Essen. Essener Start-up Fasciotens entwickelt Technik für Patienten mit offenem Bauch. Gründerfonds Ruhr und Investor Coparion steigen ein.

Nach Infektionen, Operationen oder Unfällen leiden jährlich 5000 bis 6000 Patienten in Deutschland unter einem „offenen Bauch“. Zwei junge Chirurgen haben jetzt eine Technologie entwickelt, die es erleichtert, den Bauch nach der Therapie wieder zu schließen. Fasciotens heißt das kleine Start-up-Unternehmen, das seinen Sitz von Köln nach Essen verlegt hat und das erste Invest des vor einem Jahr von Initiativkreis Ruhr und NRW.Bank ins Leben gerufenen Gründerfonds Ruhr ist.

Als Ärzte am St. Elisabeth-Krankenhaus in Köln haben sie selbst viele dieser dramatischen Fälle gesehen. Wenn der Druck im Bauch der kranken Menschen ansteigt, muss die Bauchdecke geöffnet werden. Während die Patienten im künstlichen Koma liegen, schrumpft die geöffnete Haut. „Am Ende fehlt die Masse, um sie wieder zusammennähen zu können“, sagt Frank Beyer. Dabei gehe es um nichts weniger als das Leben der Erkrankten.

Idee kam Ärzten im Jahr 2014

Seit 2014 tüftelt der Unfallchirurg gemeinsam mit seinem Kollegen und Gefäßchirurgen Gereon Lill an einer Technologie, der die Bauchdecke gleich nach ihrer Öffnung daran hindert zu schrumpfen. „Das erste Gerät wollen wir im Herbst zur Marktreife bringen“, sagt Lill. Herzstück der Apparatur, die auf dem Patienten platziert wird, sind Fäden, die die Bauchdecke in einem gespannten Zustand halten.

Beyer hat inzwischen seinen Arztberuf aufgegeben und ist als Geschäftsführer ganz in die eigene Firma eingestiegen. Sein Geschäftsführer-Kollege Lill arbeitet noch zur Hälfte im Krankenhaus. Bislang haben die Gründer ihr inzwischen fünfköpfiges Start-up mit eigenem Kapital und finanzieller Hilfe von Freunden und Familie ans Laufen gebracht. Nun erhalten sie potente Unterstützung. Der Gründerfonds Ruhr und der Investor Coparion sind mit jeweils 1,3 Millionen Euro in die junge Fasciotens GmbH eingestiegen.

Erstes Invest des Gründerfonds Ruhr

Für den Gründerfonds Ruhr ist das Medizintechnik-Engagement die erste Investition überhaupt. Vor einem Jahr hatten das Unternehmensbündnis Initiativkreis Ruhr und die landeseigene NRW.Bank den Fonds ins Leben gerufen, um die Gründertätigkeit im Ruhrgebiet zu stimulieren. Inzwischen ist die Kasse mit rund 35 Millionen Euro gefüllt. Das Geld stammt von der NRW.Bank und Mitgliedsfirmen des Initiativkreises Ruhr, darunter die Brost-Stiftung, Evonik, Innogy, Kötter, National-Bank, RAG-Stiftung und Thyssenkrupp. An der Seite des Gründerfonds steigt gleichberechtigt der Kölner Venture Capital Investor Coparion ein. Dessen Fonds verfügt über ein Volumen von 225 Millionen Euro. Nach Angaben von Investment Manager Sebastian Pünzeler stammt das Geld zu 80 Prozent vom Bundeswirtschaftsministerium und zu 20 Prozent von der KfW-Bank.

Die Macher von Fasciotens: v.l. Sebastian Pünzler (Coparion), Gereon Lill, Frank Beyer und Aristotelis Nastos (Gründerfonds Ruhr).
Die Macher von Fasciotens: v.l. Sebastian Pünzler (Coparion), Gereon Lill, Frank Beyer und Aristotelis Nastos (Gründerfonds Ruhr). © Marit Langschwager

„Wir erwerben Anteile und erwarten natürlich auch Rendite“, sagt Geschäftsführer Aristoteles Nastos. Der Gründerfonds Ruhr steige bei Fasciotens ein, weil das Start-up einen „konkreten medizinischen Bedarf abdeckt und bislang keine passende Behandlung beim offenen Bauch auf dem Markt ist“. Die Wahl sei aber auch deshalb auf die Ärzte gefallen, weil „beide Gründer aus der Praxis kommen“. Ein Argument, das auch den Investor Coparion überzeugte. „Es hat uns beeindruckt, dass die Ärzte das Unternehmen neben ihrem hundertprozentigen Einsatz in der Klinik gründeten“, sagt Investment Manager Pünzeler.

Technik auch für Kinder mit offenem Bauch

Für die beiden Gründer ist der millionenschwere Einstieg der Anteilseigner ein Meilenstein. „Man hat mit uns auf Augenhöhe geredet und nicht nur auf das Geld geschaut“, sagt Gereon Lill. Das Start-up erhofft sich von dem Engagement der Investoren nicht nur finanziellen Spielraum. Die junge Firma will auch von deren Netzwerken profitieren. Denn ihre Produktpakete für Patienten mit offenem Bauch muss sie ab Herbst vermarkten. „Es gibt ein großes Interesse bei den Kliniken“, sagt Geschäftsführer Beyer. Die Patente hat sich Fasciotens gleich für ganz Europa sichern lassen. Und im kommenden Jahr wollen die Gründer bereits das nächste Produkt auf den Markt bringen: Eine Behandlungstechnik für Kinder mit offenem Bauch.