Essen. NRW-Innenminister Herbert Reul besucht Biker-Tag am Baldeneysee. Dekra, DRK, Polizei und Verkehrswacht informieren über Sicherheitsthemen.
Sonne, Wind und strahlend blauer Himmel – bei bestem Wetter sind rund 200 Motorradfahrer aus Essen und Umgebung am Sonntagvormittag am Südufer des Baldeneysees in die neue Saison gestartet. Von der Zweisitzer-Honda „Goldwing“ über Chrom blitzende BMWs oder Yamaha- und Honda-Modelle bis hin zur legendären Harley Davidson waren am beliebten Biker-Treff am „Haus Scheppen“ viele Maschinen mit Kultstatus vertreten.
Abenteuerlust, Fahrfreude und Leidenschaft für Technik sind das, was ihre Besitzer so fasziniert. „Motorradfahren ist wie schnelles Wandern!“, sagt Ludger Schulze-Oechterding. Er gehört zu den „Holy Riders“, einem Club gläubiger Motorradfahrer. „Wir orientieren uns an der Bibel“. Am Baldeneysee hatten die zwölf Mitglieder aus dem „Chapter Ruhrpott“ einen Info-Stand und verteilten Biker-Bibeln. Seit seinem 18. Geburtstag fährt der 57-Jährige Zweirad, davon 30 Jahre auf der Harley. Sein „Bock“ habe ihm einen großen Raum Natur und Straße eröffnet. Beim Fahren gehe er aber nicht an Grenzen, die andere bewusst suchen.
Innenminister Herbert Reul kam zum Saisonauftakt
Für Toleranz und Rücksicht im Straßenverkehr warb Innenminister Herbert Reul, der zum Saisonauftakt aus Düsseldorf gekommen war. „Alle sollten aufeinander achten und für den anderen mitdenken. Motorradfahrer haben keine Knautschzonen, keine Airbags und keine Gurte“, so Reul in einer kurzen Ansprache. Der Essener Polizeipräsident Frank Richter, früher selbst Kradfahrer, warnte: „Die Physik ist nicht auszuhebeln. Fahren Sie bitte immer vorsichtig!“
Kurvenreiche Strecken im Essener Süden, Velbert und Ennepetal machen die Region zu einem Eldorado für Zweiradfahrer. Doch vielerorts ist das Pflaster gefährlich, hinter mancher Kehre lauert der Tod. In Nordrhein-Westfalen sind 2018 insgesamt 74 Menschen bei Motorradunfällen gestorben, zehn weniger als noch 2017. Aber 1458 Biker wurden 2018 schwer verletzt, die meisten von März bis Oktober. In diesen Monaten geschehen laut Statistik über 90 Prozent der tödlichen Unfälle.
Autofahrer rechnen nicht mit Zweirädern
„In Essen und Mülheim gab es zum Glück keinen Motorrad-Toten im vergangenen Jahr“, sagt Polizei-Pressesprecherin Annika Koenig. Doch 304 Personen wurden 2018 laut Statistik bei Verkehrsunfällen mit motorisierten Zweirädern verletzt. Zu den Ursachen erklärt Jörg Zganiatz von der Dekra Essen: „Gerade am Saisonbeginn rechnen viele Autofahrer nicht mit Zweirädern.“ Man müsse sich erst wieder aufeinander einstellen. Das Vorfahrtnehmen beim Abbiegen zähle zu den häufigsten Kollisionsgründen zwischen Pkws und Motorrädern, während Überholen und zu hohe Geschwindigkeit bei Bikern die meisten Unfälle mit sich bringen.
Eine stark zerbeulte Honda am Stand verdeutlichte die Folgen solcher Zusammenstöße. „Der Fahrer dieser Maschine wurde schwer verletzt“, so der Unfall-Analytiker. Er ruft zur Rücksicht und defensivem Verhalten auf. Schützen sollen zudem neon-gelbe Sicherheitswesten. Über die Leder-Kombi gezogen, machen sie Biker schon von weitem gut sichtbar.
Kontrolle der Sehfähigkeit beim Gratis-Test
Nicht nur wahrgenommen zu werden, auch das eigene Sehvermögen ist ein Sicherheitsaspekt. Die Landesverkehrswacht Düsseldorf bot den ganzen Tag am Info-Mobil unter anderem einen Gratis-Sehtest. Schärfe, Farberkennung und Reaktionszeit der Augen nahm Horst Bartsch unter die Lupe. „Nur wer alles im Blick hat, kann richtig und rechtzeitig reagieren!“
Vier so genannte Rauschbrillen führte Polizeihauptkommissar Karsten Ingenhoven von der Kreispolizeibehörde Mettmann vor. Sie simulieren die Sicht unter Alkoholeinfluss. Nicht erlaubt auf dem Motorrad seien modische Cruiser-Helme. Helm-Kauf sollte Kopfsache bleiben, rät der Experte. Bei der Auswahl sollte man auf größtmöglichen Schutz achten.
Halswirbelsäule des Unfallopfers muss gerade bleiben
Ein schwieriges Thema im Notfall: Wie nimmt man einem schwer verletzten Motorradfahrer den Helm ab? Der DRK-Kreisverband Essen zeigte, was man tun kann. „Nach dem Ansprechen des Verletzten, ziehen am besten zwei Helfer den Helm vorsichtig ab“, so Jan Heiser. Man klappt zunächst das Visier nach oben. Sollte das Unfallopfer eine Brille tragen, muss man sie absetzen. Während eine Person am Kopfende des Verletzten hockt und seinen Kopf im Nacken hält, greift die andere von vorn mit den Händen unter den Helm und schiebt ihn nach oben. Ganz wichtig: Die Halswirbelsäule des Unfallopfers muss gerade bleiben!
Mit einem Gottesdienst endete der offizielle Teil des Biker-Tages. „Der Tank unserer Seele muss gefüllt werden, damit wir auf der Straße unseres Lebens nicht liegen bleiben“, eröffnete Polizeiseelsorger Marcus Freitag (52) die religiöse Feier am Seeufer. Seit kurzem sitzt auch er in der Freizeit auf dem Bock und genießt Abenteuer und Freiheit. „Mit knallgelben Integralhelm!“ Der Pastoral-Referent hat sich einen 30 Jahre gehegten Wunsch erfüllt und startet in die erste Saison.
>>>FAHRER KOMMEN AUS DER GANZEN REGION
- Der Biker-Treff „Haus Scheppen“ am Hardenbergufer in Fischlaken liegt am Baldeneysee zwischen Essen-Werden und Essen-Kupferdreh und lockt Fahrer aus der ganzen Region nach Essen. An dem Restaurant wird seit vielen Jahren die Zweirad-Saison eröffnet. Immer dabei sind Polizei und Träger der Verkehrssicherheit.
- Das Restaurant ist Teil von Haus Scheppen, einem ehemaligen adeligen Lehnshof, der sich heute im Besitz der Stadt Essen befindet. Im Februar 1985 wurde das Gebäude in die Essener Liste der Baudenkmäler, 1994 auch in die Liste der Bodendenkmäler aufgenommen.