Essen-Rüttenscheid. . Die Rüttenscheider Straße soll untersucht werden, um den Radverkehr zu entlasten. Ein heikles Thema: Essener Planungsbüros sagten reihenweise ab.
Die Rüttenscheider Straße gilt als eine der Hauptachsen für den Fahrradverkehr in Nord-Süd-Richtung. Im Zuge des Lead-City-Projektes soll die Rü nun genauer untersucht werden. Essen ist eine von fünf Kommunen in Deutschland, in denen der Bund verschiedene Projekte fördert, um die Luftqualität zu verbessern.
Neben einer Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs fließen in Essen 500.000 Euro in den Radwegeausbau. In diesem Zuge soll das Radfahren auch auf der Rü bequemer werden.
„Fingerspitzengefühl beim Umgang mit der Rü“
Weiter so wäre zu einfach
Bürgerwillen und Bürgerbeteiligung. Ohne diese beiden Voraussetzungen kann die Verkehrswende nicht eingeläutet werden: weder auf der Rüttenscheider Straße noch anderswo. Das weiß auch die Stadt Essen, die im Lead-City-Prozess liefern muss, ohne dabei ihre eigenen Bürger zu vergraulen.
Speziell die Rüttenscheider Straße ist als Labor für mehr Fahrradfreundlichkeit ein schwieriges Umfeld für Experimente. Hätte der Autoverkehr eine Spur weniger, würde er zwangsläufig ausweichen. Zum Beispiel auf die parallel laufende Alfredstraße, um deren Abgasbilanz es bekanntlich schon jetzt nicht zum Besten steht.
Dennoch wäre ein einfaches „Weiter so“ wenig zukunftsgerichtet. Der Anteil des Fahrradverkehrs steigt, speziell in urbanen Gebieten wie Rüttenscheid und Holsterhausen. Diese Entwicklung muss die Stadt im Lead-City-Prozess stärken – gemeinsam mit allen Beteiligten.
Auf der Rü gibt es Handlungsbedarf, speziell für den Kernbereich zwischen Stern und Martinstraße. Der Ruf nach einem bessereren Miteinander im Straßenverkehr verhallt bislang leider. Es gibt viele Möglichkeiten und viele Meinungen, wie die Situation verbessert werden kann. Sie zu moderieren und in einen Kompromiss zu gießen, wird in den nächsten Monaten eine Mammutaufgabe.
Ob die Straße dafür als Fahrradstraße deklariert oder gar zur Einbahnstraße mit neuer Spur für den Radverkehr umgewidmet wird, ist dabei noch völlig offen. Das Projekt ist umstritten: Nicht nur Rolf Krane mahnte als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR) beim jüngsten Neujahrsempfang besonderes Fingerspitzengefühl beim Umgang mit der Rü an. Wie zu hören ist, fand sich in Essen kein Planungsbüro, das den kniffligen Prozess samt Bürgerbeteiligung organisieren wollte. Aktuell läuft die Suche, Umweltdezernentin Simone Raskob ist zuversichtlich, in Kürze fündig zu werden.
„Wir stehen noch ganz am Anfang. Grundsätzlich aber müssen wir etwas für den Radverkehr tun“, sagt Andreas Demny, der die Lead-City-Projekte als Experte für Planung und Bau beim Umweltamt maßgeblich mit steuert. In einem ersten Schritt sollen die Verkehrsplaner die Rüttenscheider Straße genau untersuchen und die Ergebnisse in einem Gutachten zusammenfassen. „Auf dieser Grundlage werden wir dann in diesem Sommer in die Bürgerbeteiligung einsteigen“, gibt Andreas Demny einen Ausblick.
Die Verkehrsplaner sollen dabei alle Nutzer der Rü betrachten. „Fußgänger und Radfahrer werden ebenso unter die Lupe genommen wie der Auto- und Lieferverkehr. Auch die Parkplätze und die Parkdauer spielen eine Rolle“, sagt Demny. Dabei sei ihm bewusst, wie sensibel das Thema sei: „Aus diesem Grund machen wir den gesamten Prozess so transparent wie möglich. Sonst werden wir scheitern.“ So sei bei allen Überlegungen auch die Frage zentral, wieviel Verkehr für das Überleben der Geschäfte notwendig ist.
Einzelhandel nicht vergessen
Dem Einzelhandel nicht noch mehr Druck aufzubürden, das mahnt Rolf Krane von der Interessengemeinschaft Rüttenscheid schon lange an. „Konkurrenz durch wachsenden Online-Handel, steigende Ladenmieten: Für viele Geschäfte wäre es ein Todesstoß, wenn der Durchgangsverkehr oder Parkplätze an der Rü wegfielen“, ist Rolf Krane überzeugt.
Mit Skepsis beobachtet er den startenden Lead-City-Prozess. Krane, der selbst fast ausschließlich mit dem Rad unterwegs ist, hat dabei nichts gegen eine Verbesserung für den Radverkehr einzuwenden: „Nur gebe ich zu bedenken, dass die Rüttenscheider keine Schnellstraße ist – übrigens auch nicht für Radfahrer.“ Schließlich stecke hinter allen Überlegungen vor allem der Gedanke, dass der Radfahrer am zeitweisen Stau auf der Rü vorbeifahren könne. Krane hingegen appelliert, alle Nutzerinteressen zu berücksichtigen.
Anders die Grünen, allen voran der Rüttenscheider Ratsherr Rolf Fliß. Er wirbt für die Einbahnstraßenlösung und möchte die so frei werdende Fläche als Zweirichtungsradweg nutzen. „Für den heutigen Durchgangsverkehr in beide Richtungen ist je eine Spur vollkommen ausreichend“, sagt Fliß. Ziel der Grünen sei es, eine „Erlebnis-Straße für alle Verkehrsteilnehmer zu schaffen, die die gastronomischen und kulturellen Highlights der Innenstadt und Rüttenscheids verbindet“.