Essen. Oberbürgermeister betrachtet die Zuspitzung im Stadtteil mit Sorge: „Einschüchterung und Provokation lassen wir nicht durchgehen“, sagte Kufen.

Kleiner Polizeieinsatz, großer Diskussionsbedarf: Nach der harschen Kritik von Protestlern in Steele, bei einer Flyer-Aktion gegen Rechts am Donnerstag von der Polizei angeblich drangsaliert und durch Platzverweise auf eine Stufe mit den „Steeler Jungs“ gestellt worden zu sein, hat die Behörde die Vorwürfe am Montag weit von sich gewiesen: „Sie sind vollkommen aus der Luft gegriffen“, sagte Polizeisprecher Ulrich Faßbender auf Nachfrage. Natürlich stimme es nicht, dass die Polizei politische Aufklärungsarbeit in Verruf gebracht und protestierende Bürger eingeschüchtert habe, statt sie zu schützen, wie es das Bündnis „Mut machen - Steele bleibt bunt“ am Sonntag drei Tage nach dem inkriminierten Zwischenfall formuliert hatte.

Dabei ist es für den Polizeisprecher weniger wichtig, dass die beiden involvierten Polizisten beide einen Migrationshintergrund haben, auf der Innenstadtwache arbeiten und alleine schon deshalb keine persönlichen Bekanntschaften zu Mitgliedern der selbst ernannten Bürgerwehr im Stadtteil pflegen, wie es Max Adelmann vom Bündnis „Essen stellt sich quer“ glaubt.

Viel entscheidender sei, dass die Beamten wegen eines anderen Einsatzes nach Steele gekommen und von den Aktivisten angesprochen worden seien, die sich von einem Mitglied der „Steeler Jungs“ hartnäckig verfolgt fühlten. Im Beisein der Polizisten sei es dann im Steeler Bahnhof zu fortgesetzten gegenseitigen Provokationen zwischen den vier Protestlern und ihrem „Verfolger“ gekommen. Man habe sich öffentlich beleidigt und gegenseitig „aggressiv angegangen“.

Platzverweise ausgesprochen, „um Ruhe zwischen die Fronten zu kriegen“

„Um Ruhe zwischen die Fronten zu kriegen und so weiteren Einsätzen an diesem Tag vorzubeugen“, so Faßbender, habe man schließlich gegen alle fünf Anwesenden Platzverweise für den Bahnhof ausgesprochen. Sowohl die Aktivisten als auch das Mitglied der „Steeler Jungs“ konnten danach allerdings ihrer Wege gehen. Es sei keine einzige Strafanzeige gestellt, alle Beteiligten seien gleich behandelt worden.

Nach den Klagen der Protestler über die Polizei ließ die politische Kritik aus dem linken Lager naturgemäß nicht lange auf sich warten. Ungeachtet der aktuellen Stellungnahme der Polizei blies die Linke-Ratsfraktion ins Horn der Aktivisten und des Steeler Bündnisses: Man halte es für unangemessen, so die Fraktionsvorsitzende Gabriele Giesecke, dass die Polizei Aktivisten der Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ bei der Ausübung ihres Grundrechts auf Meinungsfreiheit einen Platzverweis erteilt und ihre Personalien aufgenommen habe. Damit seien sie auf eine Stufe mit den bürgerwehrähnlichen der so genannten „Steeler Jungs“ gestellt worden, von denen sie massiv angepöbelt, verfolgt und eingeschüchtert worden seien.

Oberbürgermeister soll das Gespräch mit dem Polizeipräsidenten suchen

„Ausgerechnet einen Tag nach dem Ratsbeschluss zur Verurteilung der sogenannten ,Steeler Jungs‘ und zur Unterstützung der lokalen Initiativen leistet sich die Polizei einen derartigen Schnitzer“, klagt Giesecke. „Wir bitten Oberbürgermeister Thomas Kufen deshalb, das Gespräch mit dem Polizeipräsidenten zu suchen.“ Die Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ hatte den Oberbürgermeister bereits angeschrieben, um zu erfahren, wie die freie Meinungsäußerung gewährleistet bleiben könne, wenn das Bündnis einerseits von den Rechten bedroht werde und andererseits von der Polizei einen Platzverweis erhalte.

Gegenüber dieser Zeitung machte OB Thomas Kufen am Montag deutlich: „Der Rat der Stadt Essen hat sich in seiner letzten Sitzung klar für eine bunte und vielfältige Gesellschaft ausgesprochen und den lokalen Akteuren in Steele, die sich dafür einsetzen, den Rücken gestärkt. Wir stehen an der Seite derjenigen, die sich für ein respektvolles Zusammenleben in unserer Stadt und unseren Stadtteilen einsetzen.“ Die Zuspitzung im Stadtteil betrachte er mit Sorge, sagte Kufen. Ordnungsbehörden und Polizei stünden aber in regelmäßigem und engem Austausch. „Alle Ereignisse der letzten Tage und Wochen werden ausgewertet. Einschüchterung und Provokation lassen wir nicht durchgehen.“ Wie sie im jüngsten Fall hätten verhindert werden können, ließ aber auch der Oberbürgermeister offen.