Kleine Überschüsse, viele Investitionen und ein leicht schrumpfender Schuldenberg: Der Stadt-Etat für 2020/2021 bestätigt die finanzielle Wende.
Wenn die städtischen Finanzexperten über Geld reden, ist das nächste Schiff meist nicht weit: Kein Haushaltsthema, das sich nicht in einem maritimen Vergleich wunderbar anschaulich erklären ließe. Also ließ Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp am Mittwoch im Rat die Leinen los – und versicherte den 590.000 Essenern, sie dürften sich mit Blick auf die kommenden Jahre an Deck gut aufgehoben fühlen: „Wir sind auf dem richtigen Kurs, aber die See wird rauer.“
Gemeinsam mit Oberbürgermeister Thomas Kufen präsentierte Grabenkamp ein Zahlenwerk für die kommenden beiden Jahre, das zum wiederholten Mal einem simplen Grundsatz folgt: Die Stadt gibt trotz eines Volumens von fast 3,2 Milliarden Euro nicht mehr aus, als sie einnimmt.
Unterm Strich bleiben etwas über 27 Millionen Euro übrig
„Was sich heute ziemlich unspektakulär, eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit anhört, ist im Lichte der vergangenen Jahrzehnte eine echte Erfolgsgeschichte“, betonte der Kämmerer, und in der Tat: So lange ist es noch nicht her, dass Essen Jahr für Jahr dramatisch rote Zahlen schrieb. Erst 2017 gelang es, die Stadtfinanzen ins Lot zu bringen und sogar kleine Zuschüsse zu erwirtschaften: 82,6 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr, über 30 Millionen dürften es am Ende dieses Jahres sein.
Und so soll es weitergehen: 2020 und 2021, so weist es der im Rat präsentierte Doppelhaushalt aus, könnten unterm Strich jeweils etwas über 27 Millionen Euro übrig bleiben.
Der Triumph liegt im Kleingedruckten: aus eigener Kraft
Das klingt nach nicht viel, doch der Triumph liegt im Kleingedruckten: Erstmals kann (und muss) die Stadt schon bei ihrer Planung aus eigener Kraft, also ohne Mittel aus dem sogenannten NRW-„Stärkungspakt“ auskommen, jener Zuschuss-Quelle, von der Essen profitierte wie keine andere Kommune in Nordrhein-Westfalen: Über 500 Millionen Euro spülte sie seit 2012 in die Essener Stadtkasse, bis zu 90 Millionen Euro gab es pro Jahr, die letzte Rate wird für dieses Jahr überwiesen: Es sind noch einmal 29,8 Millionen Euro.
Dass Essen damit gut gewirtschaftet hat, wurde der Stadt erst kürzlich von der Kommunalaufsicht bescheinigt. Und doch warnt der städtische Finanzchef Gerhard Grabenkamp in der gegenwärtigen Lage vor allzu großem Optimismus: „Krisenfest und aus sich heraus tragfähig sind die Finanzen der Stadt Essen nicht“, so Gerhard Grabenkamp. „Wer glaubt, dass sich größere Spielräume für zusätzliche kommunale Leistungen ergeben, den muss ich enttäuschen.“
Noch leuchtet das Eigenkapital der Stadt tiefrot
Denn die mittlerweile eingetrübte Konjunktur hat im Etat für 2020 und 2021 bereits ihre Bremsspuren hinterlassen. So schraubte die Stadt ihre Einnahme-Erwartungen bei der zuletzt sprudelnden Gewerbesteuer erst einmal wieder unter die 400-Millionen-Euro-Grenze. Und auch beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer wie auch bei der Umsatzsteuer rechnet man im Rathaus mit geringeren Beträgen als bisher.
Mit der Folge, dass die Stadt nur sehr gemessenen Schrittes aus der 2014 erreichten bilanziellen Überschuldung herausfindet: Noch leuchtet das Eigenkapital der Stadt tiefrot: minus 264 Millionen Euro. Erst 2024 dreht der Betrag wieder ins Plus.
„Heilfroh, dass wir uns in einer Niedrigzinsphase befinden“
Das wird, so ließ Grabenkamp durchblicken, schwierig genug: Der Sozial-Etat steigt schier unaufhaltsam weiter, liegt 2020 bei über 820 Millionen Euro und damit 200 Millionen über dem Wert von vor zehn Jahren. Und auch die Unterkunfts-Kosten für mittlerweile 45.000 Essener Hartz IV-Haushalte drücken, dazu die gewachsenen Aufgaben für die Betreuung kleiner Kinder („U3“) und Offene Ganztag an Schulen.
Die Stadt hofft hier auf Hilfe aus Land und Bund, so wie auch beim zentralen Punkt der Zukunftsplanung – den Altschulden. Denn nach wie vor ächzt Essen unter der Last der höchsten Liquiditätskredite, die eine Stadt bundesweit aufgehäuft hat: über zwei Milliarden Euro. „Ich bin heilfroh, dass wir uns weiterhin in einer Niedrigzinsphase befinden“, räumt Kämmerer Grabenkamp ein.
Der OB fordert den Altschuldenfonds: „Wir sind keine Bittsteller“
Er setzt seine Hoffnung in den angedachten „Altschuldenfonds“, für den sich so langsam aber das Zeitfenster schließe: weil die Legislatur-Periode des Bundestages sich dem Ende zuneigt, aber auch weil es bei der Konjunktur immer lauter knirscht.
Auch der OB appelliert deshalb an Land und Bund die klammen Städte zu unterstützen und ihnen jene finanzielle Jahrhundertlast nehmen, „die uns Handlungs-Optionen nimmt“, wie Kufen in seiner Rede meinte: Man wolle die Unterstützung ja auch nicht umsonst: „Wir sind keine Bittsteller, sondern bereit (...) unseren Teil zur Entschuldung beizutragen.“