Essen. . Im Unperfekthaus stellte sich Oberbürgermeister Thomas Kufen den Fragen von 150 Essener Bürgern. Drohendes Fahrverbot war beherrschendes Thema.

Essener Bürger fragen – der Oberbürgermeister antwortet. Beim „Townhall-Meeting“ von Brost-Stiftung und Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP) war das höchst umstrittene Dieselverbot für Essen das beherrschende Thema. Thomas Kufen formulierte ein ehrgeiziges Ziel: „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Schadstoffwerte bis 2020 kurzfristig runterkriegen.“

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Die Bundesautobahn 40 in Essen Frohnhausen am Donnerstag, 15. November 2018 , durch die in Troglage geführte Autobahn ist die Luft dort besonders schlecht , , Foto: Stefan Arend / FUNKE Foto Services
Von Stephanie Weltmann und Klaus Johann

Vor gut 150 Zuhörern im Unperfekthaus machte er am Montagabend kein Hehl aus seiner Enttäuschung über die missliche Lage, in die das Dieselverbot Essen zu bringen droht: „Das ist ein Wachstumsprogramm für Extremisten, das finde ich fahrlässig.“

Seit Tagen erhalte er Post von besorgten Bürgern – Briefe, aus denen tiefste Verunsicherung spreche. Kufen zitiert ein typisches Beispiel: „Ein Bürger fragt: Kann ich meine Tante am 1. Juli 2019 in der Innenstadt besuchen, wenn ich Diesel fahre?“

Polizeipräsident spricht von „realem Wahnsinn“

Thomas Sterner aus Altenessen ist bekannt für seinen privaten Kampf gegen die Vermüllung der Stadt. Er regte an, Polizisten auf die A 40 zu schicken und das Dieselverbot rigoros durchzusetzen mit der Absicht, die womöglich katastrophalen Folgen des Richterspruchs zu entlarven. „Dann geht auf der A 40 nichts mehr und NRW wird zwei Tage lahm gelegt. Wer will das verantworten?“.

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Ein Szenario, das Polizeipräsident Frank Richter freilich ausschloss. „Wir haben selber Diesel-Autos und können gar nicht rausfahren.“ Eine Bemerkung, die Heiterkeit auslöste. Dann sprach er von einem „realen Wahnsinn“ und fügte hinzu: „Ich weiß gar nicht, welche Möglichkeiten wir haben, die grüne Plakette zu kontrollieren.“ Der Polizeipräsident wies auch auf die existenziellen Sorgen seiner Mitarbeiter hin, die am Niederrhein oder im Münsterland wohnen und demnächst ihre Polizeiwache in Essen nicht mehr im Diesel ansteuern können.

Bürger stellen Fragen zu Steeler Jungs, RWE-Aktien und Kakerlaken in der Zinkstraße

Das Diesel-Verbot war das beherrschende, aber nicht das einzige Thema dieses kurzweiligen, sehr sachlichen Bürger-Oberbürgermeister-Dialogs, den der stellvertretende WAZ-Chefredakteur Alexander Marinos moderierte.

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Es ging auch um die Kakerlaken-Plage in der Zinkstraße und um bezahlbaren Wohnraum, um Clan-Kriminalität und das verstörende Auftreten der Steeler Jungs, um Kinderarmut und die RWE-Aktien der Stadt. Lauter Probleme und Sorgen, denen Thomas Kufen niemals auswich. Beispiel Öffentliche Sicherheit. „Ich traue mir zu, nachts durch jeden Stadtteil zu gehen“, sagte Kufen, um sogleich auf die Vielschichtigkeit des Sicherheitsgefühls der Bürger hinzuweisen. „Letztens erhielt ich den Brief eines homosexuellen Mannes, der sich nicht traut, mit seinem Partner Händchen haltend durch die Altendorfer Straße zu gehen.“ Er, der selbst in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebt, habe sich daraufhin auch gefragt: „Traue ich mich, mit meinem Mann so über die Altendorfer Straße zu gehen?“ Eine Frage, die er offen ließ – allerdings mit dem Hinweis, dass er es mit dem Händchenhalten ohnehin nicht so habe.

Kufen lobte die Ordnungspartnerschaft mit der Polizei und wies daraufhin, das Personal im Ordnungsamt verdreifacht zu haben. Der Polizei sei er dankbar, dass sie die „Spaziergänge“ der „Steeler Jungs“ nicht mehr durchgehen lassen. „Das ist ein Sammelbecken von Leuten, darunter Auswärtigen in Springerstiefeln, die wir hier in Essen nicht brauchen.“

>>> BROST-STIFTUNG UND BONNER AKADEMIE

Das von der Brost-Stiftung und der Bonner Akademie veranstaltete „Townhall-Meeting“ mit OB Thomas Kufen sollte auch dazu dienen, die aktive politische Teilhabe zu fördern.

Der stellvertretende WAZ-Chefredakteur Alexander Marinos moderierte den offenen Dialog zwischen Bürgern und OB.

Präsident der Bonner Akademie ist Prof. Bodo Hombach, der auch stellvertretender Vorsitzender der Brost-Stiftung ist. Hombach war von 2002 bis 2012 Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe (heute Funke Mediengruppe).