Essen. Essens Kämmerer Gerhard Grabenkamp ist erleichtert über die Einigung bei der Grundsteuer – er rechnet in Essen aber mit einer Klagewelle.

Eine seiner wichtigsten Einnahme-Quellen sprudelt auch künftig weiter: Kein Wunder, dass der städtische Finanzchef Gerhard Grabenkamp in diesen Tagen erleichtert auf die erzielte Einigung in Sachen Grundsteuer reagiert. Bei den Bürgern dürfte sich die Begeisterung dagegen in Grenzen halten: „Alle werden irgendwie unzufrieden sein“, prophezeit Essens Kämmerer: „Es wird wohl eine Klagewelle geben.“

Wie das? Sollte die vom Bundesverfassungsgericht verordnete Neukalkulation der Steuer auf bebaute und unbebaute Grundstücke, die ja nicht nur Immobilien-Eigentümer, sondern über die Nebenkosten-Abrechnung auch sämtliche Mieter trifft, am Ende nicht gerechter ausfallen?

Das blöde Gefühl, jahrelang zu viel Grundsteuer gezahlt zu haben

Bis zur Neuregelung der Grundsteuer, so Essens Finanzchef Gerhard Grabenkamp, werde er keine höheren Hebesätze anpeilen. Für eine wünschenswerte Senkung der Steuerlast sind ihm aber einstweilen die Hände gebunden.
Bis zur Neuregelung der Grundsteuer, so Essens Finanzchef Gerhard Grabenkamp, werde er keine höheren Hebesätze anpeilen. Für eine wünschenswerte Senkung der Steuerlast sind ihm aber einstweilen die Hände gebunden. © FFS | Foto: Socrates Tassos

Schon wahr, sagt Grabenkamp, doch indem künftig nicht nur veraltete Immobilienwerte, sondern unter anderem auch erzielbare Mieten der Häuser berücksichtigt werden, wird es eine Vielzahl von Gewinnern und Verlieren der Neuregelung geben. Wer am Ende eine spürbar höhere Grundsteuer zahlen muss, womöglich das Doppelte des bisherigen Betrags oder gar mehr, der sei darüber selbstredend sauer.

Und bei denen, die nach der Neukalkulation weniger berappen müssen? „Die werden das blöde Gefühl bekommen, jahrelang zu viel gezahlt zu haben“, glaubt Grabenkamp. Manchen Ärger werde man deshalb wohl vor Gericht austragen müssen.

Grundsteuer bringt Essen im Jahr rund 134 Millionen Euro

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Immerhin, die Orientierung der Grundsteuer am Wert der jeweiligen Immobilie wird nach Einschätzung des Stadtkämmerers das Essener Nord-Süd-Gefälle nicht weiter verstärken. Denn hüben wie drüben stünden Korrekturen an, „die man nicht lokal festmachen kann“.

Wer künftig was zahlen muss, wird nach Grabenkamps Worten wohl erst 2024 feststehen, denn die neuen Beträge fallen erst nach einer fünfjährigen Übergangsfrist ab 2025 an. Unterm Strich soll die Änderung „aufkommensneutral“ ausfallen, das heißt: Essen will von der geänderten Berechnung nicht mehr profitieren als bisher, sondern nur in etwa die Höhe der bisherigen Einnahmen sichern. Im vergangenen Jahr lagen sie bei knapp 134 Millionen Euro, nur unwesentlich mehr kalkuliert man auch für dieses und das kommende Jahr.

Der Kämmerer will die Steuerschraube baldmöglichst lockern

Um zu ermitteln, welchen Hebesatz bei der Grundsteuer man für diese „aufkommensneutrale“ Kalkulation braucht, wird die Stadt die Berechnung der rund 159.000 Grundsteuer-Fälle im Stadtgebiet am Computer simulieren. Den Hebesatz der Grundsteuer entsprechend zu justieren, das wird danach Aufgabe des Rates sein.

Bis dahin will Essens Finanzchef nicht zuletzt mit Blick auch auf die letzte starke Erhöhung vor vier Jahren nicht erneut an der Steuerschraube drehen. „Ich bin absolut gegen eine weitere Erhöhung“, betont Grabenkamp, ganz im Gegenteil: Sobald möglich plädiere er dafür, die Belastung wieder ein wenig zu lockern.

Eine Baulandsteuer für baureife Grundstücke? „Fände ich gut“

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Dies sei in den kommenden beiden Jahren allerdings auf keinen Fall möglich. Denn erstens untersagen die Abmachungen des NRW-Stärkungspakts eine Steuersenkung, und zweitens „gibt die nach wie vor angespannte Haushaltslage eine solche Verringerung noch nicht her“. Was danach kommt, muss einstweilen offen bleiben.

So gehört Grabenkamp zu jenen, die einer Grundsteuer C einiges abgewinnen können, eine Steuer, die unbebaute, aber baureife Grundstücke in den Blick nimmt. Eine solche Baulandsteuer, die es Anfang der 1960er Jahre schon einmal gab, könnte Grundstücks-Spekulationen entgegenwirken. „Wir sind dabei zu ermitteln, wie viele Flächen in Essen dafür in Frage kommen“, so Grabenkamp. Die Steuer einzuführen, wäre Sache des Rates, betont der Finanzchef, macht aber zugleich deutlich: „Ich selber fänd’ sie gut.“