Essen. . Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen schlägt vor, den Zugang zu Kitas und Schulen nur nach Vorlage des Impfausweises zuzulassen.
In der aktuellen Debatte um eine Impfpflicht bekommt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Unterstützung von Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen.
Er halte die angestrebte Impfpflicht „für einen sinnvollen Weg, um Krankheiten – die längst ausgerottet sein könnten – wirkungsvoll zu bekämpfen“, heißt es in einem Statement, das das städtische Presseamt am Mittwochabend veröffentlicht hat. Freiwillige Lösungen seien nur dann sinnvoll, wenn sie nicht zu einer Gefahr für jene würden, die keinen Impfschutz haben oder erhalten könnten. Impfgegner aber nähmen eine Gefährdung für die Schwächsten unserer Gesellschaft in Kauf. „Ich halte es für unverantwortlich, Babys, Schwangere oder Menschen, die nicht geimpft werden können, einem vermeidbaren Risiko auszusetzen.“
„Wir lassen auch niemanden ohne Führerschein ans Steuer“
Es sei daher nur folgerichtig, den Zugang zu Kitas und Schulen erst nach Vorlage eines Impfpasses zuzulassen, erklärt der OB: „Wir lassen schließlich auch niemanden ohne Führerschein an das Steuer eines Autos.“ In den fünf privaten Kitas, die Jutta Behrwind in Essen betreibt, gibt es eine solche Impfpflicht bereits seit Februar 2019. Eine einzige Abmeldung habe es seither gegeben: Die Eltern hätten ihr freundlich erklärt, warum sie die Impfung ihres Kindes lieber noch zurückstellen würden.
Ärger hat Jutta Behrwind wegen ihrer strikten Haltung noch nicht gehabt – im Gegenteil. „Die Anmeldezahlen sind sogar noch gestiegen. Für die Eltern bedeutet die Impfpflicht Sicherheit.“ Denn sie wüssten, dass auch ganz kleine Kinder, die noch nicht alle Impfungen haben können, sich in ihren Kitas nicht anstecken würden.
„Eine Geldstrafe für Impfgegner geht über Ziel hinaus“
Das ist ein Aspekt, den auch die Sprecherin der Kinderärzte in Essen, Christiane Möhlmann, unterstreicht: „Die Kinder gehen heute immer früher in Einrichtungen, und die ganz Kleinen können noch keinen umfassenden Impfschutz haben“, erklärt die Medizinerin. „Wenn dann nicht alle anderen geimpft sind, ist das eine Katastrophe.“
Eine Impfpflicht halte sie daher für durchaus vernünftig, sagt Möhlmann. „Das Gespräch mit den Eltern haben wir Kinderärzte ja immer gesucht, aber bei manchen sind wir da einfach nicht weitergekommen.“ Die Geldstrafe, die Gesundheitsminister Spahn vorgeschlagen hat, schieße allerdings übers Ziel hinaus, findet die Ärztin. „Bei der Not, die Eltern haben, einen Kita-Platz zu finden, reicht es, wenn sie bei der Anmeldung den Impfausweis vorlegen müssen.“
Nicht nur Masern können lebensgefährlich verlaufen
Ginge es nach Christiane Möhlmann, wäre darin übrigens nicht nur die Masern-Impfung angekreuzt. Die Ärztin hält auch andere Impfungen, die die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert-Koch-Instituts empfiehlt, für dringend erforderlich. So könne eine Pneumokokken-Infektion bei kleinen Kinder tödlich verlaufen. „Eine Impfpflicht sollte daher allgemeiner geregelt werden, und sich nicht nur auf die Masern beziehen.“ Das kann Kita-Betreiberin Behrwind nur unterstreichen: „Eine Masern-Impfpflicht ist nur ein erster Schritt.“
>> OB HAT KEIN VERSTÄNDNIS FÜR IMPFGEGNER
- Bei den Einschulungsuntersuchungen für das Schuljahr 2017/18 hatten laut Impfausweisen 98 Prozent der Kinder in Essen die erste Masern-Impfung, immerhin 92 Prozent auch die zweite, die von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen wird. Essen ist damit nah am Stiko-Ziel einer 95-prozentigen Durchimpfungsquote bei Masern.
- Im Frühjahr 2017 gab es allerdings einen Masernausbruch in Essen: In kurzer Zeit steckten sich 61 Menschen an, die meisten mussten stationär behandelt werden, eine dreifache Mutter starb an der Krankheit.
- Oberbürgermeister Thomas Kufen weist außerdem auf Studien des Robert-Koch-Instituts, wonach der von Impfgegnern gern behauptete Zusammenhang zwischen Autismus, Diabetes, Multipler-Sklerose und Impfungen nicht feststellbar sei. Der Schutz der Schwächsten wiege schwerer als die Bedenken Einzelner: „Daher bin ich für eine Impfpflicht.“