Essen. . Die Stadt Essen will die Zahl der Plätze bei Tageseltern rasch ausbauen. Doch die klagen, die Verwaltung lege ihnen zeitgleich Steine in den Weg.

Mit großer Skepsis reagiert die Interessengemeinschaft (IG) Kindertagespflege Essen auf den Vorstoß der Stadt, die Betreuungsplätze bei Tagesmüttern und -vätern zeitnah auszubauen. Wie berichtet, sollen dafür allein in diesem Jahr 280.000 Euro für Qualifizierungsmaßnahmen bereitstellt gestellt werden. Die so ausgebildeten Tageseltern sollen bis Jahresende 320 zusätzliche Plätze für Kinder unter drei Jahren schaffen. „Wir fragen uns nur, wie das geschehen soll“, sagt IG-Sprecherin Rebecca Eggeling. Bislang nämlich erlebten angehende Tageseltern eher, „dass ihnen von der Verwaltung dicke Steine in den Weg gelegt werden“.

Das gelte besonders für jene Tageseltern, die die Kinder nicht im eigenen Zuhause betreuen wollen, sondern in einer eigens angemieteten Wohnung. „Für diese müssen sie erst einen Antrag auf eine Baunutzungsänderung stellen – und bis der bewilligt ist, kann viel Zeit vergehen“, sagt Rebecca Eggeling. So sei es schon schwierig zu erfahren, welche Kriterien der Antrag erfüllen müsse: Denn bei der Bauberatung erlebe man häufig überlastete und daher wenig hilfreiche Mitarbeiter.

Bauamt bearbeitet Anträge angeblich zu schleppend

Auch die Bearbeitung der Anträge laufe schleppend, schildert die IG-Sprecherin, die selbst als Tagesmutter arbeitet und ihren Arbeitsplatz gerade von Rüttenscheid nach Kupferdreh verlegen möchte: Am 10. Februar habe sie den Baunutzungsantrag eingereicht, am 27. Februar sei ihr der Eingang des Schreibens bestätigt worden. Trotz vieler Nachfragen wisse sie immer noch nicht, ob und wann sie mit einer Genehmigung rechnen dürfe. „So müssen wir Vermieter und Eltern hinhalten. Dabei würden wir gern so bald wie möglich starten, spätestens im August.“

Vielen Kolleginnen gehe es mit dem Bauamt ähnlich, sagt Eggeling. Schwierig sei zudem die Suche nach einer Wohnung, die den Bedingungen des Jugendamtes gerecht werde: Neben der Mindestgröße und den zwei Fluchtwegen gehe es dabei oft auch um ein Außengelände in Ruf- und Sichtweite. Theoretisch könnte das auch ein öffentlicher Spielplatz sein, doch oft reiche das dem Jugendamt nicht aus. „Gerade in dicht besiedelten Stadtteilen wie Holsterhausen weist das Amt darauf hin, dass die Spielplätze ohnehin überlaufen sind.“ Genau in diesen Vierteln sei es aber besonders schwierig, eine Wohnung mit Garten zu finden.

Eine Tagesmutter hat 70 Familien auf der Warteliste

Das enge Korsett führe dazu, dass manche potenzielle Tageseltern schon während der Wohnungssuche aufgäben. Andere zahlten Monate Miete für eine ungenutzte Wohnung, weil die Baunutzungsänderung noch nicht genehmigt sei. Dabei sei der Bedarf unstrittig: „Alle Kolleginnen haben ellenlange Wartelisten; bei einer warten allein 70 Familien auf einen Platz.“

Immerhin habe es bei der Stadt ein Umdenken gegeben: Seit Gründung der IG Kindertagespflege vor zehn Jahren sei die Wertschätzung seitens der Stadt gestiegen. „Wir werden jetzt als Experten wahrgenommen und befragt“, sagt Rebecca Eggeling. Als Lobby für die Tageseltern weist die IG aber auch darauf, dass der jüngste Vorstoß der Stadt nur bedingt hilfreich sei. Zwar sollen nun jährlich 793.000 Euro bereitgestellt werden, doch „das Geld kommt vor allem den Fachdiensten zugute“, kritisiert die IG. Also Arbeiterwohlfahrt, Diakoniewerk, CSE und Verband alleinerziehender Mütter und Väter, die die Tageseltern betreuen. Anders gesagt: Es werde zu wenig getan, um die Bedingungen für die Tageseltern zu verbessern. „Dabei weiß die Stadt, dass es bei der Kinderbetreuung brennt – und dass sie uns braucht.“

>>> TAGESELTERN WIEDER STÄRKER GEFRAGT

  • Derzeit betreuen in Essen rund 780 Tagespflegepersonen gut 2800 Kinder. 450 der Tageseltern sind in der Interessengemeinschaft Kindertagespflege vertreten.
  • Im vergangenen Jahr lag der Anteil dieser Betreuungsform bei den Kindern unter drei Jahren in Essen bei 37 Prozent. Dabei hatte der Stadtrat im Jahr 2011 beschlossen, den Anteil der Tageseltern auf 25 Prozent zu drücken. Die IG hatte den Beschluss stets bekämpft und erklärt, dass Kleinkinder bei einer Tagesmutter besser aufgehoben seien als in der Kita. Angesichts von aktuell fast 3000 fehlenden Kita-Plätzen in Essen hat die Stadt ihr 25%-Ziel freilich aufgegeben und setzt nun verstärkt auf die Tageseltern.