Essen. Durch den Abriss von Häusern an der Gladbecker Straße wollte die Stadt für bessere Luft sorgen und erntete Spott. Nun gibt es eine stille Pointe.

Als die Stadtverwaltung auf die Idee kam, an der Gladbecker Straße Häuserzeilen abzureißen, um so für bessere Luft zu sorgen, schaffte es Essen sogar in die „heute show“ im ZDF. Moderator Oliver Welke hielt die Pläne für einen schlechten Scherz: „Der eigentliche Feind sind nicht die Autos. Das sind die Häuser. Wir müssen einfach viel mehr Häuser in den Städten abreißen“, kommentierte der Comedian und zeigte dazu Bilder des zerbombten Kölns nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Rathaus fanden sie das gar nicht komisch.

Für die stille Pointe sorgt die Stadt nun selbst. Die Abrisspläne verschwinden bis auf weiteres in der Schublade. Der Grund: Einige der Eigentümer, auf deren Häuser es die Stadt abgesehen hat, weigern sich strikt zu verkaufen. Andere wären prinzipiell dazu bereit. Einer würde unter der Bedingung, dass er adäquaten Ersatz findet, ein anderer, wenn ihm die Stadt eine passende Immobilie zum Tausch anbietet. Leider mangele es an adäquaten Objekten. Sicher ist: Ankauf und Abriss kämen die Stadt aber ziemlich teuer. Die Verwaltung kalkuliert mit Kosten von bis zu 2,5 Millionen Euro.

Schrottimmobilien wurden renoviert. Ankauf über Landesprogramm hat sich zerschlagen

Gänzlich zerschlagen hat sich die Hoffnung der Stadt, die ehemaligen Schrottimmobilien an der Gladbecker Straße/Ecke Hövel Straße in ihren Besitz zu bringen. Im Oktober 2017 hatte die Stadt bei der Bezirksregierung Düsseldorf einen Antrag auf Enteignung gestellt. Damals waren vier der fünf Gebäude für unbewohnbar erklärt worden. In den Wohnungen hatte der Vermieter Armutszuwanderer aus Rumänien und Bulgarien untergebracht.

Nun rät die Verwaltung dringend dazu an, diesen Antrag auf Enteignung wieder zurückzuziehen. Denn der Hausbesitzer hat seine Immobilien inzwischen renoviert. Eine drohende Zwangsversteigerung hatte der Eigentümer zuvor abwenden können, indem er offene Rechnungen bezahlte, bevor die Häuser unter den Hammer kommen.

Die ehemaligen Schrottimmobilien an der Gladbecker Straße/Ecke Hövelstraße sind renoviert und neu vermietet.
Die ehemaligen Schrottimmobilien an der Gladbecker Straße/Ecke Hövelstraße sind renoviert und neu vermietet. © Foto: Carsten Klein

Einige Wohnungen seien wieder vermietet. Der Verkehrswert, den die Stadt vorher auf 350.000 Euro beziffert hatte, liegt heute bei 1,8 Millionen Euro. Der Eigentümer sei bereit an die Stadt zu verkaufen – für rund 2,5 Millionen Euro. Finanzieren müsste die Stadt den Ankauf aus eigenen Mitteln. Die Verwaltung rät angesichts der hohen Kosten davon ab. Die Idee, den Erwerb über das „Modellvorhaben Problemimmobilien“ des Landes zu finanzieren, hat sich mit der Renovierung und Neuvermietung zerschlagen.

Die Lärmbelastung an der Gladbecker Straße wird weiter steigen

An der vielbefahrenen Gladbecker Straße bleibt also alles wie es ist. Unter welchen Bedingungen die Menschen dort wohnen, macht die Verwaltung in ihrem Bericht an die Politik deutlich. Entlang der Häuserzeilen, welche die Stadt gerne abgerissen hätte, liegt die Lärmbelastung tagsüber um bis zu 30 Dezibel über dem für reine Wohngebiete geltenden Orientierungswert. Nachts wird der Wert um bis zu 29 Dezibel überschritten. Zu diesen Ergebnissen kommt ein Lärmgutachten.

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Die Lärmbelastung könnte demnach um sechs bis sieben Dezibel sinken, würde der Straßenraum, wie von der Stadt beabsichtigt, verbreitert, indem die Häuser abgerissen und zurückversetzt neue Häuser gebaut werden. Um den Lärm unter den Schwellenwert von 70 Dezibel am Tage und 60 Dezibel in der Nacht zu drücken, bedürfte es allerdings Schallschutzfenster und anderer passiver Lärmschutzmaßnahmen heißt es. Liegt die Belastung auf Dauer oberhalb dieser Werte, gilt eine Gesundheitsgefahr als nicht ausgeschlossen. Die Stadt geht davon aus, dass die Lärmbelastung weiter steigt.

Über dem Grenzwert liegt an der Gladbecker Straße auch die Stickstoffdioxid-Konzentration, 2018 lag die Belastung im Jahresdurchschnitt bei 42 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und damit über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm. Durch Abriss und zurückversetzten Neubau könnte die Belastung in Höhe des Messcontainers des Landesumweltamtes laut Immissionsgutachten um neun bis zehn Mikrogramm sinken.

Daraus wird nichts. Und nun? Die Stadt will mit den Hausbesitzern weitere Gespräche führen, heißt es. Die Verwaltung setzt offenbar auf den Faktor Zeit und darauf, dass es sich der ein oder andere ja noch überlegen könnte, doch zu verkaufen.

Was die Luftbelastung angeht: Laut Prognose sinkt die Stickstoffdioxid-Konzentration aufgrund moderner Abgastechnik der Fahrzeuge. 2025 werde die Belastung „weitestgehend unter dem Grenzwert“ liegen. Ob die Abrisspläne dann noch aktuell sind, sollte es so kommen, wird sich zeigen.