Der Regisseur Christoph Roos zeigt Goethes Gelehrten als Global Player, der auch für den Irrsinn des Fortschritts steht. Am 2. März ist Premiere im Grillo-Theater

Es gibt kaum eine größere Aufgabe an deutschen Bühnen zu vergeben. „Faust I und II“, das ist Goethe XXL, ein Parforce-Ritt zwischen Himmel und Hölle, ein Bühnen-Marathon über 12100 Verse. Den ganzen Faust hat bislang nur Theaterlegende Peter Stein bei der Expo 2000 gezeigt: Er dauerte zwei Tage.

Regisseur Christoph Roos ist am Grillo-Theater derzeit noch mittendrin im Probenprozess, aber er kalkuliert am Ende mit etwa drei Stunden. Wer Roos kennt, der weiß dabei, dass da keiner mit dem postdramatischen Hämmerchen vergnügt Klassiker in Trümmer legt. Ironisierung und Dekonstruktion sind nicht seine bevorzugten Werkzeuge. Der Regisseur will aus dem Giga-Goethe einfach einen Abend machen, von dem auch der ganz normale Zuschauer etwas hat, der sich nicht mit ausgiebiger Sekundärliteratur gewappnet hat.

In Teil I fällt das mit den berühmten „Grau ist alle Theorie“ und „Bin so klug als wie zuvor“-Zitaten nicht weiter schwer. Im zweiten Teil der Tragödie sieht das schon anders aus mit seiner Uferlosigkeit,den Mythengebirgen, dem Anflug von Unspielbarkeit. Deshalb hat Roos die klassische Walpurgisnacht gestrichen wie vieles andere auch. Zu kompliziert. „Das wäre was für ein Langzeitprojekt.“ Aber während sich prominente Faust-Bezwinger wie Peter Stein oder zuletzt Nicolas Stemann ein, zwei Jahre über den Stoff beugen können, gelten am Stadttheater andere Produktionszeiten. In siebeneinhalb Wochen hat Roos das Stück mit dem Ensemble erarbeitet. „Der Schauspieler muss das ja auch denken lernen, das macht man nicht mit einer Probenszene. Da fliegen manche Dinge von vornherein raus“, erklärt der Regisseur.

Skrupel und moralische Überzeugungen werden abgelegt

Um zu des Pudels Kern vorzustoßen, braucht es für ihn deshalb keinen Auerbachs Keller und keine Hexenküche. Roos interessiert nicht der äußere Bühnenhokuspokus, sondern die innere Verwandlung eines Mannes, der mit Hilfe seines teuflischen Alters Egos Mephisto Zauberkräfte spürt, wenn er bloß seine Skrupel und moralische Überzeugungen ablegt.

Eine zuletzt zunehmend kritische Sicht auf den großen Gelehrten kommt Roos dabei entgegen. „Dieses ewige faustische Streben, das über viele Jahrzehnte ja noch sehr positiv gesehen wurde, das ist es doch, was uns in die Krise der Moderne geführt hat“, findet der 1969 in Düsseldorf geborene Theatermann, der in Essen zuletzt die „Buddenbrooks“ inszenierte. Mit dem „Global Player Faust“ könne man gut zeigen, wohin der „Irrsinn des Fortschritts den einzelnen Menschen führt. Dieses immer in die Zukunft denken, in Projekten, das finde ich sehr heutig.“ Kein „verweile doch“, sondern immer nur vorwärts in Richtung Veränderung, das hat für ihn viel mit dem Zustand der Welt zu tun.

Wie sein Weg „vom Himmel durch die Welt zur Hölle“ beim Publikum ankommt, wird er am 2. März nach der Premiere wissen.