Essen. . „Was glänzt“: Schauspielstudenten der Folkwang-Uni folgen dem Takt der Trillerpfeife. Der Drill ist Regieidee. Im Studium zählt eigene Haltung.

Sie rennen und springen, sie machen Liegestütz und Waschbrettbauch-Workout: Theater bis zur Totalerschöpfung. Endorphin-Alarm auf quietschendem Turnhallenparkett. Doch das Glücksgefühl, das die zehn Schauspiel-Studenten der Folkwang Universität der Künste in diesen Tagen nach der Vorstellung mit nach Hause nehmen, dürfte viel länger halten.

Mit „Was glänzt“, dem Auftragswerk von Gerhild Steinbuch, das die jungen Künstler derzeit in der benachbarten Zeche 1 in Bochum zeigen, haben sie kurz vor Ende ihre Ausbildung auch so etwas wie Idealtheater erfahren. Dazu gehört ein Probenprozess mit genug Zeit und ohne Hierarchien, Wertschätzung von allen Seiten und vor allem: Mitbestimmung. „Was glänzt“ ist eine Text-Collage, die sich neben Textfragmenten von Heiner Müller bis Christa Wolf auch aus Meinungen, Ängsten und Träumen der jungen Akteure zusammensetzt, die sie in neu verteilten Rollen sprechen. Als Einzelne sind sie vor vier Jahren an die Folkwang-Uni nach Essen gekommen. Nun funktionieren sie als perfekter Einheits-Chor und dürfen doch eine Gruppe voller Einzelstimmen sein.

Jojo Rösler und Ansgar Sauren sind Schauspielstudenten der Folkwang Universität der Künste. Nach dem ersten Praxisjahr in Essen bereiten sie sich in Bochum jetzt auf den Abschluss vor.
Jojo Rösler und Ansgar Sauren sind Schauspielstudenten der Folkwang Universität der Künste. Nach dem ersten Praxisjahr in Essen bereiten sie sich in Bochum jetzt auf den Abschluss vor. © STEFAN AREND

Für Esther Hausmann, Leiterin des Studiengangs Schauspiel, ist das der Kern der breit aufgestellten Ausbildung: Die Ausprägung der Künstlerpersönlichkeit, die Entwicklung einer eigenen Haltung. „Theater ist Teamsport“, sagt sie, aber ein starkes Ensemble bestehe eben auch aus vielen starken Persönlichkeiten. Ansgar Sauren und Jojo Rösler sind zwei dieser Persönlichkeiten. Die gebürtige Hamburgerin hat erst ein wenig mit dem Ruhrgebiet gefremdelt, aber nun zeigt sich die Region so reich an kulturellen Möglichkeiten und Nachbarschaften. Vielleicht auch an zukünftigen Arbeitsplätzen.

Einladung zum Berliner Theatertreffen

Längst sind die Folkwang-Eleven ein Teil dieser Theaterszene und derzeit auch ausgesprochen erfolgreich. Mit „Das Internat“, der Produktion des Schauspielhaus Dortmund, ist die Absolventen-Gruppe in diesem Jahr zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Auch bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen werden Studenten der Folkwang-Uni in diesem Jahr eine Bühne haben. Und dass der Abschlussjahrgang am Schauspielhaus Bochum eine eigene Inszenierung bekommt, hat Tradition, seit ein Teil der Schauspiel-Ausbildung in die Nachbarstadt verlagert wurde.

„Unsere Studierenden sollen rausgehen und sichtbar werden, noch bevor sie den Abschluss haben“, sagt Esther Hausmann. Im Herbst folgt das Intendantenvorsprechen. Danach wird sich zeigen, wo sich die jungen Schauspieler in Zukunft vielleicht so verausgaben werden wie in der Bochumer Zeche Eins, in der sie gegen die Schatten der Geschichte, die Festung Europa und den Selbstoptimierungs-Wahn so atemlos anlaufen wie gegen die Theater-Routine.

Szene aus „Was glänzt“ in der Bochumer Zeche Eins.
Szene aus „Was glänzt“ in der Bochumer Zeche Eins. © Birgit Hupfeld

„Hier ein paar Menschenbilder, die man immer zur Verfügung haben muss“, heißt es an einer Stelle. Ein Schlüsselsatz für die jungen Schauspieler, die wissen, dass aus Bewegung vielleicht auch mal Leerlauf werden kann. Wie viel behauptetes Leben, wie viel Instant-Gefühl wird man abrufen müssen, wenn man im laufenden Theaterbetrieb irgendwann jederzeit verfügbar sein muss? Wenn Erschöpfung nicht nur aus kraftraubenden Zirkeltraining-Übungen resultiert.

Esther Hausmann sieht ihre Studenten gut gewappnet. Die meisten seien auch nach zehn Jahren noch im Beruf. Sie spricht von „starker Resilienz“. Die jungen Akteure seien in ihrer Persönlichkeit so gefestigt, dass sie Kreativität auch unter weniger optimalen Bedingungen entwickeln könnten.

Jojo Röder und Ansgar Sauren sind noch offen, wo sie dieses Kreativität in Zukunft ausspielen möchten – am prestigeträchtigeren Stadttheater oder als Akteure der freie Szenen. Für alle Möglichkeiten offen zu sein, auch das sei ein Teil der Ausbildung, sagt Ansgar Sauren.

Ausbildung in Essen und Bochum

Das erste Jahr ihrer Ausbildung absolvieren die Folkwang-Studenten des Studiengangs Artist Diploma am Campus Essen. Ab dem zweiten Studienjahr findet die Ausbildung im Folkwang Theaterzentrum Bochum statt.

„Was glänzt“ ist noch am 14./ 15. März, 19.30 Uhr in der Bochumer Zeche Eins, Prinz-Regenten-Str., zu sehen. Tickets: 0234-3333 5555.