Essen. . Lesefest lockt rund 25.000 Besucher und viele prominente Gäste nach Essen. Veranstalter freuen sich über deutliche Besuchersteigerung.

Die Lit.Ruhr ist gestern Abend mit Frank Schätzings Buchpräsentation „Die Tyrannei des Schmetterlings“ in der ausverkauften Lichtburg zu Ende gegangen. Insgesamt kamen 25.000 Besucher zur zweiten Auflage des Festivals für Literatur im Ruhrgebiet, gut 4000 mehr als im Vorjahr. Die Veranstalter zeigten sich hoch zufrieden über die deutliche Besuchersteigerung. „Hochkarätige Veranstaltungen, die große Begeisterung und der enorm hohe Zuspruch des Publikums freuen uns und unsere Sponsoren und Partner, ohne die ein solches Festival in dieser Größenordnung nicht möglich wäre“, so Festivalleiter Rainer Osnowski.

© Socrates Tassos

78 Veranstaltungen an sechs Tagen und keine einzige Absage: Die zweite Auflage des internationalen Lesefestes Lit.Ruhr stand unter einem guten Stern. Sorgten im Vorjahr noch Regen und Sturm für organisatorische Turbulenzen und kurzfristig verhinderte Autoren, herrschte am zentralen Festival-Standort der Zeche Zollverein, aber auch im Stratmanns-Theater oder der Villa Hügel als Leseorte, diesmal eitel Sonnenschein. Echte Festival-Atmosphäre will trotz des prallen Programms noch nicht so recht aufkommen, schon das Zollverein-Areal ist vermutlich einfach zu weitläufig, um die Fäden angeregter Unterhaltung auch außerhalb der Hallen weiter zu spinnen. Auch die zwei herbeigeorderten Foodtrucks, die nach der Vorjahres-Kritik am mangelnden gastronomischen Angebot für Abhilfe sorgen sollten, waren nach drei Tagen wegen zu geringer Nachfrage bereits wieder vom Lit.Ruhr-Standort abgerückt.

Und obschon die ein oder andere Lesung aus dem großen Salzlager der Kokerei Zollverein diesmal kurzfristig in kleinere Zechen-Säle verlegt werden musste, waren die Festival-Macher mit der Nachfrage sehr zufrieden.

Mehrere Hundert Zuschauer wollten gestern etwa hören, was Schriftstellerin Thea Dorn und Grünen-Parteichef Robert Habeck zum Thema Patriotismus zu sagen hatten. Wobei Habeck diesen für viele heute etwas altmodischen Begriff vielleicht lieber mit „positivem Verhältnis zu unserem Staat“ oder mehr „politischer Leidenschaft“ übersetzen würde. Wie dringlich beiden das Reden über ein neues Wir-Gefühl war, war schon daran zu erkennen, dass Thea Dorn sogar mit gebrochenem Fuß nach Essen gekommen war und ihre Bücher am Ende im Rollstuhl signierte.

Womit man beim Thema Barrierefreiheit wäre, das die Lit.Ruhr ebenfalls ernst nimmt und in diesem Jahr immerhin 16 der insgesamt 78 Veranstaltungen von Gebärdendolmetschern übersetzen ließ. Für Kira Knühmann-Stengel und ihren Kollegen Klaus Meinhold von der Mülheimer Gebärdensprachschule Transignum ist so ein Lesefest eine besondere Herausforderung. „Man muss richtig in die Rolle hineingehen“, erklärt Knühmann-Stengel die Technik.

Unter die Haut ging auch, wie Schauspieler Ulrich Noethen aus dem preisgekrönten Bestseller „Das Verschwinden des Josef Mengele!“ vortrug. In dem Tatsachenroman beschreibt der französische Autor Olivier Guez, wie es Mengele, dem bestialischen Lagerarzt von Auschwitz, gelang, nach dem Krieg nach Südamerika zu fliehen und dort weiterzuleben.

Ein ernstes Thema auf der Lit.Ruhr

Bei dem mit Abstand wohl ernsthaftesten Thema der diesjährigen Lit.Ruhr gab Guez im Gespräch mit WDR-Redakteurin Sabine Scholt einen Einblick in seine langjährige Recherche. Zwei Fragen hätten ihn beschäftigt: Wer hat Mengele, der sich 30 Jahre in Südamerika versteckte, geholfen? Und gab es dennoch eine gerechte Strafe für ihn? Die Antwort liefert Guez mit. Der meistgesuchte NS-Täter ging im wahrsten Wortsinne unter: Er ertrank 1979 in Brasilien.