Essen. Der Babybesuchsdienst der Stadt Essen wird zehn Jahre alt: Die Mitarbeiterinnen haben 22.317 Babys begrüßt – und Eltern zahllose Tipps gegeben.

Fast 6000 Kinder sind im vergangenen Jahr in Essen zur Welt gekommen – und viele von ihnen hat die Stadt persönlich begrüßt. Denn seit dem Jahr 2009 kommt der Babybesuchsdienst zu allen Eltern, die das erste Kind bekommen haben. Am Mittwoch wurde im Ligthouse in Frohnhausen das zehnjährige Bestehen des Babybesuchsdienstes gefeiert, der inzwischen auch die Zweitgeborenen besucht.

Schließlich hätten viele Eltern auch beim zweiten Kind noch Fragen, sei es zu Impfschutz und U-Untersuchungen, sei es zur Spielgruppen im Stadtteil, sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen. Er hat, damals noch als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, den Babybesuchsdienst mit auf den Weg gebracht und freue sich, dass dessen Mitarbeiterinnen inzwischen 22.317 Babys besucht haben, „denn für sie alle tragen wir eine Verantwortung“. Darum nehme die Stadt mit allen Familien so früh Kontakt auf, schreibe alle Eltern an, mache ihnen einen Terminvorschlag. Völlig unverbindlich sei der, dennoch zuckte mancher wohl zusammen, fühle sich kontrolliert.

Eltern räumen extra auf

Das bestätigt auch Daniela ten Thije, die den Babybesuchsdienst koordiniert. Wenn das Jugendamt komme, mache das selbst Eltern, bei denen alles gut läuft, ein wenig nervös, und wenn die Familie nur sage: „Wir haben extra aufgeräumt.“ Binnen zehn Jahren scheint sich jedoch bei vielen Eltern herumgesprochen zu haben, dass der Besuchsdienst durchaus hilfreich ist: 83 Prozent der Eltern nehmen das freiwillige Angebot an.

Sabine Jäger, die als eine der 26 Babybesucherinnen im Essener Süden unterwegs ist, erlebt häufig Eltern, die sich schlicht nach Kinderbetreuung oder Babyschwimmen erkundigen. „Es gab aber auch immer wieder Situationen, wo klar wurde, dass es einen anderen emotionalen oder psychologischen Hilfebedarf gibt. Etwa wenn die Schwangerschaft oder die Geburt sehr schwierig verlaufen sind.“ In solchen Fällen lasse sie nicht nur ihre Telefonnummer da, sondern vereinbare schon mal einen zweiten und dritten Termin – und erlebe viel Dankbarkeit.

„Wir sind keine Kontrollinstanz des Jugendamtes“

Es gebe zwar auch Fälle, wo die Überforderung so groß sei, dass das Kind aus der Familie genommen werden müsse, ergänzt Sybille Krüger vom Babybesuchsdienst: „Doch wir sind keine Kontrollinstanz des Jugendamtes, wir schauen nur hin, wie jeder hinschauen sollte.“

Zehn Jahre Babybesuchsdienst wurden am Mittwoch, 3. Juli 2019, im Lighthouse in Essen-Frohnhausen gefeiert: Projektkoordinatorin Daniela ten Thije (l.) und Sybille Krüger vom Jugendamt berichteten über ihre Erfahrungen.
Zehn Jahre Babybesuchsdienst wurden am Mittwoch, 3. Juli 2019, im Lighthouse in Essen-Frohnhausen gefeiert: Projektkoordinatorin Daniela ten Thije (l.) und Sybille Krüger vom Jugendamt berichteten über ihre Erfahrungen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Für all jene Mütter und Väter, die sich mit ihrem Baby überfordert fühlen oder sich in einer Krisensituation befinden, hat die Stadt ebenfalls vor zehn Jahren ein anderes Angebot installiert: „Sicherer Start – Chancen geben“. Immerhin 1200 Familien haben seit 2009 diese Vermittlungsstelle des CJD Zehnthof besucht und um Unterstützung gebeten. „Der Babybesuchsdienst kommt in der Regel einmal, wir begleiten Familien ein Jahr lang“, sagt Sabine Heimeshoff vom CJD Zehnthof. Die Probleme reichten von Armut, Drogenkonsum, einem über Generationen vererbten Sozialhilfebezug bis zu Sprachschwierigkeiten. Neben Menschen, die am Rande der Gesellschaft stünden, meldeten sich auch überlastete Zwillings-Eltern oder verunsicherte Akademiker, die das Gefühl hätten als Eltern zu versagen.

Viele Familien melden sich selbst beim „Sicheren Start“

Freiwilligkeit spiele auch beim Sicheren Start eine große Rolle, betonen die Mitarbeiterinnen: „Inzwischen melden sich 40 Prozent der Familien selbst bei uns.“ Ein weiterer großer Teil komme aus der Schwangerschaftsberatung: Dass sich manche Mutter bei allen Sorgen und Bedenken traut, ihr Kind auszutragen, liege auch daran, dass sie weiß: Es gibt Unterstützung für mich und mein Kind.

Sabine Heimeshoff verschweigt aber nicht, dass auch die Zahl der schweren Fälle zugenommen habe, bei denen es auch um Kindeswohlgefährdung gehe. Dass auch diese Familien stärker in den Blick geraten, dürfte kein unwichtiger Nebeneffekt des Angebots sein. Wie sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen über die Verantwortung der Stadt für ihre Kinder: „Man kann auch weggucken…. aber nicht lange.“