Essen. . Romeo und Julia sind neuerdings hochbetagt: Bewohner der Contilia-Seniorenstifte drehen einen Film. Sie reisen dafür sogar nach Verona.

Er ist 86 Jahre alt und hat bislang keinerlei Schauspielerfahrung – und doch hat Rudolf Büchsenschütz nun die Rolle des Romeos ergattert. Die Besetzung ist vielleicht etwas unkonventionell, aber das gilt ja für das ganze Projekt: Die Contilia dreht mit den Bewohnern ihrer Seniorenstifte und mit Tagespflegegästen den Film „Das ist doch kein Leben in Mantua“, eine moderne Fassung von „Romeo und Julia“.

Büchsenschütz ist in die Rolle ein wenig hineingestolpert: Er lebt im Seniorenzentrum St. Josef in Kupferdreh, wo ihn die Mitarbeiter im vergangenen Sommer fragten, ob er Lust habe, an dem Film mitzuwirken. „Warum nicht?“, antwortete Büchsenschütz, der sein Berufsleben als Projektleiter im Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich und in Forschungszentren verbracht hat.

Er bekam ein Textbuch, wurde zum Casting eingeladen und bekam unversehens die Hauptrolle. „Das war schon eine Überraschung.“ Als gewöhnungsbedürftig erlebte er den zum Teil altertümlichen Text und das überbetonte Sprechen. Doch nun sitzt er in buntem Hemd und Lederjacke im Katakombentheater, wo an diesem Mittwoch die Dreharbeiten starteten und wirkt ziemlich entspannt.

Filmszenen für einen Kalender, Tanzwettbewerb im GOP Variété

© Klaus Micke

Neben ihm sitzt Hannelore Krusenbaum, sie hat 54 Jahre lang in Frillendorf gewohnt, lebt nun in St. Andreas in Rüttenscheid und hat schon mal geschauspielert: „Damals in der Pfarrjugend.“ In die erste Leseprobe sei sie unbefangen gegangen, habe dann gemerkt, wie viel es zu beachten gebe: „Hier muss du lauter reden, dort frecher, dich da zurücknehmen und dort eine Pause machen. Das ging mir noch durch den Kopf, als ich abends im Bett lag.“ Aber ihr Urenkel habe in der Kita bereits erzählt: „Meine Omi ist beim Film.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die Contilia den Bewohner ihrer Seniorenstifte so Unvermutetes wie Anspruchsvolles abverlangt: Im Jahr 2014 stellten sie zunächst berühmte Filmszenen für einen Kalender nach, der über soziale Netzwerke weltweit Furore machte. Später gab es einen Tanzwettbewerb vor großem Publikum im GOP Variété. Und immer schwärmten die Teilnehmer später von dieser Abwechslung, von der schönen Erfahrung, dass man mit 80, 90 Jahren noch etwas Neues lernen, ein Abenteuer bestehen kann. Ein solches Abenteuer wird für Rudolf Büchsenschütz die Flugreise zum Dreh im italienischen Verona sein: „Ich bin seit 1977 nicht geflogen.“

Dreharbeiten dauern bis August, Premiere ist 2020

Eine Herausforderung ist der Film übrigens auch für die Mitarbeiter der Contilia: „Es sind 15 Darsteller und zahllose Statisten aus zwölf Seniorenstiften dabei, das ist logistisch ziemlich aufwendig“, sagt Katja Grün, die die Öffentlichkeitsarbeit für die Contilia Pflege und Betreuung GmbH macht. Die Dreharbeiten sollen bis August dauern, Premiere wird im Februar 2020 sein.

Auf die Leinwand kommt dann die Geschichte einer Theater-AG im Seniorenheim, die „Romeo und Julia“ aufführen will. Bei den Proben verliebt sich der Darsteller des Romeos in die Julia. Den Kindern der beiden hochbetagten Schauspieler missfällt diese späte Liebe, zumal „Romeo“ im wahren Leben eine Ehefrau hat, die jedoch schwer dement ist. Damit bewege man sich nah an den Lebenswelten der Bewohner, sagt Katja Grün. So habe Rudolf Büchsenschütz lange Zeit seine demente Frau gepflegt.

Mit dem Seniorenstift nach Mallorca gereist

Und Ernest Petru Mosberger ist zwar erst 70 Jahre alt, aber ins Seniorenstift Haus Berge gezogen, weil dort seine Lebensgefährtin wohnt. „Sie ist so dement, dass sie ihre Kinder nicht mehr erkennt. Das hat mich so mitgenommen, dass ich abends im Bett geweint habe.“ Doch nach fast 30 gemeinsamen Jahren sei die Vertrautheit zwischen ihnen immer noch da, dass er ihr auch räumlich nah bleiben wollte.

Weil ihm das Gespräch fehle, spiele er viel im Internet – und nehme jedes besondere Angebot der Contilia wahr. Bei einer Mallorca-Reise habe er übrigens eine nette Dame aus der Tagespflege kennengelernt, mit ihr auch mal Händchen gehalten. Doch da enden die Parallelen zu dem Film, in dem er den Mercutio spielt. „Sie ist eine gute Bekannte, und sie weiß, dass ich eine Frau habe.“

>> DIE CONTILIA UND IHR SENIOREN-SERVICE

Die Contilia GmbH mit Sitz in Essen wurde 2006 von der St. Elisabeth-Stiftung Essen, der Stiftung St. Marien-Hospital Mülheim und dem Caritas-Trägerwerk im Bistum Essen e.V. gegründet. Sie ist u.a. Trägerin von Kliniken und Pflegediensten.

Der Senioren-Service der Contilia betreibt Seniorenstifte in Essen, Mülheim, Schwelm, Gevelsberg. Mit den Bewohnern wurde schon ein Kalender mit nachgestellten Filmszenen gemacht, ein Film und ein Tanzwettbewerb...