Essen. . Seit 24 Jahren ist Maik Schütz HIV-positiv. Anlässlich des Welt-Aids-Tages spricht der Vorstand der Aidshilfe Essen über seinen Umgang mit HIV.

Im unkontrollierbaren Rausch der Hormone sollten Sexualpartner nie die Kontrolle verlieren. Und was, wenn doch? Eines ist sicher: Die Diagnose HIV verändert das Leben. Sie ist wie ein unsichtbarer Dirigent, der den Takt im Alltag vorgibt. „Das Virus frisst sich relativ schnell durch den Körper“, erinnert sich Maik Schütz. Seit 24 Jahren ist der Essener von der unheilbaren Krankheit betroffen.

„Eigentlich beginnt mit 23 Jahren das Leben“, sagt Maik Schütz. „Ich erhielt mein Sterbeurteil.“ Statt einer harmlosen Mandelentzündung stellen Ärzte eine andere Diagnose: HIV. An den ersten Gedanken erinnert er sich noch heute: „Wie organisiere ich mein Ableben?“

Maik Schütz weiß nicht, bei wem er sich mit HIV infiziert hat

Zur damaligen Zeit steht die Medizin der Krankheit relativ machtlos gegenüber. Sollte der Mix aus hoch dosierten Medikamenten nicht anschlagen – „dann haben Sie ein halbes Jahr“, erinnert sich der 47-Jährige an die Worte des Arztes. Doch nach sechs Monaten realisiert er: „Du lebst“. Statt den eigenen körperlichen Verfall zu erleben, geht es ihm von Tag zu Tag besser.

Bis heute weiß er nicht, bei wem er sich infiziert hat. Aber das spiele keine Rolle. „Ich habe bekannten Schutz vernachlässigt und kann andere nicht dafür anprangern.“ Zuerst vertraut er sich seinem Zwillingsbruder an. „Zu dem habe ich ein enges Verhältnis.“ Dann erfahren es die beiden anderen Brüder.

Nach sechs Jahren erfahren die Eltern von der Erkrankung

Gemeinsam entscheiden sie, es den Eltern zu verschweigen. „Mein Vater war Malocher, der kam schon nicht damit klar, dass ich schwul bin.“ Erst nach sechs Jahren finden die Eltern die Wahrheit heraus. Im Schrank entdeckt die Mutter die Medikamente.

Die Vorstellung, sie hätte ahnungslos an seinem Grab gestanden, bedrückt sie. „Meine Mutter hatte Recht“, sagt der 47-Jährige und unterdrückt seine Tränen. Die gute Beziehung hat es jedoch nicht verändert.

„Ich bin HIV-positiv und es ist ein Teil meiner Identität“

„Heute gehe ich offen mit dem Thema um. Ich bin HIV-positiv und es ist ein Teil meiner Identität.“ Für den 47-Jährigen gibt es eine tägliche Erinnerung an die Krankheit: Die Einnahme einer Tablette. „Früher waren es zwölf jeden Tag.“

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Durch die starken Medikamente leidet Schütz an Muskelschwund. Seinem Job im Controlling einer Bank kann er deshalb nicht mehr nachgehen. Seit zwölf Jahren ist er nun bei der Aidshilfe Essen aktiv. Zunächst als ehrenamtlicher Kassenprüfer, seit acht Jahren als Vorstand.

HIV ist nicht heilbar, aber behandelbar

All die Erfahrungen von damals sind mit dem heutigen medizinischen Standards nicht mehr vergleichbar. Dank wirksamer Therapien haben Menschen mit HIV gute Chancen auf eine annähernd normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität. So ist eine HIV-Infektion zwar noch nicht heilbar, aber gut behandelbar – zumindest in Deutschland.

Mitmachaktionen zum Welt-Aids-Tag

Essener Bürger sind aufgerufen, sich in sozialen Netzwerken mit Bildern zu positionieren und Solidarität mit Menschen mit HIV zu zeigen.

Mit gutem Beispiel voran gehen etwa die Band KUULT, die Polizei Essen und Spieler von Rot-Weiß Essen. Auch die Handballer von TuSEM beteiligen sich.

Infos zur Aktion finden Sie unter aidshilfe-essen.de oder auf der Facebookseite der Aidshilfe.

Durch die Medikamente ist die Viruslast von Maik Schütz unterhalb der Nachweisgrenze. „Ich bin ein lebendes Kondom.“ Eine Ansteckung für andere ist nicht möglich – sofern er immer die Medikamente nimmt. Schütz lebt seit zehn Jahren in einer festen Partnerschaft. Sein Lebensgefährte ist negativ, die Erkrankung im Alltag kein Thema.

Das HI-Virus ein Dauermieter

Doch das Virus löst weiterhin oft Angst und Verunsicherung aus, selbst in Kontexten, bei denen eine Aufklärung über Infektionsrisiken selbstverständlich sein sollte: Maik Schütz hat in der Anfangszeit Ärzte erlebt, die nur mit einem Vollschutzanzug einer Behandlung zugestimmt haben. „Mit Helm und Handschuhen bis zum Ellbogen.“ Um eine Diskriminierung im Gesundheitsweisen vorzubeugen, schult Maik Schütz Pflegeschüler. Auch in Schulklassen klärt er über seine Krankheit auf.

Viele sehen die Ursache einer Infektion in „andersartigem“ Verhalten: Eine HIV-Infektion wird mit Lebensweisen verknüpft, die nicht der Norm entsprechen. Homosexualität. Drogensucht. Prostitution. „Ich erkläre den Schülern, dass es eine Krankheit ist, die jeden treffen kann.“ Und was für ein Gesicht gibt er als Betroffener dem HI-Virus? „Es ist ein Dauermieter. Ich muss mich mit ihm arrangieren, denn ich kann ihm nicht kündigen.“