Essen-Freisenbruch. . Bücher, Sprachförderung, Kontakt zu Familien vieler Nationalitäten: Maryam Alizadeh leitet seit zehn Jahren die Stadtteilbibliothek Freisenbruch.

Ihr Arbeitsplatz ist die städtische Bücherei in Freisenbruch, die für viele im Stadtteil längst mehr als eine Anlaufstelle für die Ausleihe geworden ist: Vor zehn Jahren hat Maryam Alizadeh (56) in der Bibliothek im Bürgerhaus Oststadt beruflich Fuß gefasst. Seitdem hat sie Projekte wie die Lesepaten ins Leben gerufen, hat Kontakt zu Schulen und Kitas sowie zu Familien und Bewohnern in Asylheimen gesucht und Vertrauen aufgebaut in einem Umfeld, dem sie Hilfe und ein offenes Ohr anbietet.

Eingebettet in eine Nachbarschaft, in der Bücher nicht in jedem Kinderzimmer zu finden seien und das Smartphone mitunter das einzige Fenster zur Außenwelt darstelle, gehe sie auf die Menschen zu: „Wir rücken das Buch in den Fokus, müssen die Leser dafür abholen und die Hemmschwelle ganz gering halten“, sagt die Bibliothekarin über die Aufgaben, die sie sich mit ihren Mitarbeiterinnen teilt. Lesungen, Bilderbuchkino und Führungen gehören ebenso zu ihrem Alltag wie die Probleme, mit denen die Besucher kommen. „Wir haben ein Netzwerk aufgebaut, um Ansprechpartner bei Sorgen und Nöten zu finden“, erklärt sie und ist dankbar für die Zusammenarbeit mit den Zuständigen vom Bürgerhaus.

Zuletzt kamen Hunderte Familien auf einmal

Die Stadtteilbibliothek Freisenbruch befindet sich am Schultenweg unter dem Dach des Bürgerhauses Oststadt.
Die Stadtteilbibliothek Freisenbruch befindet sich am Schultenweg unter dem Dach des Bürgerhauses Oststadt. © Christof Köpsel

Die Arbeit mit Menschen aus verschiedenen Ländern gehört seit jeher zu den Aufgaben der Bibliothekarin, liegt doch die Bücherei am Bergmannsfeld unweit des Hörsterfeldes, wo Familien vieler unterschiedlicher Nationalitäten leben. „Zuletzt kamen Hunderte neue Familien hinzu“, blickt Maryam Alizadeh zurück auf die Zeit ab Mitte 2014 bis etwa 2015, als sie auch Flüchtlingsunterkünfte ansteuerte und diese mit Regalen und Büchern ausstattete – ihr Beitrag zur Sprachförderung.

Wie es ist, wenn man eine Sprache nicht versteht, weiß sie nur zu gut: Mit 23 Jahren kam Maryam Alizadeh aus dem Iran nach Deutschland. Ihrer Flucht aus Teheran nach Essen sei eine lange politische Geschichte vorausgegangen, erzählt die 56-Jährige. Sie habe sich wie auch drei ihrer insgesamt sieben Geschwister stark gegen den Krieg und die undemokratischen Verhältnisse in ihrer Heimat gemacht. Ein neues Zuhause und Sicherheit fand sie dann zunächst nahe des Wasserturms an der Steeler Straße, heute lebt sie in Haarzopf.

Ausbildung bei der Stadt und Studium in Köln

„Damals habe ich zunächst sechs Jahre auf mein Asylverfahren warten müssen“, erinnert sie sich und rät heute manchem in gleicher Situation zu Geduld. Ihre hat sich gelohnt: Nach der Anerkennung ihres Abiturs, folgte die Ausbildung bei der Stadt zur Bibliotheksassistentin und schließlich das Studium in Köln. Blickt sie auf ihre Biografie und ihren Beruf, weiß Maryam Alizadeh: „Ich bin hier genau richtig aufgehoben.“

Mit ihrer Erfahrung und viel Verständnis begegnet die Bibliotheksleiterin

Die Mitarbeiterinnen der Freisenbrucher Stadtteilbibliothek: Maryam Alizadeh (Mitte) mit Sina Eltus (li.) und Anja Nest (re.)
Die Mitarbeiterinnen der Freisenbrucher Stadtteilbibliothek: Maryam Alizadeh (Mitte) mit Sina Eltus (li.) und Anja Nest (re.) © Christof Köpsel

den Menschen, die ins Bürgerhaus kommen. Kindern liest sie auf Deutsch, manchmal auch auf Persisch oder Türkisch vor. Für ihre Aufgaben gebe es regelmäßig finanzielle Unterstützung von der Bezirksvertretung, mit deren Hilfe hat sie etwa zweisprachige Bücher anschaffen können. „Wir haben so die Möglichkeit, die Kinder aufzufangen“, sagt die 56-Jährige, die sich bemüht, in Absprache mit den Schulen Angebote vorzuhalten, um sprachliche Lücken zu schließen und den Wortschatz der Kinder zu erweitern. Je schneller das gelinge, desto besser, „sonst ist eine Generation verloren“.

Lesepaten sind zu Freunden geworden

Neben Sprachförderung und Buchausleihe gehe es dann aber bei manchen Projekten auch um deutsche Kultur, um den Austausch, Kontakte und Nachbarschaft, beschreibt sie: „Die Lesepaten besuchen inzwischen die Familien, zu denen freundschaftliche Verhältnisse entstanden sind“, beschreibt sie den Erfolg des 2015 gestarteten Projektes.

Im April erwartet die Bibliothek den Besuch einer Kinderbuchautorin, während Natur und Umwelt das ganze Jahr über Thema im Bürgerhaus sein sollen, wo nun ein großer Umbau geplant ist. „Für die Bibliothek wäre eine neue Ausleihtheke schön“, fällt Maryam Alizadeh dazu ein – und ein weiterer Wunsch auch: ein Wintergarten, um den Kindern dort vorzulesen.

>>ÖFFNUNGSZEITEN DER STADTTEILBIBLIOTHEK FREISENBRUCH

  • Die Stadtteilbibliothek Freisenbruch im Bürgerhaus Oststadt, Schultenweg 41, öffnet dienstags, mittwochs und freitags 10 bis 17 Uhr; donnerstags, 14 bis 18.30 Uhr.
  • Kontakt: 88 42 306 oder per Mail an: freisenbruch@stadtbibliothek.essen.de