Essen. Nach der Erleichterung über die Festnahme der geflohenen Häftlinge folgt die Aufarbeitung des Einsatzes. War es richtig, die Einsatzleitung nach Köln zu vergeben? Hat man die Bürger ausreichend gewarnt? Experten sagen: Die Polizei hätte Michalski schon in Mülheim stellen können.

Der ständige Stab des Polizeipräsidiums Köln hat von Innenminister Ingo Wolf (FDP) den Auftrag bekommen, die Fahndung nach den Ausbrechern Heckhoff und Michalski auszuwerten. Eigentlich Routine nach jedem Großeinsatz - wäre da nicht eine breite Debatte darüber, ob an jenen fünf Tagen alles richtig gelaufen ist. Fragen zur Polizeitaktik blockt die Kölner Polizei derzeit ab. Sie bewegen aber nicht nur Bürger, sondern auch Beamte. Hier einige Fragen, die auf den „Problemzetteln“ der Polizei auftauchen werden.

War die Entscheidung richtig, die Einsatzleitung nach Köln zu vergeben?

Ja, sagt der Innenminister, der das am Freitag so entschieden hat. Ja, sagen die Kölner und verweisen auf ihre Lage in der Mitte zwischen Ruhrgebiet und Aachen. Tja, sagen Essener Polizisten, beklagen lange Meldewege und verweisen darauf, dass das Essener Präsidium genau so gut aufgestellt ist für Großlagen, aber im Zweifel über die bessere Ortskenntnis verfügt. Nachdem klar wurde, dass sich das gesamte Geschehen seit Freitagnachmittag im Ruhrgebiet abgespielt hat, haben die Kritiker dieser Entscheidung die besseren Argumente für sich.

Polizei wollte keine Panik verbreiten

Wäre die Flucht durchs Ruthertal in der Nacht zum Samstag zu verhindern gewesen?

Definitiv nicht, sagen erfahrene Beamte. Als die Großfahndung anlief, war es schon dunkel. Die Polizeiführung wollte wegen der Gefährlichkeit der Ausbrecher kein Risiko eingehen. Und die Chance, nachts in einem Herbstwald die Ausbrecher zu überraschen, geht gegen Null.

Hätte die Polizei die Bürger vor der Gefahr einer Geiselnahme warnen müssen?

Das Risiko, dass Heckhoff und Michalski durch eine erneute Geiselnahme Schlaf, Geld und Mobilität verschaffen würden, hat die Polizeiführung am Freitag als hoch eingeschätzt. Denkbar wären Lautsprecherdurchsagen in Kettwig und Werden gewesen: Verrammelt Fenster und Türen, macht nicht auf, wenn’s klingelt! Die Polizeiführung entschied sich dagegen, um keine Panik zu verbreiten. Einen Tag später wog sie anders ab und warnte, als sie die Gefahr sah, die Ausreißer könnten per Bus und Bahn auf die Reise gehen.

Hätte die Polizei Michalski schon in Mülheim stellen können?

Ja, sagen Polizeiexperten. Nah genug dran war sie. Die Polizei vermutete ja, dass Heckhoff auf dem Weg in seine alte Heimat war. Die Verbindungsstraßen vom Essener Süden nach Mülheim wären nicht schwer zu überwachen gewesen. Nach der Entdeckung des Fluchtfahrzeuges wäre es zudem möglich gewesen, einen Riegel um die Innenstadt zu legen. Aber auch in diesem Fall stand offenkundig die Überlegung im Vordergrund, die Ausbrecher überraschen zu wollen, um einen unkontrollierten Schusswechsel zu verhindern.

Hätte die Polizei die Suche aufs Ruhrgebiet konzentrieren müssen?

Heute weiß man’s. Aber ohne konkrete Spur von Michalski wäre es fahrlässig gewesen, die Möglichkeit zu ignorieren, dass auch er sich in die alte Heimat Bielefeld und Herford aufmacht.