Essen. Essen solidarisiert sich nach dem Anschlag mit seinen jüdischen Mitbürgern. OB besuchte die neue Synagoge, am Abend folgten Gedenkveranstaltungen.
Am Tag nach dem Neonazi-Anschlag von Halle hat der Leiter der Alten Synagoge Essen, Uri Kaufmann, die AfD und Spitzenpolitiker wie Björn Höcke mitverantwortlich gemacht für zunehmende Ressentiments und Antisemitismus in den neuen Ländern. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass die AfD unter dem Siegel der bürgerlichen Wohlanständigkeit firmieren will und gleichzeitig ein bekennender Neonazi wie Björn Höcke dort in leitender Stellung ist.“
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Kaufmann begrüßt die Entscheidung des Essener Polizeipräsidenten Frank Richter, die Polizeipräsenz vor der Alten Synagoge und vor der neuen Synagoge in der Sedanstraße zu erhöhen. „Wir sind in Essen besser beschützt, als es in Halle der Fall war – und das ist auch nötig.“ Die Alte Synagoge, einst eines der größten jüdischen Gotteshäuser in Deutschland, dient heute als ein Kulturinstitut der Stadt, das durch Ausstellungen, Lesungen und Konzerte Einblicke gibt in die jüdische Kultur.
„Kein Platz für Antisemitismus und Judenhass in unserer Stadt und unserem Land“
Der Oberbürgermeister hat am Donnerstag – „als Zeichen der Solidarität“ – die Synagoge an der Sedanstraße im Südostviertel besucht. Gegenüber Jewgenij Budnizkij, dem Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde, sagte Thomas Kufen: „In unserem Land und in unserer Stadt gibt es keinen Platz für Antisemitismus und Judenhass.“ Der rechtsextremistische Anschlag von Halle sei auch ein Anschlag auf unsere Gesellschaft. Budnizkij erwiderte: „Wir fühlen uns hier in Essen sicher. Unsere Sorgen werden ernst genommen und wir danken der Stadt und der Polizei für die gute Zusammenarbeit.“
Eine konkrete Bedrohung durch Rechtsextremisten und Neonazis gebe es für Juden in Essen nicht, betonen Budnizkij und sein Stellvertreter Leonid Novoselsky. „Aber wir erhalten von Zeit zu Zeit böse Briefe und Anrufe. Alles das wird sofort der Polizei gemeldet.“
Spätestens seit den Schilderungen einer Essener Lehrerin wissen die Gemeindevorsteher jedoch, dass das Wort Jude für so manchen Jugendlichen wieder ein Schimpfwort ist. Sie machen für diesen Missstand hauptsächlich einen arabisch geprägten Antisemitismus verantwortlich, der seit der Flüchtlingswelle 2015 noch stärker geworden sei. Auch Uri Kaufmann weiß aus Gesprächen mit jungen Menschen, dass sie sich sehr unwohl fühlten, sobald an ihrer Schule bekannt werde, dass sie Juden sind.
Gedenkveranstaltung vor der Alten Synagoge mit Schweigeminute
Auf dem Edmund-Körner-Platz vor der Alten Synagoge wird Donnerstagabend um 20 Uhr eine Gedenkveranstaltung für die Opfer von Halle stattfinden, die von der Caritas angemeldet wurde. Die Caritas will ein Zeichen für Toleranz und gegen Antisemitismus setzen und lädt zu einer Gedenkminute ein. „Die Opfer dieser schrecklichen Tat und ihre Angehörigen verdienen unsere Anteilnahme. Ich bin bestürzt über die Gewalt, die für uns auch ein Spiegel der politischen Situation in Deutschland ist“, so Sabine Depew, Direktorin der Caritasverbandes für das Bistum Essen. Die Idee zu dieser Schweigeminute hatte der angehende Islamwissenschaftler Ahmad A. Omeirate, der auch Mitarbeiter der Caritas im Bistum Essen ist. Schockiert von der Tat in Halle hatte er spontan über Facebook und Twitter dazu aufgerufen, um den Opfern und ihren Angehörige Anteilnahme und Respekt zu zollen.
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Bereits um 19 Uhr trifft sich die Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ am Willy-Brandt-Platz, um mit einer Kundgebung „gemeinsam gegen Rechtsterrorismus“ zu protestieren. Von dort werden die Teilnehmer dann durch die Innenstadt zur Alten Synagoge ziehen. „Wir werden auch an der Alten Synagoge dabei sein, um ein Zeichen gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu setzen“, erklärte Mohamed Al-Masri, der Vorsitzende des libanesischen Zedernvereins.