eine Horde Jugendlicher darauf herumspringt. Nicht auszudenken, wenn da mal jemand abstürzt“, so Hans Bovermann. Der aufgestellte Zaun von der Wienenbuschstraße aus sei kein echtes Hindernis. „Und von der anderen Seite kann man übers Feld zum Haus gelangen“, sagt Bovermann, der die Sicherungsmaßnahmen der Stadt für völlig unzureichend hält.
In den vergangenen Tagen habe sich allerdings einiges getan am Bruchsteinhaus. Ein Schuppen hinter dem Schleppdach sei abgebrochen worden, Fensteröffnungen auf der Westseite seien zugemauert und zum Teil schon wieder aufgebrochen worden.
Hans Bovermann ärgert sich auch, dass er auf sein Schreiben über die Zustände am Bruchsteinhaus an Dezernentin Simone Raskob keine Antwort erhalten habe. Unverständlich sei zudem, dass das Haus frühestens im nächsten Jahr abgerissen werden solle. „Das muss doch schneller gehen“, findet der Anwohner und zweifelt, ob die Schadstoffgutachten, die die Stadt gerade anfertigen lasse, überhaupt erforderlich seien.
Die Stadt kontrolliert die Situation nach eigenen Angaben regelmäßig
„Die Stadt führt Sicherungsmaßnahmen am Gebäude durch und mauert beispielsweise Fenster zu, um ein unerlaubtes Eindringen in das Gebäude zu verhindern. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass sich zum Beispiel durch das Aufbrechen von zugemauerten Fenstern unerlaubt Zutritt zum Gebäude verschafft wird“, so Patrick Opierzynski vom Stadtpresseamt. Um die Absicherung aufrecht zu erhalten und das unbefugte Betreten zu verhindern, würden regelmäßig Kontrollen durchgeführt und die notwendigen Sicherungsmaßnahmen bei etwaigen Zerstörungen wieder erneuert.
Heimatforscher hat die Geschichte des Hauses recherchiert
Zur Geschichte des alten Bruchsteinhauses meldet sich der Haarzopfer Heimatforscher Herbert Schmitz zu Wort. Das Haus sei schon 1856/57 errichtet worden, als Fulerums großer Hof Niederscheidt durch die Eigentümer, die Eheleute Fänger, 1856 an Industriekaufleute der benachbarten Zeche Hammelsbeck (daraus wurde später Humboldt) verkauft worden sei.
Diese hätten Bergleute für ihre Zeche und Häuser benötigt. Dafür seien Hofflächen sofort parzelliert worden. Der Bergmann Wilhelm Gohr habe laut Schmitz solch eine Parzelle erworben, ein Stück Hochwald, habe sie gerodet und 1856/57 das heutige Bruchsteingebäude errichtet.
Es sei typisch für Bergleute, die kostengünstig Bruchsteine noch selbst brechen und damit mauern konnten, so Schmitz. Gohrs Besitz sei 1899 an Wilhelm Hausmann weiter veräußert worden. Späterer Eigentümer sei dann die Stadt geworden, die es an die „Naturfreunde“ verpachtet habe.
„Tatsächlich war und ist das Haus nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen“, so Patrick Opierzynski weiter. Die Abwässer seien aber nicht in die Natur abgelassen worden, sondern es habe eine Alternativlösung gegeben – entweder eine kleine, autarke Kläranlage oder eine Art Sickergrube.
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