Essen. Den Dom und seine Schätze bewunderten 20 Leser bei „WAZ öffnet Pforten.“ Hausherr Dompropst Thomas Zander ermöglichte auch exklusive Einblicke.
Der Essener Dom, die Bischofskirche am Burgplatz, ist die Mitte der Stadtmitte, die Keimzelle der Stadt Essen, dessen Wurzeln sich auf das neunte Jahrhundert zurückführen lassen. In dem Gotteshaus, das den Stadtpatronen Cosmas und Damian und der Gottesmutter Maria geweiht ist, schlummern aber auch viele alte Schätze. Leser Hartwig Strack aus Bedingrade hat schon öfter Domführungen besucht. Nun ist er gespannt auf besondere Einblicke. Und er wird nicht enttäuscht.
Gegründet wird der Dom um das Jahr 845 als Kirche des Essener Damenstiftes
Andrea Wegener, Leiterin der Schatzkammer, empfängt uns mit dem Hausherrn, Dompropst Monsignore Thomas Zander. Im schattigen Innenhof gibt es erste Zahlen und Fakten: Das heutige Gebäude ist an diesem Ort die dritte Kirche. Ältester Vorgänger ist eine dreischiffige Basilika in West-Ost-Ausrichtung. Sie wird um 845 gegründet, von Altfrid, dem Bischof von Hildesheim. 946 beschädigt ein Brand die auch St. Quintin genannte Kirche. Erneuerungen stehen an.
Die Äbtissinnen Agana und Hathwig geben eine Außenkrypta sowie das mittelalterliche Westwerk mit Atrium und Kapelle in Auftrag. Äbtissin Mathilde, von 973 bis 1011 im Amt, schwärmt für prunkvolle Kunst. Ihr ist der Neubau aus der Zeit der Sachsenkaiser (Ottonen) zu verdanken. Von dem sind bis heute bedeutende Teile erhalten.
Die wichtigsten Kunstwerke sind rund tausend Jahre alt
Auf die angenehme Kühle in der Kirche freuen sich alle. Wegener zeigt die wertvollsten Stücke. Knapp 2,30 Meter ragt der Siebenarmige Leuchter in der Mitte des Westbaus in die Höhe. Äbtisssin Mathilde lässt ihn zwischen 973 und 1011 anfertigen – aus 46 in Bronze gegossenen Einzelteilen. „Das Alter der Kunstwerke hier ist erhebend!“, schwärmt Dompropst Zander. „Kohle und Stahl, das sind gerade mal 150 Jahre in der Region. Hier reicht die Geschichte viel länger. Kunst und Kultur gab es schon vor 1000 Jahren!“
Die Essener haben über alle Jahrhunderte ein Herz für ihr Münster bewiesen. Nach massiver Zerstörung durch Luftangriffe im März 1943 lassen sie es nach 1945 wiederaufbauen. Schnell finden sich Unterstützer aller Konfessionen für Essens erste „Bürgerinitiative“ nach dem Krieg. Im September 1946 appelliert Oberbürgermeister Heinz Renner – ausgerechnet ein Kommunist - an die „Ehrenpflicht der Bürger“. Er ruft erfolgreich zur Bildung eines Vereins auf, der „Münsterbauverein“ entsteht und setzt sich bis heute für das Wahrzeichen ein.
Das achteckige Westwerk hat die Bombardierung am besten überstanden
1950 beginnen die Arbeiten, im Mai 1957 ist das Äußere abgeschlossen. Das achteckige Westwerk sowie die Krypta blieben erhalten. Im nördlichen Kreuzgang werfen die Leser einen Blick auf den größten Schatz: die Goldene Madonna. Geheimnisvoll glänzt sie weit über das Revier hinaus. Die älteste vollplastische Marienstatue misst stolze 74 Zentimeter Höhe. Ihr Pappelholzkern ist mit kostbaren Goldblechen verziert.
Ein besonderes Schmankerl erwartet die Leser in der Sakristei. Sie bleibt Fremden sonst fest verschlossen. André Pawlik erwartet die Gruppe. Wenn im Essener Dom eine Messe beginnt, war er schon fleißig. Wo Pawlik wirkt, schlummert alles, was für den Gottesdienst benötigt wird – vom Kelch bis zum Messgewand. Hohe Eichenschränke reichen bis unter die Decke. Pawlik öffnet eine Tür. An einer langen Kleiderstange hängt ordentlich nebeneinander eine ganze Reihe cremefarbener Umhänge. Der Sakristan nimmt vorsichtig einige heraus und legt sie auf das große, tischhohe Möbelstück in der Mitte.
Ein grünes Ornat für den Bischof
Die Gäste dürfen die Kaseln (auch „Caseln“ von „casula“ = Häuschen auf Latein) aus nächster Nähe betrachten. Solche Obermäntel trägt ein katholischer Priester zur Messe. Wie der Bischof, der sich in diesem Raum auch umkleidet. Mit einem Griff zieht Pawlik einen grünen Ornat vom Bügel, ein schmuckvolles Kleid aus der Dienstgarderobe Franz-Josef Overbecks. Aber auch andere Geistliche, Diakone, Messdiener und der Dompropst bewahren hier kunstvolle Seiden- oder Leinengewänder auf.
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Zander zeigt ein aufwändig besticktes Gewand, das Ruhrbischof Franz Hengsbach in den 1950er Jahren trug. Vom Wandbild über der Tür in zum Kirchenraum grüßt freundlich Papst Franziskus. Auch geistliches Outfit geht mit der Mode. Der Dompropst führt noch ein Modell aus den 1970er Jahren vor. „Wer weiß noch, was das für ein Stoff ist?“, fragt er in die Runde. „Lurex!“, ruft eine Dame. Das mit Aluminium bedampfte Polyestergarn sorgt für glänzende Auftritte.
Schweiß ist der größte Feind kostbarer Textilienstoffe
Leider hat es entscheidende Nachteile: Sein Träger gerät darunter leicht ins Schwitzen. „Schweiß ist der größte Feind für kostbare Stoffe!“, warnt Zander. Flecken und Ränder müssten schnellstens raus aus dem Gewebe - in einer speziellen Reinigung. Jetzt läuft im fensterlosen Raum auch einigen Gästen bei draußen über 40 Grad der Schweiß von der Stirn. Zander: „Nach ein paar Tagen Wüstenhitze schlägt selbst hier die Wärme durch!“
Einmal etwas über die „Abläufe im Hintergrund“ zu erfahren, findet Leser Josef Kost aus Kupferdreh „einfach klasse“. „Ganz toll!“, lobt am Ende auch Annegret Kremers aus der Altenessener Gemeinde Herz Jesu die Besichtigung.
Farben des Geistlichen bestimmt der Kalender
In der Sakristei werden neben Messgewändern und Schals auch Kelche, Hostienschalen, Leuchter, Bücher, Hostien, Wein und Kerzen aufbewahrt. Im Essener Dom kümmern sich drei Mitarbeiter, die „Sakristane“ (Küster) um diese Dinge.
Welche Farbe das Gewand haben muss, steht im Liturgischen Kalender. Weiß wird zu Hochfesten wie Weihnachten und Ostern getragen, Grün an Sonn- und Werktagen, sofern kein anderes Fest ansteht. Violett ist die Farbe der Buße und Besinnung. Sie dient in der Fastenzeit und im Advent, aber neben Schwarz auch für Buß- und Beichtgottesdienste, Totenmessen und Beerdigungen. Rot kleiden sich Geistliche zu Messen an Karfreitag oder Pfingsten.