Essen/Bottrop. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den Ex-Chef der Essener Stadttochter RGE erhoben. Sie wirft dem Bottroper einen Millionenschaden vor.
Der tiefe Fall des ehemaligen Chefs der Essener Stadttochter RGE-Servicegesellschaft setzt sich fort. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Essen Anklage gegen Klaus Wieschenkämper erhoben, bestätigt Gerichtssprecher Johannes Hidding. Die Anklagebehörde wirft dem 65-jährigen Bottroper siebenfachen Betrug und in einem Fall Untreue vor. Er soll die RGE bei Pensionen um rund 1,5 Millionen Euro geschädigt haben. Außerdem habe er als Beamter gegenüber der Stadt Essen seine Nebeneinkünfte in Höhe von 370.000 Euro verschwiegen, die er zum Großteil hätte abführen müssen.
Mitangeklagt ist eine ehemalige RGE-Prokuristin. Der 57-Jährigen aus Herne wirft der Essener Staatsanwalt Hans-Joachim Koch Betrug in drei Fällen vor. Auch sie habe als Beamtin der Stadt Essen ihre Nebeneinkünfte verschwiegen. Damit habe sie die Stadt um 170.000 Euro geschädigt, heißt es in der 14 Seiten starken Anklage.
Als RGE-Chef Beamter geblieben
1998 hatte die Stadt die RGE als privates Unternehmen gegründet, zuständig war sie für die Geschäftsfelder Reinigung und Sicherheit, später kamen Gastronomie und Catering hinzu. Chef war seit Beginn der Firma der städtische Beamte Klaus Wieschenkämper. Ebenso wie die Prokuristin behielt er während der gesamten Zeit bei der RGE seinen Beamtenstatus.
Das Unternehmen wuchs, aber auch die Kritik an der RGE. Die Gewerkschaft Verdi sprach 2014 von „Essens größtem kommunalen Familienbetrieb“. Denn viele Mitarbeiter seien privat mit Wieschenkämer verbunden, sein Bruder sogar Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Aufsichtsrates.
Richter bekam "Schnappatmung" bei der Pensionshöhe
Ab 2013 begann die Stadt durchzugreifen, forderte Geld von Wieschenkämper zurück, nahm ihm den Chefposten weg. Das gipfelte schließlich in Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, bei denen der Richter von einem „dienstrechtlichen Wunderland“ bei der Stadt Essen sprach und bei der Höhe der Pension von Wieschenkämper „Schnappatmung“ bekam. Auf diesen Verfahren fußt die Anklage, über deren Zulassung noch die XII. Essener Strafkammer entscheiden muss.
Ein Punkt der Anklage umfasst die Pensionsregelung für Klaus Wieschenkämper. Die RGE hatte sich verpflichtet, den finanziellen Nachteil für ihn auszugleichen, weil er für seine Zeit bei der RGE gegenüber einer reinen Beamtenpension schlechter gestellt wäre. Dafür schloss die RGE Versicherungen ab, um diesen Ausgleich für den Rentner/Pensionär zu finanzieren.
Versicherungen für 850.000 Euro auf sich selbst übertragen
2009 soll Wieschenkämper auf die Idee gekommen sein, die Versicherungen auf sich übertragen zu bekommen. Immerhin ging es um rund 850.000 Euro, die an ihn ausgezahlt worden wären. Dafür täuschte er laut Anklage den damaligen Stadtdirektor Christian Hülsmann, indem er ihm vorspiegelte, er benötige dessen Unterschrift nur für eine kleine Vertragsänderung.
Ähnlich soll der RGE-Chef bei der Prokuristin vorgegangen sein. Aus welchem Motiv heraus er sie unterstützte, lässt die Anklage offen. Bei ihr ging es um Versicherungen im Wert von 630.000 Euro. Diesen mutmaßlichen Betrug lastet die Anklage lediglich Wieschenkämper an, der für diese Vertragsänderung verantwortlich war. Die Prokuristin sei dagegen gutgläubig gewesen, dass ihr das Geld zugestanden habe. Ein echter Schaden entstand nicht, weil die Versicherungen noch nicht ausgezahlt wurden.
Anklage: Der Stadt Nebeneinkünfte verschwiegen
Für den früheren RGE-Chef und die ehemalige Prokuristin geht es aber noch um die nicht gemeldeten Nebeneinkünfte. Beide waren bei weiteren Essener Stadttöchtern, etwa der EVV oder der Akuras GmbH, tätig. Als Beamte seien sie verpflichtet gewesen, ihre Nebeneinkünfte seit 2011 von 370.000 Euro beziehungsweise 170.000 Euro zu melden, sagt die Anklage. Bis auf einen geringen Selbstbehalt hätten sie das Geld an die Stadt abführen müssen.
Verteidigt wird Wieschenkämper von den Essener Anwälten Regina Klose und Wolfgang Küpper-Fahrenberg. Der Rechtsanwalt sagt, dass sein Mandant den Betrug mit der Versicherung bereits im Ermittlungsverfahren eingeräumt habe.
Verteidigung hofft auf Einstellung des Verfahrens
Damals sei ihnen von der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße zugesagt worden, erinnert sich Küpper-Fahrenberg. Dann seien aber die Vorwürfe wegen der Nebenverdienste bekannt geworden, und die Staatsanwaltschaft habe sich nicht mehr an ihre Zusage gebunden gefühlt.
Für diesen Komplex erwarte die Verteidigung aber einen Freispruch, führt er weiter aus. Denn diese Nebeneinkünfte bei städtischen Töchtern seien der Stadt Essen natürlich bekannt gewesen. Und deshalb sei sein Mandant nicht zur Meldung verpflichtet gewesen. Und wenn es wirklich zum Freispruch in diesem Punkt komme, müsse ja auch wieder die Zusage der Einstellung für den Rest der Anklagevorwürfe gelten, zeigt Küpper-Fahrenberg sich optimistisch.
Hunderttausende Euro bereits zurückgezahlt
Einen Pluspunkt können beide für das noch nicht terminierte Verfahren verbuchen. Nach dem Verfahren am Verwaltungsgericht haben der Ex-Chef und die Ex-Prokuristin auf Anregung der Richter einen Großteil der Summen für die Nebeneinkünfte bereits an die Stadt Essen zurückgezahlt, heißt es in der Anklage.
Die Prokuristin zahlte 160.000 Euro an die Stadtkasse, ihr früherer Chef 280.000 Euro. Das könnte vor dem Strafgericht helfen.