Essen. Die Augustiner Chorfrauen betreiben seit Jahrhunderten das B.M.V.-Gymnasium. Im Rahmen der Aktion „WAZ öffnet Pforten“ erhielten Leser Einblicke.
Wie lebt man heute im Kloster? Wie sieht der Alltag aus? Wann wird gebetet? Gibt es Freizeit? Einen Blick hinter Klostermauern konnten ausgesuchte Gäste im Rahmen der Sommeraktion „WAZ öffnet Pforten“ werfen. An der Bardelebenstraße in Holsterhausen stellten sich die Augustiner Chorfrauen vor, die hier das altehrwürdige B.M.V.-Gymnasium betreiben.
Im Gemeinschaftsraum verbringen die Nonnen ihre abendliche Freizeit
Schwester Dorothea Kuld begrüßt die interessierte Gruppe hinter der Klosterpforte. Sie ist kurzfristig für Oberin Schwester Beate eingesprungen. Schnellen Schrittes läuft die Nonne im schwarzen Ordenskleid den langen Flur entlang. Die hellen Steinfliesen spenden angenehme Kühle. Ein paar Meter hinter dem verschlossenen Zimmer der Chefin liegt auf der linken Korridorseite der Gemeinschaftsraum. „Hier sitzen wir abends zusammen!“ Eine Besucherin schaut suchend nach dem Fernseher. „Der steht nebenan, um die anderen nicht zu stören.“
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Schlichte Holzsessel mit roten und blauen Stoffbezügen sind um einen niedrigen Tisch gruppiert. Von 20.15 bis etwa 20.45 Uhr tauschen sich die Schwestern über den Tag aus. Dann beten sie gemeinsam die Komplet bis gegen 21 Uhr. Im Anschluss sucht jede ihr kleines Einzelzimmer auf. Darin stehen Bett, Tisch und Schrank. Wann sie schlafen gehen, dürfen die Augustiner Chorfrauen selbst bestimmen.
Der Tagesablauf im Kloster ist straff und klar geregelt
Gerade noch zwölf Schwestern zwischen 29 und 91 Jahren bilden die familiäre Gemeinschaft. Der Tag im Kloster ist klar geregelt: Gebet, Mahlzeiten, Arbeit und Erholung wechseln sich ab. „Den roten Faden bildet das Chorgebet“, erläutert Schwester Kuld, abgekürzt „Sr.“. Sie kam 1977 aus dem badischen Offenburg an die Ruhr, unterrichtete bis 2010 am B.M.V.-Gymnasium Latein und Deutsch. B.M.V. ist die Abkürzung für „Beatae Mariae Virginis“, übersetzt heißt das „Selige Jungfau Maria“ Bis heute erforscht die rüstige 76-Jährige die Ordensgeschichte, hält Vorträge und macht Hausführungen.
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Der Klostertag beginnt recht früh. „Gleich um sechs Uhr beten wir die Laudes, um halb sieben ist Messe“, erfahren die Gäste. Ab 7.15 Uhr nehmen die Nonnen ihre Arbeit auf, sei es im Haus oder in der Schule. Die beginnt um 8.15 Uhr. Einen eigenen Priester haben die Schwestern nicht, ein externer Geistlicher kommt ins Haus. In der Kirche bewundern die Gäste die kunstvollen Fenster. Sie sind Werk des Niederländers Jan Thorn Prikker. Interessantes Detail: Der Gebäudeteil für den Orden mit dem Eichengestühl war noch bis Ende der 60er Jahre mit einem Gitter vom übrigen Kirchenraum getrennt.
Mit Eintritt in den Orden ist Keuschheit und persönliche Armut Pflicht
Die Geschichte des Klosters reicht in Essen ins Jahr 1652 zurück. Damals wie heute: Mit dem Eintritt in den Orden verpflichten sich die Frauen zu Armut, eheloser Keuschheit und Gehorsam. Privaträume sind selbst bei dieser Führung tabu. Doch der Speisesaal wird aufgeschlossen. Im so genannten Refektorium essen die Ordensfrauen gemeinsam. Frisch gekocht wird kaum noch. „Das Mittagessen kommt aus dem Marienhaus in der Ottilienstraße“. Mit dem Auto holt es eine der Nonnen im katholischen Alten- und Pflegeheim ab. Um 12.30 Uhr wird serviert. Es gibt Suppe, Hauptgericht und Nachtisch.
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Richtig neugierig sind die Gäste auf den Garten. Der ist idyllisch angelegt mit bunten Sommerblumen, Teich und Springbrunnen. Rote Holzbänke laden zum Verweilen ein. Nutzflächen für Gemüse oder Kräuter gibt es nicht. Auf einem Balkon sitzt Schwester Elisabeth (29), die Jüngste im Konvent. Sie liest in der Sonne. Aus der nahen Stadt dringen kaum Geräusche in den Hof.
Auch funktionelle Kleidung ist, wenn nötig, erlaubt
In den Schulferien herrscht auch bei den Augustiner Chorfrauen Urlaubsstimmung. „Einige Schwestern sind derzeit verreist“, berichtet Sr. Dorothea. Wenn erforderlich, dürfen sie das Ordenskleid sogar gegen praktische Kleidung tauschen, etwa zum Wandern.
„Nehmen Sie Gäste auf?“, will Cornelia Perthes am Ende wissen. Sie wäre gern geblieben. „Das schaffen wir leider nicht mehr“, lautet die Auskunft. Die Aktion hat allen Besuchern gefallen. Eine davon ist Annegret Hill. Sie hat 1962 Abitur gemacht und das B.M.V.-Gymnasium „von der Sexta bis zur Oberprima absolviert“. Ohne Wiederholungen. Jetzt ist sie froh, endlich den „geheimen Teil“ gesehen zu haben. Selbst die lateinische Inschrift am eisernen Tor hat sie nicht vergessen: „Omnibus prodesse, obesse nemini“. Das bedeutet „allen nützen, niemandem schaden.“
In der Nachkriegszeit gab es noch 70 Schwestern
Im Jahr 1597 wurde der Orden der Augustiner Chorfrauen der Congregatio Beatae MariaeVirginis (B.M.V.) in Mattaincourt (Lothringen) ins Leben gerufen. In Essen sind die Augustiner Chorfrauen im Schuldienst tätig. Auch in Paderborn, Offenburg, Salzburg und Bratislava (Slowakei) gibt es Klöster, die aber selbstständig sind.
1652 wurden das B.M.V.-Kloster in der Essener Altstadt mit Pensionat gegründet. Seit 1931 befinden sich Kloster und Schule an der Bardelebenstraße in Holsterhausen. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte der Orden noch 70 Schwestern.