Es gibt Gebäude oder Einrichtungen, die nach ihrem Abriss niemand vermisst. Aber es gibt auch Gebäude, die vielen wohl ewig in – positiver - Erinnerung bleiben. Sicherlich zählt die ehemalige Tanzschule Thielemann zu Letzteren. Vor wenigen Monaten wurde das Haus an der Goethestraße dem Erdboden gleichgemacht.
34 Jahre lang gaben Kurt und Christa Thielemann hier den Takt an, lehrten Walzer, Disco-Fox, Cha-Cha-Cha und vieles mehr. Dabei unterhielt das Ehepaar aber nicht einfach nur eine Tanzschule, sondern bot auch den Raum, wo so manch’ einer seinen Lebenspartner fand oder auch Liebeskummertränen weinte. Das alles gehört der Geschichte an, doch wird diese nun in einer Stunde und vier Minuten wieder lebendig. Die Künstlerin Sabine Bürger hat die letzten Stunden des Gebäudes mit der Kamera festgehalten und aus dem Drehmaterial einen Dokumentarfilm der besonderen Art geschaffen. Und das, obwohl sie noch nicht einmal wusste, was genau sich im Inneren des Hauses an der Goethestraße 89 über 30 Jahre lang abspielte.
„Der Name war mir kein Begriff“, gesteht sie. Verübeln kann man es der Künstlerin aber nicht; kommt sie doch nicht aus Essen. Und auch mit Tanzen hat sie nichts zu tun. „Mich hat das Haus, oder vielmehr die Architektur, beeindruckt“, begründet sie ihren - wie sie ihn selbst nennt - „Außenseiterblick“.
„Ich wurde neugierig und wollte da einfach mit der Kamera rein“, so Bürger. Die Idee trug sie schon seit zwei Jahren in sich; als Bürger dann in dieser Zeitung las, dass das Haus dem Bagger zum Opfer fallen soll, handelte sie schnell - drei Wochen Zeit blieben ihr noch. Und erst während der Dreharbeiten wurde ihr dann überhaupt bewusst, was sie da eigentlich filmte. „Spannend, welche Geschichten sich da auftaten“, erzählt sie.
In den letzten drei Wochen der Tanzschule begleitete Bürger eine Formationsgruppe bei ihren Proben, führte Interviews mit Kurt und Christa Thielemann und stand auch in den letzten Minuten des Hauses mit der Kamera davor. Herausgekommen sind detailverliebte Szenen auf dem altehrwürdigem Parkett, Kameraschwenks auf Garderobenhaken, die Kugellampen im 70er-Jahre-Stil sowie Szenen von Schutt und den zusammengefallenen Backsteinen - das trostlose Ende der traditionsreichen Einrichtung, die einem Bürogebäude weichen musste.
Offensichtlich gerührt, ein wenig stolz und auf jeden Fall positiv überrascht zeigt sich Kurt Thielemann über den Film: „Ich hätte niemals gedacht, dass einer Tanzschule eine derart große Bedeutung und Nachhaltigkeit zugesprochen wird. Das ist schön; der Kult lebt damit weiter“, sagt Thielemann, der die Tanzschule damals von seinem Onkel übernahm.