Altendorf. . Anlässlich seines 100-jährigen Bestehens des Stadtverbandes pflanzen die Kleingärtner 100 Laub- und Obstbäume und legen Wildblumenwiesen an.
Die Blumen tragen so wunderbar lautmalerische Namen wie Schafgarbe, Moschus-Malve oder Zahnhörnchen-Margerite, angeflogen werden sie von Schmetterlingen wie dem Hauhechelbläuling oder Taubenschwänzchen, und Schatten spenden der Zweigriffelige Weißdorn oder das Spitzahorn: Sie alle und noch viel mehr zieren demnächst den Wegesrand an der Kleingartenanlage Nöggerathstraße in Altendorf. Am Mittwoch stellte der Stadtverband der Kleingärtner gemeinsam mit dem Biologen Hubertus Ahlers von der Katernberger Bonnemann-Stiftung das Projekt vor.
Förderprogramm für die Artenvielfalt
Über den Schwund von Mücken, Bienen und Nachtfaltern sprechen Naturschützer bereits seit Jahren. Allmählich rückt der Artenschwund auch der breiteren Bevölkerung ins Bewusstsein. Viele Menschen fragen sich, wo die Singvögel und die Bienen geblieben sind. Im Jahr seines 100-jährigen Bestehens stemmt sich der Stadtverband der Kleingärtnervereine nun entschieden gegen diese Entwicklung. „Wir werden auf sämtlichen verfügbaren Flächen ein gezieltes Förderprogramm für die Artenvielfalt in der Stadt umsetzen“, kündigt Stadtverbandsvorsitzender Holger Lemke an.
Flächen gibt es genug. Die Vereinsgelände sind zusammen 310 Hektar groß, zehn Prozent davon sind sogenanntes „Begleitgrün“. Auf ihnen pflanzt der Stadtverband 100 Laub- und Obstbäume und ergänzt sie durch Wildblumenwiesen. Dazu bietet er Nistmöglichkeiten und Winterquartiere für Insekten, Vögel und Kleinsäuger.
Fachkundige Unterstützung durch Diplom-Biologen
Fachkundige Unterstützung bekommt der Stadtverband durch Hubertus Ahlers. Der 54-jährige Diplom-Biologe und Bauer hat in Katernberg gemeinsam mit der Casino Zollverein GmbH die „Bonnekamp-Stiftung für die integrative Stadt“ ins Leben gerufen. An der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen lädt er regelmäßig in seinen Lehr- und Schaugarten auf der Bonnekamphöhe ein, um über Ernährung, Nachhaltigkeit und Artenvielfalt zu informieren.
Zusammengefunden haben die Kleingärtner und der Biologe vor zwei Jahren bei der Veranstaltung „Essbares Essen“. „Dort haben wir über Ökologie, Zukunftsperspektiven und das Kleingartenwesen gesprochen. Durch Herrn Ahlers haben wir ein anderes Verständnis für die Zusammenhänge in der Natur bekommen. Es passiert ein Umdenken“, sagt Holger Lemke und nennt ein Beispiel: „Es hat eben Folgen, wenn man in funktionierende Ketten eingreift. Wenn man zum Beispiel die Apfelwickler-Raupe bekämpft, haben die Meisen weniger Nahrung und sind dann auch irgendwann weg.“ Der Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat sei in allen Kleingärten strikt verboten. „Weil es zu 100 Prozent schädlich ist für Menschen und Tiere.“
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Die Kleingärtner seien also bereit, ihren Teil zum Artenschutz beizutragen. Der Kleingartenverein Altendorf, dessen 540 Parzellen über zahlreiche Anlagen verteilt sind, stellt deshalb an der Nöggerathstraße einen 500 Meter langen Grünstreifen zur Verfügung, parallel zum Damm des Borbecker Mühlenbachs. Hier wurden nicht nur 20 Laubbäume gepflanzt, sondern Hubertus Ahlers hat hier auch die Samen von 30 Gras- und 50 Blütenpflanzen ausgestreut. Wahrscheinlich schon zum Sommerfest des Vereins am 29. Juni, aber spätestens im August, werde hier eine bunte Blumenpracht die Insekten anlocken – und die Spaziergänger erfreuen. „Um das Auge zu erfreuen habe ich auch Kornblumen, Klatschmohn und Kornrade eingesät“, verrät der Experte.
Verein ist über 19 Gruppen verteilt
Der Kleingärtnerverein Essen-Altendorf e.V. wurde 1915 gegründet, um in Selbsthilfe Kartoffeln und Gemüse anzupflanzen.
Als erste größere Anlage wurde dem Verein eine an der Hopfenstraße gelegene Weide zur Bewirtschaftung überlassen, so dass hier die heute noch bestehende Gartengruppe Hopfenstraße mit 35 Gärten und Lauben entstand.
Daraus entwickelte sich ein Großverein, bestehend aus 19 Gartengruppen mit etwa 580 Gartenparzellen und 207.500 m² Grundfläche.
Der überwiegende Anteil der Gärten liegt im Stadtteil Altendorf, eine Anlage liegt im Ortsteil Schönebeck.
Stadtverband wehrt sich gegen geplante Wohnbebauung
Auf Dauer werde sich der 500 Meter lange Grünstreifen optisch verändern, wenn die einzelnen Arten auf natürliche Weise in Konkurrenz zueinander treten. Sicher sei aber, dass er auch einen weiteren Dürresommer überstehen würde.
Die Kleingärtner selbst möchten auch eine für sie nicht ungefährliche Periode überstehen. Die Diskussion, ob ihre Anlagen in Bauland umgewandelt werden sollten, passt ihnen natürlich überhaupt nicht. „Mit den Baumspenden und den Wildblumenwiesen wollen wir uns auch gegen die geplante Wohnbebauung wehren“, spricht Holger Lemke Klartext.