Essen. . Das Essener Ehepaar Köster kämpft erfolgreich gegen die Folgen eines Schlaganfalls. Um Mutmachen geht es auch bei einer neuen Angehörigen-Hilfe.

„10 Jahre, 17.500 km“ hat Norbert Köster auf einen kleinen Zettel geschrieben. Das Sprechen fällt ihm schwer, aber diese Zahlen möchte er doch gerne loswerden. Sie dokumentieren eine Leistung, auf die der 62-Jährige stolz sein darf. Es geht um die Strecke, die er bis heute mit seinem Spezialfahrrad zurückgelegt hat. An guten Tagen schafft er 70-Kilometer-Touren auf den drei Rädern und mit seiner Muskelkraft, von Altenessen aus zum Rhein und wieder zurück. Vor 14 Jahren wäre das unvorstellbar gewesen. Als von einer Minute auf die andere alles anders wurde.

Diagnose Schlaganfall, hilflos im Krankenbett

Gehobene Position in einer Bank, leidenschaftlicher Fußballer und Tischtennisspieler, Vater eines damals 14-jährigen Sohnes: Norbert Köster, mitten im Leben. Und dann? Diagnose Schlaganfall. Bewegungsunfähig, nicht in der Lage zu kommunizieren, hilflos im Krankenbett.

Zeit seines Lebens würde er nun ein Schwerstpflegefall bleiben, hatten die Ärzte seiner Ehefrau Claudia Köster (61) prognostiziert. Sie erinnert sich noch gut an den schicksalhaften Abend im Dezember 2004: „Norbert kam vom Sport. Sein Arm kribbelte so stark, dass er die Haustür nicht aufschließen konnte. Am nächsten Tag gingen wir zum Arzt.“ Der eigentliche Schlaganfall ereignete sich dann einen Morgen später – beim Frühstück. Es war der Moment, der das Leben der Familie komplett ändern sollte.

Das Ehepaar Köster wirkt deutlich jünger

Und heute? Claudia und Norbert Köster wirken beide deutlich jünger. Sie lachen viel, selbst wenn sie über die schwersten Stunden erzählen, scheinen sich blind zu verstehen, auch wenn er nur kurze Worte aussprechen kann, verkörpern die Lust am Leben, obwohl dieses ein anderes ist als früher. „Ich sage immer: Ohne echte Liebe kann man das nicht schaffen“, erzählt Claudia Köster. Offen und ehrlich seien sie immer gewesen. Selbst in den härtesten Stunden. Sie haben lieber gemeinsam gekämpft, als sich anzufeinden.

Das tiefe Loch haben sie vielleicht in der Ferne erahnt, doch sie haben es elegant umkurvt. „Wäre er mürrisch geworden, wäre ich gegangen. Ich hätte nicht der Fußabtreter eines Kranken sein wollen“, sagt die Ehefrau, wohl wissend, dass ihr Mann schon immer ein zupackender Optimist war und diese Gefahr nie bestanden hätte.

Mit dem Rollstuhl kam Norbert Köster zurück in sein Haus mit steilen Treppen

Nach Klinik- und Rehazeit kam Norbert Köster 2005 zurück nach Hause – im Rollstuhl in ein Eigenheim mit steilen Treppen. Kurz hätten sie darüber nachgedacht, die Räume komplett behindertengerecht umzubauen, doch der Wille, es so zu schaffen, war größer. „Es waren kleine Schritte und die Erfolge kamen schleichend, aber sie kamen“, sagt die Ehefrau und ihr Mann lächelt und nickt.

Geholfen hätten ihr vor allem der Freundes- und Bekanntenkreis und die Familie. „Mein Sohn war eine starke Stütze. Ich hatte immer Menschen um mich herum, die mich aufgefangen haben“, sagt Claudia Köster, aber sie weiß, dass es längst nicht allen Angehörigen von Schlaganfall-Patienten so geht. „Es ist wichtig, sich austauschen zu können. Schon allein um zu erfahren, wie und wo man professionelle Unterstützung bekommen kann.“

Neue Gruppe für Angehörige von Schlaganfall-Patienten

Christiane Mais, Leiterin des Aphasiker-Zentrums NRW am Philippusstift, leitet auch die neue Angehörigengruppe in Sachen Schlaganfall.
Christiane Mais, Leiterin des Aphasiker-Zentrums NRW am Philippusstift, leitet auch die neue Angehörigengruppe in Sachen Schlaganfall. © Kerstin Kokoska

Die Kösters stehen seit Jahren in einem engen Austausch mit Lehr-Logopädin Christiane Mais, die das Schlaganfall-Aphasiker-Zentrum Ruhr am Philippusstift Borbeck leitet. Sie hat jetzt eine Angehörigengruppe für Schlaganfall-Patienten ins Leben gerufen. „Viele Angehörige müssen von heute auf morgen nonstop pflegen. Das ist eine große Herausforderung“, sagt Mais. Oft seien die Belastungen für Partner oder Kinder extrem. Während der Patient selbst Reha, Therapien und Behandlungen bekomme, werde an die Angehörigen weniger gedacht. Dabei könne der Stress in einem Pflege-Burnout oder sogar in Depressionen enden.

Claudia Köster sagt, dass sich bei ihrem Mann und ihr vieles eingespielt habe. Sein Leben meistert das Ehepaar mit Humor und Routine. Weil seine rechte Körperhälfte nicht funktioniert, benötigt Norbert Köster weiter die Hilfe seiner Frau, wenn beide Hände nötig sind. Beispielsweise beim Schneiden. „Bei uns gibt es ziemlich oft Geschnetzeltes“, sagt seine Frau lachend. Aber ein Schwerstpflegefall ist er längst nicht mehr.

Sie fahren gemeinsam in den Urlaub und manchmal auch alleine

Sie fahren gemeinsam in den Urlaub, so wie früher nur eben mit Gehstock. Manchmal auch ohne den Partner. Sie war mit Freundinnen auf Mallorca, er etwas später mit seinen Fußballfreunden von den Alten Herren GAH Altenessen. Auch mit ihnen kann sich Norbert Köster nicht mehr so unterhalten wie früher, als der Körper noch mitmachte. Und mitspielen kann er natürlich ebenfalls nicht. Aber auf den Fotos von einer lebhaften Mannschaftsfahrt steht er verdächtig oft im Mittelpunkt. Hier verstehen sich alte Freunde auch mit wenigen Worten.

>> SCHLAGANFALL: DIE ANGEHÖRIGEN-GRUPPE

  • Die neue Angehörigengruppe von Schlaganfallpatienten trifft sich im Aphasiker-Zentrum NRW, Laarmannstraße 21, in Essen-Bedingrade. Erster Termin ist am Mittwoch, 20. März, 2019. Folgetermine sind am 17. April und 15. Mai, jeweils von 14.30 bis 15.30 Uhr.
  • Um Anmeldung wird gebeten unter Tel.: 0201/60 99 422 oder Mail an aphasiker-nrw@online.de
  • Es geht um Themen wie Pflege, Belastung, Kontaktknüpfen und Austausch. Die Gruppe wird von Lehr-Logopädin und Schlaganfall-Spezialistin Christiane Mais geleitet.