Ruhrgebiet. . Waldbaden liegt im Trend. In der Natur soll Energie getankt werden. Experten wie Angela Leser zeigen gestressten Menschen den perfekten Baum.
Früher hat Angela Leser die Nähe zu den Bäumen unbewusst gesucht. Als sie damals in der Sparkasse gearbeitet hat, konnten die Kollegen noch so nett sein: Wenn die anderen sich zum Pausenbrot im Hinterzimmer trafen, ist sie lieber nach draußen gegangen. Einmal in die Natur und zurück. „Abschalten und die Energiespeicher aufladen“, sagt sie. Heute macht sie das ganze professionell, aber ohne deshalb abgeklärt oder emotionslos geworden zu sein.
Im Gegenteil. Ist sie am Baum, geht ihr das Herz auf. Den Schreibtischjob hat sie längst aufgegeben, um sich ihrer Leidenschaft zu widmen: Gestressten Menschen vorzuführen, wie sie an Stamm und Rinde Entspannung und Erholung finden.
Es geht auch um die Düfte des Waldes
Es sind Techniken, die Leser zunächst für sich selbst entdeckt hat und die sie nun anderen nahebringt. Großstädtern oder Büroleuten, die irgendwo auf dem Weg vom Schreibtisch zum nächsten Termin den Kontakt zu der Natur verloren haben. Waldbaden heißt diese Beschäftigung, die hierzulande mehr und mehr populär wird und in Japan längst fester Teil der Gesundheitsversorgung ist.
Dahinter verbirgt sich die Idee, zwischen Wurzel und Krone die Heilkräfte der Natur zu nutzen. Es geht um die Düfte des Waldes, um ätherische Öle – die sogenannten Terpene, die Körper und Seele gut tun sollen. Aber auch um die frische Luft und um die Ruhe. Wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, vergleicht die Waldluft mit einem Heiltrunk zum Einatmen.
In der Reha die Faszination von Natur und Bäumen entdeckt
Die Mülheimerin Angela Leser könnte man auch als Waldbademeisterin bezeichnen. Als sie selbst wegen gesundheitlicher Probleme in der Reha war, entdeckte sie ihre Zuneigung zur Natur. Sie landete bei der Geomantie, der Lehre von der Wahrnehmung der Erde, und ließ sich von Architekt und Autor Guntram Stoehr („Vom Wesen der Bäume“) in Süddeutschland zur Geomantin ausbilden. Augenzwinkernd könnte man fast sagen: Angela Leser hat einen Abschluss bei der Baumschule nachgeholt.
„Ich will den Menschen besondere Orte zeigen und erreichen, dass wir achtsamer mit der Natur umgehen“, sagt die 57-Jährige. Sie geht davon aus, dass es für die meisten Gemütslagen passende Bäume gibt. „Jeder Baum hat ein Energiefeld. Die Platane steht für Neubeginn und Fokussierung, die Birke für Leichtigkeit, die Tanne wirkt beruhigend.“
Schon eine kleine Dosis Natur soll den Stress senken
Je näher man dem Stamm kommt, umso mehr Botenstoffe nehme man auf, sagt sie. Den Baum zu berühren, sei gut, ihn zu umarmen, das Beste. Ist es also mehr als eine Marotte von Ökofreaks? „Beim Umarmen werden Kuschelhormone ausgeschüttet. Die machen glücklich“, sagt Leser.
Mit den Kräften der Natur beschäftigt sich auch die Wissenschaft. Studien zufolge kann bereits durch eine kleine Dosis das Level des Stresshormons Cortisol gesenkt werden, sagt die Freiburger Psychologieprofessorin Anja Göritz. Ärzte wie der Naturheilkundler Andreas Michalsen empfehlen, kleine Frischluftkuren in den Alltag zu integrieren – lieber zehn Minuten jeden Tag in die Natur zu gehen, als alle drei Monate einen Berg zu erklimmen.
Waldbesitzer lassen ihren Wald als „Erholungswald“ zertifizieren
Waldbesitzer erkennen den Trend und lassen sich als „Erholungswald“ zertifizieren. In Nordrhein-Westfalen gibt es solche Erholungswälder bislang in Paderborn. Doch meistens muss man gar nicht weit weg, um einen Wohlfühlort zu finden. Es muss auch nicht immer ein ganzer Wald sein. Angela Leser ist kürzlich in eine dicht besiedelte Gegend nahe der Autobahn 40 gezogen. Dort geht sie zwei Mal um die Ecke und steht vor einem Lieblingsbaum: „Wenn mein Energiespeicher leer wird, tanke ich da auf.“
>>GUT GEGEN STRESS UND FÜR DIE STIMMUNG
- Experten sagen, dass die regelmäßige Frischluftkur in der Natur Körper und Geist gut tue. Das Immunsystem werde gestärkt, die Düfte des Waldes wirkten stimmungsaufhellend, der Stresspegel sinke und auch der Blutdruck. Der Körper entspanne. Scheint die Sonne, werde die Vitamin-D-Produktion angeregt.