Essen. . Die gute Konjunktur kam vergangenes Jahr in Essen auch den Langzeitarbeitslosen zu Gute. Der neue soziale Arbeitsmarkt soll weitere Jobs bringen.
Das Jobcenter will in diesem Jahr die Arbeitslosigkeit in Essen weiter deutlich abbauen und rund 14.000 Hartz-IV-Empfänger in Arbeit bringen. „Wir haben mit 82 Millionen Euro soviel Geld wie nie für die Förderung der Arbeitslosen“, sagte Sozialdezernent Peter Renzel am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Auch die wirtschaftlichen Aussichten sind stabil, wie die jüngste Umfrage der Industrie- und Handelskammer unter Essener Unternehmen zeigte. Ziel sei es, die Arbeitslosenquote von zuletzt 10,5 Prozent auf 9,5 Prozent zu senken. Das sei dennoch ein Kraftakt, so Renzel.
Bereits im vergangenen Jahr half die gute Wirtschaftskonjunktur dem Jobcenter. Es vermittelte 13.600 Menschen eine Arbeitsstelle im ersten Arbeitsmarkt. Das sei absoluter Rekord seit dem Jahr 2012 gewesen, als das Jobcenter in die städtische Zuständigkeit fiel, betonte Renzel. Das Jobcenter ist für alle Hartz-IV-Empfänger in Essen zuständig, die Agentur für Arbeit für alle sonstigen (Kurzzeit-) Arbeitslosen.
Viele Essener schnell auch wieder arbeitslos
https://www.waz.de/archiv-daten/datawrapper-essen-arbeitslosigkeit-id216432681.htmlDennoch: Viele Menschen finden zwar einen Job, gleichzeitig melden sich aber auch viele wieder arbeitslos. Etwa jeder Dritte verliert oder kündigt seinen Job binnen eines Jahres. Unterm Strich sank die durchschnittliche Arbeitslosigkeit im Jobcenter, also bei den erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern, im vorigen Jahr deshalb nur um rund 1500 auf 26.010 Männer und Frauen. Das ist ein Rückgang von fünf Prozent. Davon galten knapp 12.590 Menschen als langzeitarbeitslos. Sie sind also schon ein Jahr und länger ohne Arbeit. Immerhin: Auch ihre Zahl schrumpfte gegenüber 2017 deutlich.
Renzel setzt bei der weiteren Erholung am Arbeitsmarkt vor allem auf das neue Teilhabe-Chancen-Gesetz des Bundes, auch als sozialer Arbeitsmarkt bekannt. 500 bis 700 Langzeitarbeitslose sollen dieses Jahr darüber in Arbeit vermittelt werden.
Neue Chancen für Langzeitarbeitslose auf einen Job
Essen ist seit 2012 so genannte Optionskommune. Seither wird das Jobcenter nicht mehr in der Verantwortung der Bundesagentur für Arbeit geführt, sondern von der Stadt. Diese hatte sich davon versprochen, dass sie individuelle und nicht von Nürnberg zentral gesteuerte Lösungen für den Abbau der Arbeitslosigkeit finden kann.
Dass die Arbeitslosigkeit im Bereich des Jobcenters deutlich abgenommen hat, hat aus Sicht von Renzel mehrere Gründe: die gute Konjunktur, mehr Geld vom Bund für Maßnahmen und mehr Personal. Die Zahl der Mitarbeiter stieg in den vergangen drei Jahren von 830 auf 1150.
Insgesamt gab es im Januar in Essen 31.956 arbeitslos gemeldete Männer und Frauen. Im Jobcenter wurden im 25.886 Arbeitslose gezählt. Damit erhalten aktuell 81 Prozent der Arbeitslosen in Essen Arbeitslosengeld II. Der Rest ist bei der Bundesagentur gemeldet.
Unternehmen, die einen Langzeitarbeitslosen einstellen, bekommen über fünf Jahre hohe Lohnkostenzuschüsse vom Staat, in den ersten beiden Jahren sogar 100 Prozent. Das Gesetz gilt seit Anfang Januar und ist bereits vielversprechender gestartet als ein ähnliches Programm des Landes NRW. Derzeit würden schon 150 Langzeitarbeitslose über dieses neue Programm gefördert, 55 Arbeitsverträge seien kurz vor dem Abschluss, sagte der Leiter des Jobcenters Dietmar Gutschmidt. Allerdings: Der Großteil der geförderten ehemals Arbeitslosen kommt aus einem Vorgängerprogramm des Bundes. Sie wurden in die neue Förderung übergeleitet und haben auf diese Weise nun eine Anschlussperspektive.
Die meisten dieser Jobs sind bei Beschäftigungsgesellschaften und in der Wohlfahrt angesiedelt. Ziel des neuen sozialen Arbeitsmarktes ist es jedoch, vor allem Arbeitgeber aus der freien Wirtschaft aufzuschließen. Gutschmidt berichtete, dass es derzeit rund 40 Anfragen von Arbeitgebern in Essen gebe. Sie suchten vor allem Mitarbeiter für Helferstellen. „Das Thema nimmt Fahrt auf, aber es ist noch ein langer, langer Weg“, so Renzel. Er appellierte an die hiesige Wirtschaft, mitzuziehen: „Wenn wir das als Jobcenter und Wirtschaft im Ruhrgebiet nicht schaffen, brauchen wir in Berlin nicht weiter zu meckern.“
Jobcenter wirbt bei Unternehmen für sozialen Arbeitsmarkt
Das Jobcenter wird am 19. März auf einer Veranstaltung bei der Kreishandwerkerschaft vor Unternehmern für den neuen sozialen Arbeitsmarkt werben. Das Gleiche ist am 15. April zusammen mit der Industrie- und Handelskammer geplant.
Neben dem Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit möchte das Jobcenter in diesem Jahr die Jugendarbeitslosigkeit weiter senken. Dafür wollen Jobcenter und Arbeitsagentur mit ihrer Berufsberatung noch stärker in die Schulen gehen, außerdem kümmert sich das Jobcenter zusammen mit der Jugendhilfe seit einiger Zeit verstärkt um „Problemfälle“, indem sie die Jugendlichen zu Hause besuchen. „Die Politik des Hinterherlaufens“, wie Renzel es nennt, bringt immerhin jeden zweiten Jugendlichen wieder in das Beratungssystem zurück.
Jugendarbeitslosigkeit verharrt
Schließlich gehe es darum, jedem Jugendlichen eine individuelle Förderung anzubieten, die nicht auf Schwächen sondern die Talente des jungen Menschen setzt. „Ich kann das nicht mehr hören, dass die Jugendlichen alle beladen und nicht ausbildungsfähig sind“, sagte Renzel an die Adresse der Wirtschaft gerichtet.
Dennoch baut sich die Jugendarbeitslosigkeit in Essen statistisch nur langsam ab. 2018 waren knapp 2400 junge Hartz-IV-Bezieher unter 25 Jahren ohne Job. 2012 waren es ähnlich viele. Das größte Problem: 40 Prozent der beim Jobcenter gemeldeten arbeitslosen Jugendlichen haben keinen Schulabschluss und 90 Prozent keine abgeschlossene Lehre. Dennoch könne man die Talente, die in jedem Einzelnen stecken, nicht liegen lassen, schon gar nicht mit Blick auf die wachsende Fachkräfte-Misere, so Renzel abschließend.