Essen. Dem Groß-Asyl im alten Kloster mangelt es seit 2016 an Flüchtlingen. Nun fordert das EBB: Raus aus dem Vertrag. Aber das ist nicht so einfach.
Auf der Suche nach einem passenden Vergleich fällt Peter Jänsch prompt die Feuerwehr ein: Da stehe es also vor der Tür, das nagelneue Löschfahrzeug, „aber es brennt nun mal nicht“. Ist also das Feuerwehrauto überflüssiger Luxus? Muss sich der Deichbauer – auch dieses Bild passe ja ganz gut – rechtfertigen, wenn partout die Flut nicht kommt?
Jänsch baut keine Feuerwehrautos und errichtet keine Deiche, er ist Immobilien-Kaufmann und Eigentümer des ehemaligen Klosters in Schuir, das er vor zwei Jahren aufwendig zum Groß-Asyl für über 500 Flüchtlinge umbaute. Aber ach, gut die Hälfte der Betten wurden noch nie angetastet. Aktuelle Belegung: 100 Leute. Das Essener Bürger Bündnis wittert Skandal – und fordert den Ausstieg aus dem Vertrag.
Es sei in den 15 Jahren „kein Leerstand zu befürchten“, hieß es
Nicht zum ersten Mal. Denn die Kloster-Unterkunft, mit der die Stadt Essen gleich zwei Probleme lösen wollte – viele Asyl-Plätze schaffen und dabei auch mal den Süden der Stadt berücksichtigen –, sie kam zu einem Zeitpunkt auf den Markt, als die größte Flüchtlingswelle eigentlich schon vorbei war.
Es sei „kein Leerstand der auf 15 Jahre beabsichtig anzumietenden Immobilie zu befürchten“ – so hatte die städtische Immobilienverwaltung noch Mitte April 2016 beteuert, als man der Politik das Okay zum Mietvertrag abrang. Fünf Monate später appellierte das Bürger-Bündnis EBB, man sollte den Umbau mangels Asylbewerbern doch lieber eine Nummer kleiner fahren.
Es gibt eine Ausstiegsklausel – aber es gibt dafür auch Bedingungen
Zu spät. Das einzige, was seit dem Start der Belegung im Sommer 2017 ohne Abstriche erfolgt, ist deshalb die Mietzahlung für das Objekt Schuirweg 107: Exakt 942.312 Euro und 60 Cent sind jährlich fällig, zuzüglich Betriebs- und Verwaltungskosten und laut Vertrag bis zum Silvestertag des Jahres 2032.
Es gibt allerdings, und dies ruft nun das Bürger-Bündnis auf den Plan, eine Ausstiegsklausel. Deren Bedingung Nr. 1 lautet, dass „sich der Bedarf (...) hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen nachhaltig reduziert“. Hinzu kommt Bedingung Nr. 2, dass „einvernehmlich eine alternative Nutzung gefunden und genehmigt worden ist“.
Eigentümer Jänsch signalisiert durchaus Gesprächsbereitschaft
Bedingung Nr. 2 ist der Haken. Denn planungsrechtlich befindet sich das Ex-Kloster im sogenannten Außenbereich. Luxus-Wohnungen, ein Altenheim, ein Krankenhaus, eine Psychiatrie – schwierig bis unmöglich, heißt es. Dabei zeigt Eigentümer Peter Jänsch sich durchaus gesprächsbereit: „Ich bin jeder vernünftigen Lösung gegenüber aufgeschlossen.“
Vernünftig heißt aus seiner Sicht natürlich wirtschaftlich vernünftig. Will sagen: Einfach so aussteigen kann die Stadt aus dem Vertrag nicht. Entweder man einigt sich auf eine verträgliche Nachnutzung ohne viel Verkehrsaufkommen – Jänsch könnte sich etwa „eine Koma-Klinik vorstellen –, oder die Stadt muss eine mutmaßlich dicke Ablösesumme blechen. Auch hierfür gibt es eine Klausel im Vertrag.
Weitere Plätze abbauen? „Das wäre grob fahrlässig“, sagt der Sozialamts-Leiter
Die Frage ist nur, ob diese mutmaßliche Millionensumme gut angelegt wäre. Denn die Sozialverwaltung wird nicht müde zu betonen, dass die schwache Asyl-Belegung nicht zwingend von Dauer ist. Ja, von 1661 Plätzen seien derzeit nur 621 mit Flüchtlingen belegt.
Aber wahr ist auch: So klein fiel die Eiserne Reserve noch nie aus: Vor der Flüchtlingskrise habe man knapp 2000 Betten vorgehalten, „es wäre grob fahrlässig, weitere Plätze abzubauen“, betont Sozialamts-Leiter Hartmut Peltz und verweist auf die fragile Flüchtlings-Lage, die sich jederzeit wieder ändern könne.
In den vergangenen eineinhalb Jahren wurden schon drei Heime dicht gemacht
Immerhin wurden dauerhaft Plätze dadurch abgebaut, dass die Stadt im vergangenen Jahr gleich drei kleinere Asyl-Unterkünfte schloss: Am Funkturm in Holsterhausen, an der Cathostraße in Bergeborbeck und am Limbecker Platz in der Innenstadt. In diesem Frühjahr kam dann noch der Bürokomplex an der Klinkestraße in Bergerhausen dazu.
Selbst wenn die Politik sich entschiede, weitere Heime dicht zu machen: Es müssten wohl eher einige kleine dran glauben, denn die sind im Schnitt teurer als ein Groß-Asyl à la Kloster Schuir.
EBB-Chef Hemsteeg will im Notfall halt Turnhallen belegen lassen
Dem Essener Bürger Bündnis schwebt ein rigoroseres Vorgehen vor: Man könne doch, schlägt EBB-Fraktionschef Kai Hemsteeg vor, „im Notfall auf Turnhallen zurückgreifen“.
In der Sozialverwaltung rollen sie angesichts solcher Vorschläge mit den Augen: Als in der Vergangenheit für ein paar Monte tatsächlich Turnhallen genutzt worden waren, gab’s Ärger ohne Ende. Dann doch lieber ein Feuerwehrauto, ein Deich. Und damit Sicherheit.