Essen. Immer öfter fühlen sich Fußgänger durch Radfahrer bedrängt, diese klagen über Autofahrer. Polizei sieht Ausbremsen des Autoverkehrs als Lösung.

Autos verdrängen die Fahrräder, die Radler weichen aus und gefährden Fußgänger auf Gehwegen – wenn sich im Straßenverkehr Rücksichtslosigkeit breit macht und das Recht des Stärkeren gilt, der den Nächstschwächeren verdrängt, passieren nicht nur mehr Unfälle. Auch die Stimmung zwischen den Verkehrsteilnehmern wird nicht gerade entspannter. Zunehmend hitzige Diskussionen und gegenseitige Schuldzuweisungen sind inzwischen in Essen die Folge. Jetzt hat sich die Polizei noch einmal positioniert und im Kern zwei Dinge gefordert, um gefährliche Verdrängungseffekte in der Stadt auszubremsen.

Es sollte ernsthaft geprüft werden, entlang von Radstreifen auf Essener Stadtgebiet generell Tempo 30 einzuführen, da Autofahrer, die meist nicht mit 50 Stundenkilometern, sondern mit 60 km/h unterwegs sind, oftmals die Mindestabstände zu den Radlern nicht einhalten oder mit ihren Wagen deren Wege blockieren. Derart bedrängt, flüchten die Biker wiederum widerrechtlich auf Gehwege, um ihre Haut zu retten – leider auf Kosten der Passanten.

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Studien zeigten, dass das Unfallrisiko durch eine Reduzierung auf Tempo 30 besonders für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer massiv sinkt. Vor allem Fußgänger, Radfahrer, ältere Menschen, Behinderte und insbesondere Kinder werden durch eine um 20 km/h herabgesetzte erlaubte Höchstgeschwindigkeit besser geschützt, die Zahl der Unfälle, bei denen diese Gruppen Schaden nehmen, sinke um bis zu 70 Prozent.

Fahrradstraßen sollten generell für den Durchgangsverkehr gesperrt werden

Neben Tempo 30 entlang der Radstreifen sollten Fahrradstraßen generell für den Durchgangsverkehr gesperrt werden, sagte Wolfgang Packmohr, Chef der Direktion Verkehr bei der Essener Polizei, in einem Gespräch mit dieser Zeitung: „Es muss doch möglich sein, Radfahrer und Fußgänger gleichermaßen zu schützen.“ Ein anschauliches Negativ-Beispiel sei aktuell der Pollerbecks Brink: Durch die Bauarbeiten auf der Altendorfer Straße weiche der Autoverkehr dorthin aus. Als Fahrradstraße, so Packmohr, ist der Pollerbecks Brink „zur Zeit nicht nutzbar“.

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Doch wer mehr klimafreundlichen Fahrradverkehr fordere und einen künftigen Anteil von mindestens 25 Prozent wolle, müsse ihn auch fördern, indem mehr und vor allem sichere Flächen dafür zur Verfügung gestellt werden – wenn nicht anders möglich, auch auf Kosten der Autos, die etwas von ihrem vergleichsweise üppigen Verkehrsraum abgeben müssten, ist der Polizeidirektor überzeugt. Es sei doch eine absurde Vorstellung, dass sich in Zukunft immer mehr Umsteiger aufs Rad auf engstem Raum knubbeln, der für sie vorgesehen ist, während auf weiter üppig bemessenen Straßen zunehmend weniger motorisierte Fahrzeuge unterwegs sind, weil einige tatsächlich in der Garage bleiben.

Polizeidirektor sieht ein „zwingendes Schutzerfordernis“ für Radfahrer

Packmohr sieht entlang der Radstreifen inzwischen ein „zwingendes Schutzerfordernis“ für Radler wie vor Kindergärten und Altenheimen, wo seit Jahren grundsätzlich Tempo 30 gelte. Dann sei auch wieder für die Sicherheit der Fußgänger gesorgt, die sich von rücksichtslosen Pedalrittern ihrerseits in die Enge getrieben fühlen.

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Die Polizei registrierte im ersten Halbjahr 2019 exakt 40 Unfälle von verbotswidrig fahrenden Radfahrern auf Gehwegen. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 37 solcher Unfälle. Grundsätzlich sei der Gehweg für die Fußgänger da. Deshalb rechnen die Passanten nicht mit Radfahrern – selbst da, wo sie sogar ausdrücklich erlaubt sind. Auf den Gehwegen seien aber auch vermehrt Menschen mit Rollatoren unterwegs, die mehr Platz beanspruchen und sich den begrenzen Raum plötzlich teilen müssen. „Dann entstehen nicht vorhersehbare Gefahrensituationen und es kommt zu Unfällen mit Verletzten“, heißt es seitens der Behörde..