Essen. . Alte Heizungen, fehlende Sanitäranlagen, undichte Fenster: Essens Stadtteilbibliotheken sind in die Jahre gekommen und selten barrierefrei.
Bei der „Nacht der Bibliotheken“ ist in diesem Jahr Initiative gefragt. „Mach es“ heißt das Motto der landesweiten Veranstaltung. Und auch in der Essener Zentralbibliothek an der Hollestraße wird heute von 16.45 bis 23 Uhr in die Hände gespuckt: „Staunen! Ausprobieren. Selbermachen“ steht auf dem Plan – im Angebot sind Mediensprechstunde und Tango Argentino, Beatboxen und Kalenderblatt-Upcycling. Die Besucher, so heißt es, sollen die Möglichkeit haben, in ihrer Bibliothek Neues zu entdecken.
Doch weil das städtische Versorgungsnetz mit Literatur und allem, was Bibliotheken inzwischen an Zeitschriften, CDs, DVDs, Brett-, PC- und Konsolenspiele zu bieten haben, in den Stadtteilen alles andere als neu und modern ist, hat die „Mach es“-Aufforderung auch die Politik erreicht. Eine bei der Verwaltung bereits vor Monaten in Auftrag gegebene und nun erstmals diskutierte Auflistung über den großen Sanierungs- und Renovierungsbedarf skizziert dabei nur ansatzweise, was an den 17 Standorten zwischen Katernberg und Kettwig zu tun wäre, um die nur in Ausnahmefällen barrierefreien Orte der Bildung und Begegnung zukunftsfit zu machen.
Defekte Fußleisten, bröckelnde Mosaikfliesen und jahrzehntealte Bodenbeläge sind dabei nur die oberflächlichen Schönheitsfehler einer Lese-Landschaft, deren Sanierungsstau inzwischen beträchtlich ist. Fast jede Stadtteilbibliothek zwischen Altenessen und Werden ist zudem in einem Gebäude untergebracht, „das für diese Zwecke ja nie gebaut wurde“, erklärt Klaus-Peter Böttger, Direktor der Stadtbibliothek. Die meisten Zweigstellen residieren in Schulen, ehemaligen Rathäusern oder Bürgerzentren. In Katernberg ist die Stadtteilbibliothek Untermieter im Gebäude der Polizei direkt am Katernberger Markt. In diesem Jahr feiert man dort das 60-jährige Bestehen. Sollte ein Gönner zum Geburtstag Geschenke mitbringen wollen – die Wunschliste wäre lang. Eine veraltete Heizungsanlage, teilweise undichte Fenster und 50 Jahre alte Sanitäranlagen listet die Ausschussvorlage auf. Eine Rampe soll demnächst für einen behindertengerechten Zugang sorgen.
Das Geschirr muss in der Toilette gespült werden
Dass man sein Geschirr in Kettwig und Stadtwald in der einzigen, von Personal und Kunden benutzten Toilette spülen muss, und in Frohnhausen die Sanitäranlagen nicht behindertengerecht sind, gibt da noch mehr zu denken. Doch Böttger sieht auch Fortschritte. So wird die Stadtteilbibliothek Schonnebeck im Neubau der Gustav-Heinemann-Gesamtschule unterkommen. In Freisenbruch wird mit der anstehenden Sanierung des Bürgerhaus Oststadt Besserung einziehen. An anderen Standorten wird derzeit noch diskutiert, ob man Räume möglicherweise verlagern oder auf andere Weise optimieren kann.
Wie lange diese Politik der kleinen Schritte noch trägt und wann womöglich das große strategische Konzept zur Ausrichtung der Bibliothekslandschaft vonnöten ist, das wird sich in den kommenden Jahren zeigen. „Fördern, wo es schwer ist oder wo man Kundschaft hat. Zwischen diesen beiden Polen wird man sich bewegen müssen“, skizziert Klaus-Peter Böttger die große Fragestellung der Zukunft.
Noch gibt es keine Kostenschätzungen
Noch allerdings sei das Netz der Leseversorgung in Essen erfreulich dicht, betont Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain. Die geplante Schließung der drei Stadtteilbibliotheken in Holsterhausen, Kray und Stoppenberg hatte 2012 für erhebliche Proteste gesorgt, nach einem bereits angelaufenen Bürgerbegehren nahm die Politik die Schließungspläne zurück. Seither haben Kürzungen in Personalausstattung, Öffnungszeiten und Budget zwar Einschnitte gebracht, doch noch funktioniert die wohnortnahe Versorgung mit frischer Leseware. Nicht zuletzt dank ehrenamtlichen Engagements. „Ohne den Förderkreis wäre es schwierig“, weiß auch Alexandra Friedlein, Leitern der Stadtteilbibliothek Katernberg.
Die jetzt vorgelegte Sanierungsliste will man seitens der Politik noch nicht als Strategiepapier verstehen. Kostenschätzungen fehlen darin ebenso wie detaillierte Konzepte. Hinzu kommt der Auftrags-Stau der ohnehin überlasteten Immobilienwirtschaft. Das „Mach es“-Motto dürfte damit vorerst ein frommer Wunsch bleiben. In der Zentralbibliothek basteln sie heute vorsorglich schon mal Zauberhüte.
Bibliotheken mit geänderten Öffnungszeiten
- Von den 17 Stadtteilbibliotheken befinden sich sechs in angemieteten Gebäuden, der Rest sind stadteigene Objekte.
- Um dem veränderten Nutzenverhalten entgegen zu kommen, hat der Rat der Stadt im Dezember vergangenen Jahres geänderte Öffnungszeiten beschlossen. Mehr Angebot am Nachmittag soll beispielsweise den längeren Schulzeiten für Kinder entgegen kommen.