Essen. . Keine Termine und volle Wartezimmer? Mit ihrem Start-up „Dubidoc“ will die Essener Ärztin Shabnam Fahimi-Weber dieses Problem lösen.
In einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus am Isenbergplatz im Essener Südviertel, hinter Szene-Cafés, einem Biotop aus Yoga-, Second-Hand und Skateboard-Läden, arbeitet die Ärztin Shabnam Fahimi-Weber mit ihrem Start-up-Unternehmen „Dubidoc“ (kurz für „Du bist Doktor“) daran, die Wartezimmer in den Arztpraxen abzuschaffen. Helfen soll eine clevere Software.
„Wir digitalisieren und automatisieren die Terminvergabe in der Praxis“, sagt Shabnam Fahimi-Weber und gibt ein klares Ziel vor: „Wir möchten, dass Arztpraxen in Zukunft keine großen Räume mehr haben, damit die Leute dort warten.“
Patienten buchen Termine im Internet
Mit Dubidoc hat die 48-jährige Essener HNO-Ärztin ein online-basiertes Kalendersystem entwickelt, das Patienten und Ärzten gleichermaßen das Leben leichter machen soll. Es erinnert an die Terminvergabe beim Bürgeramt: Patienten loggen sich im Internet auf der Plattform ein und können online einen Arzttermin buchen.
Die Arztpraxen stellen dazu ihre Terminangebote im Internet zur Verfügung. Das können allgemeine Sprechstunden sein, genauso wie konkrete Untersuchungen. Kurzfristig frei werdende Termine sind sofort wieder buchbar.
Benachrichtigungen per Mail
Benachrichtigungen bekommt der Patient direkt per E-Mail. „Bisher hat man in der Praxis angerufen und eine medizinische Fachangestellte hat an der Anmeldung nach freien Lücken im Kalender gesucht“, sagt Fahimi-Weber. Ihre Software macht das nun alles automatisch.
Die Praxisabläufe sollen dadurch schneller und transparenter werden, die Ärzte und ihre Mitarbeiter mehr Zeit fürs Wesentliche haben: den Patienten zu versorgen, statt Patientenströme zu organisieren. Am Ende des Tages sollen dadurch mehr Termine zur Verfügung stehen.
Wartezeit wird vorausberechnet
Ihre Erfindung kann aber noch mehr: „Wir können relativ genau prognostizieren, wie lange unsere Patienten warten müssen“, sagt Fahimi-Weber. So müsse niemand mehr in einem Wartezimmer sitzen, sondern könne seine Zeit besser nutzen.
Seit 2016 arbeitet die gebürtige Iranerin neben ihrer eigentlichen Arbeit als HNO-Ärztin an Dubidoc. Als sie ihre eigene Praxis über die Jahre nach und nach auf vier Standorte in Essen ausbaute, stand sie vor der Herausforderung „die Patientenströme, die immer größer wurden, in irgendeiner Form zu regeln“. Auf 7000 Patienten und etwa 15.000 bis 17.000 Termine kommt sie heute im Quartal.
„Wir hatten immer Probleme geschultes Personal für die Anmeldung zu finden. Das war echte Stressarbeit“, sagt Fahimi-Weber. Irgendwann war sie den Stress der Kollegen und das organisatorische Chaos Leid und nahm die Lösung des Problems selbst in die Hand. Aus einer fixen Idee ist mittlerweile ein kleines Start-up-Unternehmen mit rund acht Mitarbeitern entstanden.
Unterstützung bekam sie von der Hochschule FOM, mit der sie erst einmal testen musste, ob ihr Konzept überhaupt funktioniert. „Wir haben die Patienten nach ihren Bedürfnissen befragt und die Zeit gemessen, die es dauert bis ein Patient einen Termin bekommt.“
8000 Patienten nutzen das System bereits
Mitte 2017 war die erste Version der Software fertig, der Test in der eigenen Praxis ein Erfolg. Seither machen etwa 150 Behandler aus 50 Praxen mit. Und weit über 8000 registrierte Patienten nutzen laut Fahimi-Weber bereits die Plattform, um den nächsten Arztbesuch zu planen. „Ich hatte eine Riesenangst. Nutzen die älteren Patienten das überhaupt?“, fragte sich die Gründerin. Nun könne sie aber statistisch belegen, dass selbst Über-70-Jährige ihre Termine online machen. „Und wenn sie es selber nicht können, übernimmt das die Generation danach.“
Die Telefone in ihrer Praxis klingeln seit der Einführung von Dubidoc nur noch selten. Mehr Ruhe sei eingekehrt und die Patienten seien zufriedener. 2019 will sie mit ihrem Unternehmen weiter wachsen und weitere Kollegen von ihrer Idee überzeugen. Leicht wird das für die Gründerin nicht: „So ein digitales System in einem so konservativen Bereich wie der Arztversorgung einzuführen, ist eine echte Aufgabe“, meint Fahimi-Weber.
Infos: Eine Frau mit einem Faible für Projekte
- Shabnam Fahimi-Weber wurde 1970 in Teheran geboren und ist in Düsseldorf aufgewachsen. Mit Ende 20 eröffnete Sie ihre erste eigene Praxis in Essen-Altendorf.
- Die dreifache Mutter hat schon so manches Projekt realisiert. Sie gründete u.a. den Verein „Sprache verbindet“ zur Sprachförderung von Kindern.
>>>Frische Ideen für den Gesundheitssektor: Besonders im Bereich der elektronischen Versorgung profitiert die Branche von jungen Unternehmen
Die Gesundheitswirtschaft ist ein Milliardenmarkt und macht etwa 12 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes in Deutschland aus. 618 Milliarden Euro hat die Branche 2017 umgesetzt. Davon etwa 20 Milliarden in der Ruhr-Region.
In Sachen elektronischer Gesundheitsversorgung gilt die Branche als Profiteur der Digitalisierung. Besonders jungen Gesundheit-Start-ups werden neue innovative Ideen und Geschäftsmodelle zugetraut. „Die Digitalisierung in der Medizin ist in aller Munde. Aber Medizin hängt weit hinter anderen Branchen hinterher“, sagt Dubidoc-Gründerin Shabnam Fahimi-Weber.
Sprechstunde per Video
Einige Firmen und Einrichtungen aus Essen wollen hier vorangehen: Die Deutsche Arzt AG hat sich beispielsweise einen Namen bei der Digitalisierung von Gesundheitsleistungen gemacht und arbeitet derzeit in Kooperation mit dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie an einer Video-Sprechstunde. Orthopäden können Patienten also vielleicht sehr bald per Video beraten.
Und das Uniklinikum Essen hat sich zum Ziel gesetzt, ein Krankenhaus der Zukunft – ein „Smart Hospital“ – zu werden. Bausteine sind unter anderem eine elektronische Patientenakte, die alle wichtigen Daten über den Patienten sammelt, sowie vernetzte Kliniken und Stationen, die auf intelligente Systeme und nützliche Apps zurückgreifen. Ziel ist eine optimierte Behandlung.
Kölner Chirurgen ziehen mit Firma nach Essen
Auch in Sachen Medizintechnik gibt es einige Jungunternehmer in der Stadt: Zuletzt investierten der Gründerfonds Ruhr zusammen mit dem Investor Coparion jeweils 1,3 Millionen Euro in das Medizintechnik-Start-up Fasciotens, das seinen Sitz von Köln nach Essen verlagert hat. Das Unternehmen hat eine spezielle Therapie-Apparatur für Patienten mit „offenem Bauch“ entwickelt. Hinter der Idee stecken zwei junge Chirurgen.