Essen. Im Theater spielt Jeanette Biedermann die Friseuse Rita. Den Job hat sie sogar mal gelernt: bei Udo Walz. Jetzt startet sie musikalisch neu durch
Jeanette Biedermann hat mit Ende 30 schon jede Menge Bühnenerfahrung. Die 1980 in Ost-Berlin geborene Künstlerin feierte in den 2000er Jahren als Pop-Sängerin große Erfolge. Nach 1000 Folgen der Fernsehsoap „Gute Zeichen, schlechte Zeiten“ war sie praktisch schon Vorabendfernseh-Inventar. Zuletzt war es ruhig geworden um die quirlige Blondine. Warum die Zeit jetzt reif ist für einen musikalischen Neustart, erklärt die Künstlerin im Gespräch mit Martina Schürmann.
So viel Jeanette Biedermann war lange nicht: Vor ein paar Tagen haben Sie noch bei Vox die Songs mit Michael Patrick Kelly und Milow getauscht. Gleichzeitig erlebt man Sie als bildungshungrige Rita im Rathaus-Theater. Heißt: Die Biedermann will auch in Zukunft beides sein: Sängerin und Schauspielerin.
Biedermann: Ich habe ja lange Zeit beides gleichzeitig gemacht. Bis es mir irgendwann zu viel wurde und ich mich für ein paar Jahre mit meiner Band „Ewig“ nur auf die Musik fokussiert habe. Ich wollte, dass der Name Jeanette Biedermann einfach mal für eine Weile verschwindet mit all seinen Stempeln und Gewohnheiten. Die Leuten sollten die Chance haben, meine Musik zu entdecken, ohne vorher schon ein Bild zu haben. Aber als sich unser drittes Bandmitglied vor kurzem von der Bühne verabschiedet hat, war klar: Wenn ich weiter Musik machen will, muss ich anfangen, selber Songs zu schreiben. Auf deutsch, so kann ich mich einfach ehrlicher ausdrücken. „Sing meinen Song“ hat den Prozess beschleunigt, das Album muss jetzt raus. Also habe ich zwischen den Vorstellungen im Rathaus-Theater auch noch Studio-Aufnahmen in Bochum und Neuss gemacht.
Boulevard war lange was für verdiente, aber auch in Ehren ergraute Bühnenstars. Was reizt Sie daran?
Ich bin einfach eine Rampensau, mich zieht’s auf die Bühne. Mich reizt es auch, dieses staubige Image wegzupusten. Boulevard ist ja nicht mehr das alte Tür-auf-Tür-zu-Spiel. Inzwischen ist viel passiert.
Sieht man das im Publikum?
Es kommen auch junge Leute, die noch nie so ein Theater besucht haben. Natürlich auch Hardcore-Fans, die alles von mir gesehen haben.
Sie waren über 1000 Folgen lang die Marie in „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ und danach die Hauptfigur der Telenovela „Anna und die Liebe“. Geht es Jeanette Biedermann heute ein bisschen wie der Friseuse Rita. Haben Sie manchmal das Gefühl, künstlerisch noch was aufholen zu müssen?
Diese Rita hat gar nicht so viel mit mir zu tun. Ich bin schon ziemlich weit in meiner Metamorphose, Rita steht ganz am Anfang. Aber ich habe auch jahrelang darum gekämpft, die eigenständige Künstlerin zu werden, die ich jetzt bin. Das war ein Lernprozess. Als ich damals angefangen habe, Musik zu machen, haben wir das ja alle zum ersten Mal gemacht, meine Produzenten hatten vorher noch nie eine Platte herausgebracht.
Als Sie den ersten Plattenvertrag bekommen haben, waren Sie Rita tatsächlich noch nahe und Auszubildende beim Berliner Starfriseur Udo Walz.
Das lag an meiner Mutter, die damals wollte, dass ich auch etwas Ordentliches lerne. Ich hab mir dann überlegt, was meinem Plan, Schauspielerin zu werden, nützlich sein kann. Hilfreich ist da natürlich, wenn man sich selber die Haare machen und schminken kann. Damals gab es nur einen Friseur in Berlin, wo man Make-up und Haare lernen konnte: Zu Udo Walz sind die ganzen Promi-Girls gegangen. Also habe ich mich beworben und wurde tatsächlich gleich genommen. Nach zwei Jahren bekam ich dann den Plattenvertrag und es war eh vorbei. Aber ich profitiere heute noch davon, wenn es darum geht, sich schnell zurecht zu machen.
Die Berliner Schnauze, mit der Sie diese Rita so herrlich schnoddrig spielen, mussten Sie sich also nicht antrainieren.
Die ist echt. Ich bin Urberlinerin, vierte Generation. Da musste ich nicht viel üben. Die Herausforderung war eigentlich, diesen Akzent ganz langsam aufzubrechen. Das ich nicht eben noch icke und dette, sage und im nächsten Moment Hochdeutsch spreche. Ich denke, den Leuten im Ruhrgebiet gefällt’s, auch mal einen anderen Akzent zu hören.