Rollstuhlfahrer Benjamin Daniel Thomas gibt dem Bahnhof aber insgesamt gute Noten. Trotz so mancher Probleme, wie etwa kaputten Aufzügen.

Mal eben rüber zum Gleis? Für ihn gar nicht so einfach. Wer als Rollstuhlfahrer am Hauptbahnhof zu den Gleisen 21 und 22 möchte, muss Zeit einplanen und sollte wissen, wo es lang geht. „Dafür ist schon eine gewisse Ortskenntnis nötig“, sagt Benjamin Daniel Thomas, Landesvorsitzender des „Netzwerk für Menschen mit Beeinträchtigungen“ der CDU.

Für einen Umsteiger, der etwa auf Gleis vier ankommt und die S2 nach Dortmund oder Gelsenkirchen nehmen will, heißt das: Runter mit dem Aufzug in die Empfangshalle, raus aus dem Gebäude, rechts über den Vorplatz, eine Ampel und zwei Straßen und dann wieder rein in den Aufzug und hoch auf den Bahnsteig. Der Weg dorthin ist für Rollstuhlfahrer wie ihn der größte Schwachpunkt am Hauptbahnhof, sagt Thomas. Ansonsten stellt er der Essener Zentralstation gute Noten aus.

Rollstuhlfahrer können nicht in die erste Etage

„Durch den Umbau hat sich bei der Barrierefreiheit viel verbessert“, sagt Thomas. Zu allen Bahnsteigen gibt es Aufzüge, das taktile Leitsystem für Blinde und Menschen mit Sehbehinderungen ist gut ausgebaut, für Hörgeschädigte gibt es am Infoschalter ein speziell auf Hörgeräte abgestimmtes Signal, das die Umgebungsgeräusche während eines Gesprächs mit dem Service-Personal reduziert.

Der Essener Hauptbahnhof in Zahlen

2

Minuten dauert die Fahrt vom Hauptbahnhof zum S-Bahn-Halt Essen West. Kein Bahnhof ist näher dran am Hauptbahnhof. 609 Minuten im ICE sind es hingegen zum Hauptbahnhof in Wien, dem am weit entferntesten von Essen ohne Umsteigen erreichbare Ziel.

6

Eisenbahnverkehrsunternehmen fahren den Hauptbahnhof derzeit an: DB Regio, Abellio und die Nordwestbahn im Regionalverkehr, DB Fernverkehr, Thalys und der Hamburg-Köln-Express (HKX) im Fernverkehr. In diesen Markt kommt in den nächsten Jahren ordentlich Bewegung.

5700

Quadratmeter Vermietungsfläche gibt es insgesamt im Hauptbahnhof. Im Vergleich mit Köln (11.500 Quadratmeter), Düsseldorf (9928 Quadratmeter) und Dortmund (9693 Quadratmeter) steht Essen deutlich zurück.

40

Mieter hat der Bahnhof derzeit – von der Bahnhofsbuchhandlung über mehrere Bäcker bis zum Schnellrestaurant. Mit Starbucks, McDonalds oder Subway findet man die typischen Gastronomie-Ketten, zu den Besonderheiten gehört die Filiale des Discounters Lidl, auch die Drogeriekette DM hat dort eine Niederlassung. 

12

Kassen gibt es in der Lidl-Filiale, 54 Mitarbeiter arbeiten dort, 1600 Produkte sind im Angebot. Mehr will die Pressestelle des Unternehmens nicht über das Geschäft verraten.

0

Bahnhofskneipen gibt es im Hauptbahnhof. Die Traditionskneipe „Bierfass“ mit ihrer rustikalen Eichenholzeinrichtung überlebte den Umbau zur Kulturhauptstadt nicht, passte nicht mehr ins Konzept.

170 000

Besucher hat der Essener Hauptbahnhof am Tag. Gemessen an dieser Zahl gehört er zu den zehn größten in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen zählen lediglich die zentralen Bahnknotenpunkte in Köln (280.000) und Düsseldorf (250.000) mehr Besucher.

81 Prozent

der Deutsche-Bahn-Kunden denken beim Stichwort Bahn zuerst an den Bahnhof. Das hat zumindest eine Kundenumfrage der Bahn ergeben. Demnach ist der Bahnhof der Identifikations-Faktor Nummer eins für Zugreisende, deutlich vor dem ICE.

55

Bahnhöfe werden insgesamt vom Bahnhofsmanagement Essen betreut. Dazu gehören insgesamt 26 Bahnhöfe auf Essener Stadtgebiet, zuvorderst der Hauptbahnhof. Hinzu kommen unter anderem die Hauptbahnhöfe in Bochum, Gelsenkirchen, Wanne-Eickel oder Witten. Das Bahnhofsmanagement kümmert sich um Organisation und Service.

57

Millionen Euro hat der Umbau des Hauptbahnhofes rechtzeitig zum Kulturhauptstadtjahr 2010 gekostet. Gearbeitet und saniert wurde insgesamt 16 Monate lang.  Zum Vergleich: Für die im kommenden Jahr beginnende Modernisierung des Duisburger Hauptbahnhofes sind rund 150 Millionen Euro veranschlagt.

24

Stunden am Tag ist der Bahnhof für die Öffentlichkeit zugänglich. Es halten auch die gesamte Nacht über Züge im Bahnhof. Wer mitten in der Nacht Hunger verspürt: Das McDonalds-Restaurant schließt seine Türen nie.

800

Züge im Linienverkehr halten durchschnittlich am Bahnhof – und das jeden Tag: 400 S-Bahnen, 220 Regionalzüge und 180 Fernverkehrszüge.

664

Meter misst der längste Bahnsteig in Essen - der Bahnsteig an Gleis 4. Essen ist damit in der Rangliste der längsten Bahnsteige in Deutschland weit vorne, angeblich hat Mainz den längsten mit über 700 Meter. Zum Vergleich: Der neue ICE 4 ist 346 Meter lang.

14

Gleise gibt es im  Hauptbahnhof insgesamt. Gleis drei hat keinen Bahnsteig, acht Gleise sind Durchgangsgleise, außerdem gibt es fünf sogenannte Stumpfgleise. Diese Gleise enden am Hauptbahnhof. Die abgetrennten Seitenbahnsteige 21/22 weichen von der durchgehenden Nummierung ab. Die Bahnsteige 13 bis 20 fehlen deshalb komplett.

3

Stellwerke im Stadtgebiet sind ständig besetzt. Neben dem am Hauptbahnhof  noch die in Steele und Altenessen. Vom großen Stellwerk aus wird nicht nur der Bahnhofsverkehr gesteuert, sondern unter anderem die S6-Strecke bis Ratingen.

7

Jahre musste die Essener Bundespolizei darauf warten, wieder in den Bahnhof einziehen zu können. Während des Umbaus wurde die Wache 2009 an die Herkulesstraße verlegt, 800 Meter vom Ort des Geschehens entfernt. Eigentlich war der Rückumzug früher geplant, doch weil eine bei den Arbeiten beteiligte Firma pleite ging, verzögerte er sich bis Juli 2016.

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Tücken für Menschen mit Einschränkungen stecken vor allem in den Details, sagt Thomas: mäßige Beschilderung, kaputte Aufzüge, gesperrte Toiletten, fehlende Platten im taktilen Leitsystem, nur schwer verständliche Durchsagen, schlecht lesbare Anzeigetafeln. Überhaupt nicht zugänglich für Rollstuhlfahrer ist die erste Etage.

Derlei kleine Probleme können für den Einzelnen schnell zu einem großen werden: Fällt etwa der Aufzug zu Gleis 11/12 aus – wie im November geschehen –, haben Rollstuhlfahrer keine Chance mehr, die S6 zu erreichen und mit dem Zug von der City nach Werden oder Kettwig zu fahren. Die Alternativen sind dann sehr zeitaufwendig. Allerdings, so Thomas: Meistens arbeiten die Anlagen zuverlässig.

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