Essen. . Koreanische „Shinchonji“-Bewegung hat in Essen fast 100 Aktive, wirbt massiv Studenten an und bedroht Aussteiger. Sie beruft sich auf die Bibel.

Der Verein Sekten-Info NRW warnt erneut vor der koreanischen „Shinchonji“-Bibel-Bewegung, deren Mitglieder vor allem in der Nähe der Essener Uni auf Mitglieder-Fang gehen. „Es gab bereits 13 Fälle in diesem Jahr, die Gruppe ist seit Jahren in Essen aktiv und hat hier etwa 80 bis 90 aktive Mitglieder“, sagt Christoph Grotepass, Referent beim Sekten-Info. „Sie haben hohen Missionierungs-Druck.“

„Hast Du Lust, an einer Umfrage teilzunehmen“?

Sie stehen in der Nähe der Marktkirche oder auf der Limbecker Straße, vor der Rathaus Galerie oder an der Uni: „Gezielt werden junge Bürger angesprochen, die alleine unterwegs sind“, sagt Grotepass. „Die Gruppe hat es vor allem auf Studenten abgesehen, die neu in der Stadt sind und Anschluss suchen.“ Gefragt wird, ob man Lust hätte, an einer Umfrage teilzunehmen. „Da geht es erst mal um philosophische Themen wie Glück und das Leben selbst“, berichtet Grotepass. „Dann bieten die Sekten-Mitglieder an, ob man nicht mal zusammen kochen wolle, und schnell geht es um die Bibel.“

Mitglieder bauen erst Freundschaften auf

So arbeite die Gruppe, die in den vergangenen Jahren auch unter anderen Namen auftrat, gezielt damit, Freundschaften anzubieten und Sympathie – bis schließlich erst nach mehreren Treffen die Katze aus dem Sack gelassen wird: „Da geht es um Bibel-Seminare und erst später wird Man-Hee Lee angesprochen, der „Geist der Wahrheit“ der Sekte. Nur seine Auslegung der Bibel habe Gültigkeit; vermittelt werde eine klassische Endzeit-Vision. Heißt: Das Christentum stehe kurz vor dem Ende. Allein Mitglieder der Shinchonji-Gemeinschaft würden in den Genuss des ewigen Lebens kommen.

Sabine Riede, Leiterin der Sekten-Info, Bianca Liebrand, Psychologin, Anja Gollan, Juristin und Theologe Christoph Grotepass, von links, vom Sekten-Info NRW.
Sabine Riede, Leiterin der Sekten-Info, Bianca Liebrand, Psychologin, Anja Gollan, Juristin und Theologe Christoph Grotepass, von links, vom Sekten-Info NRW. © Kerstin Kokoska

„Wer aussteigt, wird massiv unter Druck gesetzt“, sagt Grotepass. Ganz zu schweigen von den Schuld- und Schamgefühlen jener, die erkennen, dass sie in die Fänge einer Sekte geraten sind: „Die Mitglieder bauen die Kontakte auf Freundschaft und Sympathie auf, das macht es Aussteigewilligen besonders schwer.“

Sekten-Info NRW wird 35 Jahre

Der Verein Sekten-Info, der in diesem Jahr seinen 35. Geburtstag feiert und von Essen aus landesweit Ansprechpartner ist für Betroffene oder Angehörige von Betroffenen, warnt außerdem vor unseriösen Coaching-Angeboten für Berufstätige. Vor allem im Internet würden Menschen, die sich beruflich weiterentwickeln oder neu orientieren wollten, auf selbst ernannte Berater hereinfallen, die für viel Geld großen Schaden anrichteten.

So ist im Jahresbericht 2018 des Sekten-Info ein Fall beschrieben, in der eine Frau für mehrere tausend Euro ein Wochenend-Seminar buchte, in dem es darum ging, die eigenen Grenzen neu auszuloten. Die Folge: Unter massiven Druck, Isolation und Schlafentzug gesetzt, brachte der „Coach“ die Teilnehmer dazu, nachts auf einer Bühne in Erotikunterwäsche zu tanzen. „Das Irre war, dass manche Teilnehmer am nächsten Tag noch derart manipuliert waren, dass sie ihre Familie verlassen oder sofort den Job wechseln wollten“, heißt es sinngemäß im Report.

Zahl der Beratungsfälle gestiegen

Insgesamt zählte das Sekten-Info im Jahr 2018 575 Beratungsfälle und 355 Anfragen. Im Vorjahr lag die Zahl der Beratungen bei 480, sie ist also gestiegen. „Im Zeitalter des Internets informieren sich die Bürger mittlerweile großteils selbst, doch die persönliche Beratung bleibt der entscheidende Bestandteil unserer Arbeit“, sagt Sabine Riede, die Leiterin der Einrichtung, deren Finanzierung großteils vom Land NRW und der Stadt Essen übernommen wird.