Essen. . Ahmad Omeirat macht bei „Hart aber fair“ erneut die deutsche Gesellschaft für Kriminalität im libanesischen Milieu verantwortlich. Ein Porträt.

Das Thema „Clan-Kriminalität“ elektrisiert die Bürger und viele deutsche Medien. Viel zu lange, so scheint es, haben Politik und wohl auch Polizei weggeschaut. Auch in Essen, wo arabisch-libanesische Familienclans neben Berlin und Bremen ein kriminelles Netz ausgebreitet haben. „Sind Justiz und Polizei machtlos?“ lautete die Frage, die Moderator Frank Plasberg Montagabend im ARD-Talk „Hart aber fair“ aufwarf. Eine konfliktgeladene Debatte, zu der auch der grüne Essener Ratspolitiker Ahmad Omeirat in den Ring stieg.

Ahmad Omeirat im Mai 2017 als Landtagskandidat der Grünen an der „Freiheit“ vor dem Hauptbahnhof.
Ahmad Omeirat im Mai 2017 als Landtagskandidat der Grünen an der „Freiheit“ vor dem Hauptbahnhof. © Knut Vahlensieck

Dass der 34-jährige, überregional eher unbekannte Essener ausgewählt wurde, ist kein Zufall. Ahmad Omeirat stammt aus jenem kurdisch-libanesischen Milieu in Essen, das überdurchschnittlich stark für Probleme sorgt. Als Zweijähriger ist er nach Deutschland gekommen, seine Familie erhielt anders als andere einen gesicherten Asyl-Status.

Die Eltern achteten darauf, dass Ahmad Deutsch lernt und seine Schulhausaufgaben erledigt, erzählte er einmal. Dennoch habe er nichts als Absagen bekommen, als er nach der Schule Bewerbungen verschickte – eine Erfahrung, von der leider viele, auch gut integrierte Migranten berichten.

Längst besitzt der 34-Jährige die deutsche Staatsbürgerschaft

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Eine berufliche Etablierung gelang ihm schließlich als Einzelhandelskaufmann im Schmuckvertrieb. Längst besitzt der Familienvater auch die deutsche Staatsbürgerschaft. 2014 zog er schließlich in den Rat der Stadt ein, nachdem die Grünen sein Potenzial erkannt und ihn mit einem sicheren Listenplatz versorgt hatten.

Eine solche Biografie scheint wie geschaffen zu sein, um Brückenbauer zwischen der libanesischen Community und der Mehrheitsgesellschaft zu sein. Bei Hart aber fair war von Konzilianz wenig zu hören. Die Diskussion über das abgeschottete und durch Familienbande stark vernetzte Milieu trieb der Essener Kommunalpolitiker nicht wesentlich voran.

Stattdessen wirkte er gereizt und mitunter fahrig. Unangenehm fiel auf, dass er insbesondere NRW-Innenminister Herbert Reul ständig ins Wort fiel. Letztlich wirkte Ahmad Omeirat eher wie einer, der seine Hand – halb beschwichtigend, halb schützend – über die arabischen Großfamilien hält.

Lange galt Omeirat als Musterbeispiel für gelungene Integration

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Dabei galt Ahmad Omeirat – wie beschrieben – lange als Musterbeispiel für Integration. Hier hatte es nicht nur einer erkennbar geschafft, in Deutschland zumindest sprachlich, beruflich und scheinbar auch kulturell anzukommen. Er schien sogar trotz seiner jungen Jahre für die libanesische Community in Essen eine gewisse Vorbildfunktion zu haben.

In einem großen, sehr freundlichen Porträt Anfang 2014 zitierte ihn diese Zeitung mit folgendem Appell an andere Libanesen: „Ich sage: Stellt Euch nicht als Opfer dar – kämpft. Konkurriert nicht um das dickste Auto, sondern um die beste Ausbildung!“

Nicht auszuschließen, dass Omeirat solche sehr beachtlichen Sätze immer noch denkt, öffentlich hört man allerdings längst deutlich anderes von ihm: nämlich jene Opfer-Haltung, die er damals noch kritisierte und mit der er jetzt auch bei „Hart aber fair“ auffiel.

Seine vor einem Millionenpublikum erneut vorgetragene Argumentation lässt sich so auf den Punkt bringen: Die Straftaten ließen sich zwar nicht leugnen, aber es handele sich um die Taten einzelner, für die die Gesetzestreuen dann mitbüßen müssten. Darunter auch er.

Der Grünen-Politiker sorgt für Schlagzeilen

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Mittlerweile ist diese These zum Mantra geworden, das Omeirat vor allem in sozialen Medien wie Facebook ein ums andere Mal wiederholt. Wenn Gewalttaten mit und ohne Schusswaffeneinsatz innerhalb der libanesischen Community für mediale Schlagzeilen sorgten, wenn die Polizei in den einschlägigen Vierteln zu Großrazzien ausholte, war der grüne Kommunalpolitiker häufig zur Stelle: Alles übertrieben, Generalverdacht, Migrantenfeindlichkeit sind dann die Stichworte. Mehr als nur suggeriert wird: Schuld an den kriminellen Handlungen sind nicht die Kriminellen, sondern die angeblich katastrophale Integrationspolitik der Mehrheitsgesellschaft.

Die Gesellschaft, so darf und soll man wohl folgern, brauche sich unter diesen Umständen nicht zu wundern, wenn ein Teil der Community Zuflucht in der Kriminalität nimmt. Eine ebenso bequeme wie verquere Haltung, die letztlich geeignet ist, Verbrechen durch das Verwischen von Verantwortung zu verharmlosen. Omeirat wurde so zum „Ein-Thema-Politiker“, der zumindest in seiner Außendarstellung die Rolle des unkritischen Chef-Lobbyisten der libanesischen Community einnimmt.

Omeirat erreichen Hassbriefe mit rassistischen Beleidigungen

Dabei mag zu einer gewissen Verhärtung beigetragen haben, dass ihm tatsächlich mitunter übel mitgespielt wurde und wird. Ende September berichtete diese Zeitung ausführlich über an ihn gerichtete anonyme Hassbriefe mit Drohungen und üblen rassistischen Beschimpfungen. Ein Schreiber beschloss seine Attacken mit „Heil Hitler“. Schwer getroffen hat ihn auch die Falschmeldung einer Essener Illustrierten, wonach seine Ehefrau sich die deutsche Staatsbürgerschaft erschlichen habe. Ein Gericht erließ daraufhin eine einstweilige Verfügung.

Im Fernsehstudio nutzte Omeirat solche in der Tat verwerflichen Vorkommnisse, um zu einem fragwürdigen Rundumschlag auszuholen: „Medien, Verwaltung und Polizei“ befeuerten seiner Ansicht nach solche Angriffe gegen ihn. Wenn die Polizei versucht, im Milieu die erwiesenermaßen überdurchschnittlich hohe Kriminalität auszutrocknen, wenn Medien über solche Fakten berichten, dann sind diese selbstverständlich genau so wenig für extremistische Briefeschreiber verantwortlich wie Omeirat selbst. Dennoch: Einmal im Feindbild-Modus musste sich auch der sachlich argumentierende Innenminister Reul von ihm Sätze wie „Ihre Aussage ist eines Innenministers nicht würdig“ und „Sie schwächen den Rechtsstaat“ anhören.

Migrationsforscher: Clans betrachten Deutschland als „Beutegesellschaft“

Von dem libanesisch-stämmigen Migrationsforscher Ralph Ghadban war bei Plasberg nicht die Rede. In seinem neuen Buch „Arabische Clans. Die unterschätzte Gefahr“ erklärte er: „Die Clans betrachten die deutsche Gesellschaft als Beutegesellschaft.“ An anderer Stelle sagt er: „Seit den 1990er Jahren produzieren diese Clans die höchste Kriminalitätsrate in Deutschland. Statt sich zu integrieren, bauen sie ihre Großfamilien auf.“

Viele Zuschauer hätten von Ahmad Omeirat wohl gern mehr erfahren über das Ausmaß von Integrationsverweigerung, Rechtsstaatsverachtung und Gewaltkriminalität im arabisch-libanesischen Milieu. Stattdessen versuchte er, der resoluten Berliner Oberstaatsanwältin Petra Leister, einer erfahrenen Ermittlerin, Nachhilfe zu erteilen in Sachen Zeugenschutzprogramm.

Ahmad Omeirat hat bei „Hart aber fair“ eine große Chance vertan, indem er Täter faktisch exkulpierte und als Opfer darstellte. Das ist nicht nur tragisch, das war ein riesiger Fehler. Schade drum.