Essen. Reinhard Schmidt ist Hausbesitzer an der Gladbecker Straße. Der Stadt Essen wirft der Stadtplaner Versagen in der Verkehrspolitik vor.
Reinhard Schmidt hat einen dicken Hals, und das liegt nicht daran, dass derzeit Erkältungszeit herrscht. Der 57-Jährige wohnt an der Gladbecker Straße, ist Eigentümer eines Hauses, in dem schon sein Großvater gewohnt hat. Ein Haus, an dem täglich mehr als 40.000 Fahrzeuge vorbeifahren, weshalb die Stadt es gerne kaufen und abreißen würde wie die Häuser nebenan und gegenüber auch. Aus dieser Zeitung hat Reinhard Schmidt erfahren, dass die Verwaltung ihre Pläne auf Eis gelegt hat, weil sich einige Hausbesitzer strikt weigerten zu verkaufen. Ein seriöses Angebot seitens der Stadt habe es nie gegeben, ereifert sich Schmidt, der sich uns eine Nachbarn in die Rolle von Sündenböcken gedrängt sieht. Dagegen wehrt er sich.
Der Versuch, Häuser entlang der Gladbecker Straße zu erwerben und diese abzureißen, um für eine bessere Durchlüftung der Bundesstraße zu sorgen, reiht sich für Schmidt, selbst Stadtplaner von Beruf, ein in das hilflose Bemühen der Stadt, etwas gegen die wachsende Verkehrsbelastung im Essener Norden zu unternehmen. „Dieses Manöver war billig und ist schlicht gescheitert“, bilanziert Schmidt.
Für den Ankauf der Häuser hat die Stadt Essen wenig Spielraum
Was die Stadt vorhat, davon erfahren hatte Schmidt nach eigenen Worten vor etwa zwei Jahren auf einer denkwürdigen Bürgerversammlung. Diese Absichten seien verpackt gewesen in sogenannte Rahmenpläne für Altenessen Süd. „Man versprach uns einen Marktplatz, renovierte Stadtplätze, einen Radweg an der Gladbecker Straße und vieles mehr“, erinnert sich Schmidt. Wortgeklingel nennt er es heute. Erst auf bohrende Nachfragen habe ein Vertreter der Verwaltung die Katze aus dem Sack gelassen und die Anwesenden wissen lassen, dass es um den Abriss der Immobilien geht. „Unsere Häuser wurden in die Nähe von Schrottimmobilien gerückt“, so Schmidt. „Kommen Sie mir nicht mit dem Verkehrswert“, habe er den Mitarbeitern der Stadt entgegen gehalten. Dass die Stadt für den Ankauf der Häuser finanziell nicht viel mehr Spielraum haben würde, war dem Stadtplaner bewusst.
Für Schmidt kam es, wie es kommen musste. Einige Hausbesitzer erklärten sich zwar prinzipiell dazu bereit zu verkaufen. Aber nur unter der Bedingung, dass die Stadt ihnen adäquaten Ersatz anbietet, was offenkundig nicht geschehen ist.
Dass die Abrisspläne sang- und klanglos wieder in der Schublade verschwinden, ist für Schmidt keine Überraschung. Es überhaupt versucht zu haben, diene den Verantwortlichen als Alibi. Es herrsche weiter Stillstand. Dies den Anwohnern in die Schuhe zu schieben, ist in Schmidts Augen nichts anderes als eine Unverschämtheit. Tatsächlich seien Politik und Verwaltung nicht gewillt, eine zukunftsfähige Mobilitätsplanung für den Essener Norden in Angriff zu nehmen. Stattdessen halte man der A 52 fest.
Der Ausbau der A52 ist aus Sicht des Stadtplaners keine Alternative
Wer glaubt, Reinhard Schmidt sei als Anwohner der Gladbecker Straße ein Befürworter des Autobahnausbaus, liegt daneben. Schon vor Jahrzehnten engagierte er sich in der Bürgerinitiative dagegen. Der Ausbau der A52 mache verkehrstechnisch nur Sinn, wenn man von Osten und Westen Zufahrten baue. Für den Essener Norden bedeute das nicht weniger Verkehr, sondern mehr, ist Schmidt überzeugt.
Hohe Verkehrsbelastung
Der Ausbau der A52 durch den Essener Norden wird im aktuellen Bundesverkehrswegeplan in der Kategorie „weiterer Bedarf“ aufgeführt. Der Ausbau hat also aus Sicht des Bundes keine Priorität. Der Verkehrswegeplan gilt bis 2030. Nach Berechnungen der Stadt würde die Verkehrsbelastung auf der Gladbecker Straße durch den Autobahnbau um 25 Prozent sinken, die Bundesstraße bliebe hochfrequentiert.
Geholfen wäre den Anwohner schon durch die Einführung von Tempo 30 und die Sanierung der Fahrbahn, sagt Hausbesitzer Reinhard Schmidt.
Das aus seiner Sicht sture Festhalten am Autobahnausbau habe dazu geführt, dass sich die Verkehrsplaner gar nicht erst mit Alternativen befasst hätten. „Die U11 endet an einem Prellbock in Gelsenkirchen und ist für Pendler keine Alternative“, bedauert Schmidt. Ein Lkw-Routenkonzept, das den Fernverkehr aus der Stadt heraushalten würde, gebe es bis heute nicht. Und das Hauptroutennetz für den Radverkehr sei nur Stückwerk.
„Man müsste nur mal beginnen mit dem Umdenken“, sagt Schmidt. Die Verantwortlichen im Rathaus starrten allein auf die einzuhaltenden Schadstoff-Grenzwerte und begnügten sich mit der Aussicht, dass diese durch verbesserte Motorentechnik irgendwann eingehalten werden. Währenddessen verlöre der Essener Norden immer mehr an Lebensqualität.