Essen. . Spiel mit Waffen und Worten: Die Schauspieler Stefan Diekmann und Jan Pröhl folgen Pinters genau komponiertem, absurdem Stück „Der stumme Diener“
Es gibt keine Geschichte mit Anfang und Ende für zwei Killer, die auf ihr Opfer warten. 1959 kam „Der stumme Diener“ des britischen Dramatikers Harold Pinter heraus und „hinterließ ein zorniges Publikum. Heute hält das Publikum anderes aus“, sagt Schauspieler Jan Pröhl. Kollege Stefan Diekmann erinnert an „Die Sopranos“ oder „Pulp Fiction“. Jetzt spielen die beiden am Schauspiel Essen in Tabea Nora Schattmaiers Inszenierung ein Duo, bei dem sich Gewalt mit der Absurdität der Welt paart.
Kein „stummer Diener“ zu sehen, jener Mini-Aufzug, der Essensbestellungen ausspuckt. Stattdessen bevölkern ein Geldwechsler, Stühle und Kartons den Warteraum, wo zwei Herren in dunklen Anzügen die Zeit totschlagen. Ben zitiert für ihn unfassbare Zeitungsnachrichten. Gus läuft unruhig umher, plappert über das Geschirr, die Klospülung und stellt Fragen über Fragen. Banalitäten reihen sich aneinander. Eine erschreckende Normalität strahlen Jan Pröhl und Stefan Diekmann bei der Probe des Stücks in der Box aus.
Die erste Begegnung mit Berufskillern
Beide spielen seit Jahrzehnten unterschiedlichste Rollen in den unterschiedlichen Genres. Doch ist es ihre erste Begegnung mit Berufskillern und dem absurden Theater von Harold Pinter. „Es ist nicht wie bei Elfriede Jelinek. Mit diesem Stück kann man nicht machen, was man will“, so Stefan Diekmann. „Es ist unglaublich genau geschrieben. Den Rhythmus darf man nicht übergehen, die Regieanweisungen nicht weglassen. Dann funktionieren die Dialoge nicht“, meint Jan Pröhl, der das Werk mit einer Partitur vergleicht, in der die Töne so wichtig sind wie die Pausen.
Bei der Interpretation der Figuren gehen sie in die Tiefe. Diekmann sieht seinen nervösen, orientierungslosen Gus als einen Typen wie du und ich, der sich schnell langweilt und mit seinen Fragen zum Motor des Stücks wird. Vor allem mit „Hast du’s nicht manchmal satt?“ geht es ans Eingemachte - auch wenn er und Ben „die schlichteren Brüder“ von Becketts Wladimir und Estragon aus „Warten auf Godot“ sind.
Umgang mit Schreckschussmunition als Vorbereitung
Den dominanten Ben sieht Jan Pröhl als biederen Menschen, der die Pose wie das Handwerk des Killers beherrscht. Dennoch ist die Deformation durch den Job unübersehbar. Zur Vorbereitung auf die Charaktere diente den Schauspielern keineswegs Robert Altmanns Filmadaption „Basements“ mit John Travolta und Tom Conti. „Ich gucke mir keine anderen Schauspieler an, die das gespielt haben“, betont der 49-Jährige. Wie ein Killer tickt, hat er sich in Interviews mit Profis angelesen.
Den Umgang mit nicht schussfähigen Waffen hat ein Waffenmeister des Theaters ihnen beigebracht und sie mit Schreckschussmunition ausprobieren lassen. „Das setzt ein unheimliches Gefühl von Macht frei“, erklärt Pröhl. Und noch mehr Fragen.
Unter der Oberfläche droht etwas. „Man spürt eine Bedeutungsebene hinter dem Text. Es geht um die Frage der Schuld, die abgeblockt wird, um die Frage, wer Täter und Opfer ist, um die Frage nach dem Sinn des Lebens“, sagt der 53-Jährige. „Das alles darf man nicht spielen. Es muss unter der Oberfläche bleiben. Wenn man das beantwortet, verliert das Stück seinen Sinn.“
>>HAROLD PINTER UND DIE PREMIERE
- Harold Pinter (1930 - 2008) gehört zu den einflussreichsten britischen Dramatikern. Neben Theaterstücken („Der Hausmeister“) schrieb er Drehbücher, Hör- und Fernsehspiele, arbeitete als Regisseur und Schauspieler. 2005 erhielt Harold Pinter den Nobelpreis für Literatur.
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„Der stumme Diener“ gehört zu seinen doppelbödigen Stücken, die die Orientierungslosigkeit des Menschen in einer undurchschaubaren Realität zeigen.