Essen. Strafverteidiger ist er. Daran ändert auch der 80. Geburtstag nichts, den der Essener Anwalt Wolfgang-Küpper-Fahrenberg am Mittwoch feiert.
Er lacht, macht noch einen lockeren Spruch. Und nimmt so auch bei den von ihm vertretenen Schwerstverbrechern ein wenig Druck aus dem Kessel, wenn die Stimmung vor dem Strafgericht zu Lasten des Angeklagten fast den Siedepunkt erreicht. Wolfgang Küpper-Fahrenberg, einer der renommiertesten Strafverteidiger des Ruhrgebietes, feiert am heutigen Mittwoch (5. Juni) seinen 80. Geburtstag. Vom Aufhören will der Essener Jurist auch jetzt noch nichts hören.
Es gibt Rechtsanwälte, die mit bitterernster Miene von den Grundrechten des Angeklagten sprechen, von Paragrafen und obergerichtlicher Rechtsprechung. Und die Gerichte sind aus ihrer Sicht immer voreingenommen und ungerecht. Das alles wird man von Küpper-Fahrenberg nicht hören.
Engagiert und anschaulich für den Mandanten
Aber dafür einen Verteidiger erleben, der engagiert und anschaulich die Schwächen seines Mandanten herunter spielt, aber auch die Mängel der Anklage offenlegt. „Der Herr Staatsanwalt ist ein kluger Mann, und was er sagt, ist überzeugend“, hat er oft im Plädoyer gesagt. Um dann die Beweisführung des Anklägers nach allen Regeln der Kunst auseinander zu nehmen. „Aber der Herr Staatsanwalt war auch nicht dabei. Er vermutet nur.“ Sätze, die vor allem die Schöffen, die Laienrichter also, auf seine Seite ziehen sollten.
Bodenständig ist er, hat trotz seines Doktortitels („Das Prinzip der Solidarhaftung im System der gesetzlichen Unfallversicherung“) so gar nichts von einem abgehobenen Juristen. Warum er Strafverteidiger geworden ist? „Weil das immer Spaß gemacht hat und das Geld stimmte.“ Der Sinn einer Strafe: „Natürlich bin ich für harte Strafen. Deshalb ist mein Honorar so hoch.“
Kirchenvorstand und Präsident des Fußballclubs
Der Essener Stadtteil Heisingen ist bis heute sein Wohnort. Dort saß er im Kirchenvorstand der katholischen Gemeinde St. Georg und später St. Josef, dort spielte er Fußball. Später stand er als Vorsitzender des Heisinger SV jahrelang in der Pflicht. Und hatte seinen Spaß daran, dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Hamm mitzuteilen, dass er nun auch Präsident sei: „Wie Sie, Herr Präsident.“
Der Großvater war Bergmann, der Vater schon Sparkassendirektor. Er drängte den Sohn, Jurist zu werden, „weil er es selbst mangels Abitur nicht werden konnte“. So studierte er in Münster das Recht, lernte in der katholischen Studentenverbindung Saxonia den Essener Rechtsanwalt Alfred Linten kennen. Der hatte nach dem zweiten Weltkrieg mit Partnern eine Kanzlei von Rang in der Zweigertstraße gegründet. 1968 trat Küpper-Fahrenberg dort als Strafverteidiger ein und wurde nach vier Jahren Partner.
Geständnis im Mordfall Litt widerrufen
Sein erster großer Fall war die Ermordung von drei Mitgliedern der Inhaberfamilie des Café Litt in Rüttenscheid, bis heute ungeklärt. Küpper-Fahrenberg übernahm einen Mann, der bereits ein Geständnis abgelegt hatte, dies aber widerrufen wollte. Mit Erfolg gelang das. Küpper-Fahrenberg erreichte die Einstellung des Verfahrens.
Später verteidigte er die Golf-Bande, die vor und nach der Wende Banken und Supermärkte ausraubte und um Hunderttausende erleichterte. Oder die Frau, die ihrem Mann Rattengift ins Bier schüttete. Oder den „Blinden“, den Rotlichtkönig des Ruhrgebietes. Der war als Kind von Küpper-Fahrenbergs Ehefrau an der Volksschule im Stadtteil Altendorf unterrichtet worden. Da blieb es in der Familie.
Schalke wichtiger als der Gerichtstermin
Die Familie: Zwei Kinder und vier Enkelkinder hat er. Mit einem gewissen Stolz sagt er, dass alle Schalker seien. Die Liebe zu den Knappen ist eine der Konstanten seines Lebens. Und als Schalke in den 90er Jahren ein Auswärtsspiel in Belgien hatte, kollidierte es mit einer Verhandlung. Kurzerhand bat er den Essener Amtsrichter schriftlich um die Verlegung des Prozesses „wegen eines nicht aufschiebbaren Termins der Verteidigung im Ausland“. Es wurde genehmigt, der Fan durfte seinen Club begleiten.
Ein bisschen Täuschen gehört auch immer dazu. Gerade an einem Montag blätterte „der Doc“ in der Verhandlung immer besonders intensiv in seinen Akten. Die Richter wussten es nicht, aber die Eingeweihten: Im Inneren der Akte lag die druckfrische Ausgabe des Kicker. Innerhalb der Juristenschar brüstete er sich auch gerne mit angeblich fehlendem Interesse an juristischen Aufsätzen: „Das einzige Fachmagazin, das ich lese, ist der Kicker.“
Im Angeklagten auch den Menschen sehen
Zwei Richter des Essener Landgerichtes, die durchaus hart bestrafen können, schätzt er besonders: „Weil sie nicht vergessen, dass sie über Menschen urteilen.“ Für ihn sind sie „eine Art Vorbilder“. Mit dem Begriff „Gerechtigkeit“ kann er nicht viel anfangen: „Denn jeder sieht ja anders, was gerecht ist.“
Wenig anfangen kann er auch mit Fragen, wann er denn nun aufhöre. Angekündigt hat er das immer mal wieder, aber aktuell bekommt man nur eine knappe Antwort: „Dazu will ich nichts sagen.“ Im Kopf ist der Anwalt auch mit 80 immer noch klar. Möglich, dass er sich noch einmal so ins Zeug legt, wie vor Jahren bei einem eindeutig wegen eines Sexualdeliktes schuldigen Polizisten. Da hatte er voller Engagement auf einen Freispruch plädiert und danach vor dem Saal tief durchgeatmet: „Zwischendurch habe ich selbst an seine Unschuld geglaubt.“