Essen. Dompropst Thomas Zander stellt die Essener Bischofskirche ins rechte Licht, hadert aber manchmal mit dem sinkenden Niveau der Umgebung.

Der Essener Dom macht sich nicht wichtig, von der Kettwiger Straße aus kann man ihn sogar übersehen. Romanisch bescheiden kommt er daher, das Gegenteil eines himmelweiten gotischen Domes wie etwa in Köln. Thomas Zander heißt der Mann, der – neben dem Bischof – dieses Bauwerk mit Leben füllen soll. Als Dompropst leitet er das Domkapitel und vertritt es nach außen, er ist „für die Verwaltung des Dombesitzes verantwortlich und hat für die würdige Feier der Gottesdienste in der Bischofskirche zu sorgen“, wie es auf der Internetseite des Bistums heißt.

Wie wichtig ist den Essenern der Dom? Zwei Zahlen könnten eine Antwort andeuten. Der Dombauverein in Köln hat 17.000 Mitglieder, sein Essener Pendant keine 300. Der Vergleich mag unfair sein, aber es ist offensichtlich, dass der Essener Dom in der Stadtgesellschaft nicht gerade zentral verankert ist.

Domprobst Thomas Zander führt Ministerpräsident Armin Laschet und OB Thoms Kufen durch den Dom.
Domprobst Thomas Zander führt Ministerpräsident Armin Laschet und OB Thoms Kufen durch den Dom. © Oliver Mueller

Zander weiß das und nennt auch einige Gründe. „Wir haben hier nicht diese Kontinuität als Bischofssitz“, sagt er. Der Dom, früher Münsterkirche genannt, war seit dem Ende des Stifts Essen im Jahr 1802 bis zur Gründung des Bistums 1958 eine bessere Pfarrkirche. Es waren die prägenden anderthalb Jahrhunderte, in denen aus einer unbedeutenden Landstadt in rasendem Tempo eine Industriemetropole wurde. Und die Pflege von Traditionen stand nicht unbedingt auf der Agenda der vielen Neubürger, die daran maßgeblich beteiligt waren.

Kreuzgang ist ein Geheimtipp für Passanten, die dem Trunel entfliehen wollen

Zander, Jahrgang 1962, ist sich dennoch des langen Atems bewusst, den der Dom symbolisiert. „Wir können uns hier sehr selbstbewusst herausstellen und brauchen uns nicht zu verstecken.“ Wenn er aus dem Fenster seines Arbeitszimmers schaut, in dem sich auch das Domkapitel versammelt, blickt er auf das gestreckte Kirchenschiff, den achteckigen Turm des Oktogons und auf den kleinen Kreuzgang, noch immer ein Geheimtipp für Passanten, die dem Innenstadt-Trubel kurz oder auch länger entfliehen wollen.

Der eigentlich verbrauchte Begriff Idylle fällt einem ein. Die Kettwiger Straße ist keine 50 Meter entfernt, aber hier ist eine andere, eine stille Welt. Es fällt nicht schwer, sich in ein Kloster auf dem platten Land zu phantasieren, jedenfalls sofern die Innenstadt nicht gerade im Remmidemmi ertrinkt. Das allerdings sei zu oft der Fall, wie Zander seufzend bemerkt. „Mit der Essener Innenstadt ist es nicht immer leicht, wir nehmen an allem teil, was sich ereignet, im Positiven wie im Negativen.“

Mehr Qualität statt Quantität bei „Bespielung“ der Innenstadt

Der Dompropst, ein eher stiller Mann, ist bemüht, nicht den Spielverderber zu geben. Mit der Essen Marketing GmbH, die die Innenstadt „bespielt“, wie es so schön entlarvend heißt, komme man prima aus, wenn auch die Zahl der Feste übertrieben hoch sei. „Da frage ich mich schon: Muss das sein?“ Mehr Qualität statt Quantität, wünscht sich Zander, der auch sonst ein waches Auge hat: „Sauberkeit, Aufenthaltsqualität, Vermietungszustand, da gibt es Luft nach oben.“ Etwas erschrocken war er, als auf der Kettwiger in bester Lage der nunmehr dritte Laden aufmachte, der Süßigkeiten aus dem Karton verkauft. Noch vor wenigen Jahren undenkbar.

Auch beim Thema Kriminalität musste das Domkapitel erkennen, dass Kirchen kein Tabu mehr sind. Nachdem immer mehr Beter sich über aggressive Bettler beschwert hatten, sah sich Zander gezwungen, einen professionellen Sicherheitsdienst zu engagieren. Dieser unterstützt nun die Alfried-Bruderschaft, ältere Herren zumeist, die traditionell im Dom nach dem Rechten sehen, aber die Übergriffe nicht verhindern konnten. „Das Betteln gehörte immer zur Kirche“, sagt Zander, aber es müsse im Rahmen bleiben.

„Es geht darum, den Menschen den Glauben anzubieten“

Ist ein Dom nicht vor allem eine Bastion des einzig wahren Glaubens, wie ein kantiger Konservativer wie der erste Essener Bischof Franz Hengsbach es vielleicht noch formuliert hätte? Der Dompropst findet, dass die katholische Kirche mit markigen Worten heute sparsam umgehen sollte. „Es geht darum, den Menschen den Glauben anzubieten.“

Die Erhabenheit des Essener Doms mit seinen uralten Kunstwerken wie der goldenen Madonna könnte da sicherlich helfen, denkt man. Von „Projekten“ spricht Zander dann, und davon, per „City-Pastoral mit den Menschen in Kontakt zu kommen“. Eine Sprache, die eher an Sozialarbeit denken lässt, was indes zum Bistum Essen passt, das sich als Speerspitze des modernen, reformorientierten Katholizismus versteht.