Essen. . Gerade mal 35 Prozent der Arztpraxen in Essen sind barrierefrei. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung.

Nur etwas mehr als ein Drittel der Arztpraxen im Essener Stadtgebiet sind altengerecht oder barrierefrei und somit hundertprozentig geeignet für Menschen mit Behinderungen. Das ergibt eine Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. „Dieses Ergebnis ist niederschmetternd“, sagt Alfred Steinhoff (71), der Vorsitzende des Essener Seniorenbeirats.

35,7 Prozent der Arztpraxen gaben an, über mindestens ein Merkmal von Barrierefreiheit zu verfügen – gefragt wurde unter anderem nach ebenerdigen Zugängen, breiten Türen, behindertengerechten Toiletten oder Orientierungshilfen für Sehbehinderte beziehungsweise Hörgeschädigten. Die Ergebnisse der Befragung, an der mehr als die Hälfte von 700 Essener Arztpraxen mitmachte, beruhen auf Selbstauskünften der Mediziner.

Essener Arzt: „Jeder Umbau geht ins Geld“

„Längst nicht jeder Haus- oder Facharzt hat eine Praxis in modernen Räumen“, betont Arzt Ulrich Weber, der mit Kollegen in Frintrop ein hausmedizinisches Zentrum betreibt. „Jeder Umbau geht ins Geld, und bei angemieteten Praxisräumen ist es verständlich, dass man sich da mit großen Investitionen zurückhält.“ Dass Arztpraxen im Erdgeschoss liegen, sei zwar „unbedingt wünschenswert, aber längst nicht die Regel“. Was übrigens nicht nur älteren oder gehbehinderten Patienten häufig Probleme bereite, sondern auch den Strom der Patienten durchs Treppenhaus häufig erschwere.

Mit nur 35,7 Prozent an barrierefreien Arztpraxen liegt Essen fast im Bundesschnitt – dieser liegt bei 34,4 Prozent. Die bundesweite Umfrage, ermittelt durch eine Anfrage im Bundestag, war für die Essener Fraktionen von CDU und SPD im Sozialausschuss Anlass, im Juni nach den lokalen Daten zu fragen.

„Wir haben großen Verbesserungsbedarf bei den Arztpraxen“, sagt Benjamin Daniel Thomas (31), der als sachkundiger Bürger für die CDU im Sozialausschuss sitzt. „Besonders im Essener Norden ist die Zahl barrierefreier oder -armer Praxen sehr gering.“ Thomas sitzt selbst im Rollstuhl und muss sich vor allem vor Besuchen bei Fachärzten immer informieren, ob die Räume für ihn überhaupt zugänglich sind.

Betroffene sprechen aus Scham nicht über das Problem

Seniorenbeirats-Vorsitzender Alfred Steinhoff weiß aus vielen Gesprächen, dass zahlreiche Betroffene aus Scham nicht über das Problem sprechen, kaum noch die Treppen zum Arzt hochzukommen: „Die meisten reden nicht gern darüber.“

Leider sei Barrierefreiheit nicht nur bei Arztpraxen ein sehr großes Thema für ältere Menschen, sondern auch in Restaurants oder auch sonst im Alltag. „Da wird nur leider kaum dran gedacht.“

Mit dem Ergebnis der Befragung der Kassenärztlichen Vereinigung will sich der Seniorenbeirat in seiner Sitzung in der kommenden Woche beschäftigen. SPD-Vize-Fraktionschef Karlheinz Endruschat kündigt an, mit der Kassenärztlichen Vereinigung dringend nochmal über künftige Verbesserungen reden zu wollen.