Essen. . „Die Insassen im Korb hatten unfassbares Glück“, sagt der Chef der Essener Höhenretter. Die Polizei ermittelt gegen den Piloten (72) aus Essen.
Am Tag nach dem spektakulären Crash eines Heißluftballons gegen einen Strommasten an der Stadtgrenze Essen/Bottrop laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Eine Spezialistin der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) hat schon in der Nacht auf Montag die Arbeit an der Unglücksstelle aufgenommen. Im Mittelpunkt steht auch der aus Essen stammende Ballonpilot. Die Polizei ermittelt gegen den 72-Jährigen wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung.
„Die sechs Insassen im Korb hatten ein unfassbares Glück“, sagt am Montag Carsten Stock, der Chef des Höhenrettungstrupps der Essener Feuerwehr. Wäre der Korb nicht an dem Masten hängengeblieben, sondern knapp an ihm vorbei in die Hochspannungsleitungen gerauscht, hätte es nach Ansicht der Experten mit Sicherheit eine furchtbare Katastrophe gegeben. „Die Menschen im Korb hatten Glück im Unglück – und meine Leute auch“, resümiert der Chef der Höhenretter, der den atemberaubenden Einsatz vom Boden aus steuerte.
Höhenretter hält in 80 Metern Höhe fünfeinhalb Stunden die Stellung
Hoch oben in der Spitze des 80-Meter-Riesen leitete Daniel Johann (40) den Einsatz der beiden Spezialtrupps aus Essen und Oberhausen. Fünfeinhalb Stunden harrte der Routinier, schon seit 15 Jahren Höhenretter, in unmittelbarer Nähe der Insassen aus. „Sie waren sehr gefasst und sogar erleichtert, als unsere Kräfte oben eintrafen.“
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Höhenretter der Feuerwehr arbeiten wie Bergretter in den Alpen. Sie tragen einen Helm und einen Tragegurt, an denen ein Dutzend schwere Karabiner und Bandschlingen heften. Der erste Höhenretter nahm zusätzlich noch ein 100-Meter-Seil mit nach oben. Montur und Ausrüstung machen dann locker zehn Kilo Zusatzgewicht aus. „Das sind Körner“, sagt Tobias Kather. Neben dem Piloten waren fünf Leute an Bord, die sich alle gut kennen, darunter vier Frauen um die zwanzig. Unmittelbar nach der Kollision hatten die Insassen den Korb mit Draht und Stangen am Mast befestigt. „Das war geistesgegenwärtig, wir haben den Korb danach zusätzlich stabilisiert“, so Höhenretter Daniel Johann.
Mulmiges Gefühl, wenn der Korb bei Wind absackte
Trotzdem kam es in luftiger Höhe häufiger zu kritischen Situationen. „Immer wenn Wind auf die riesige Ballonhülle kam und der Korb unter Druck ein Stück absackte, hatten die Fahrgäste ein mulmiges Gefühl.“
Die Essener Höhenretter sind nicht nur durchtrainierte, sportliche Typen, sondern im Ernstfall auch kleine Psychologen. „Unser großer Vorteil ist, dass wir alle aus dem Rettungsdienst kommen“, erklärt Carsten Stock. „Wir haben den Leuten im Korb jeden einzelnen Arbeitsschritt erklärt und ständig versucht sie aufzumuntern“, fügt Daniel Johann hinzu.
Fahrer des Begleitwagens nennt Fallwinde als Ursache
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Der Essener Ballonpilot war am Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Während der Bergungsarbeiten am Sonntagabend sagte Rudolf Koppitz, der Fahrer des Ballon-Begleitfahrzeuges, zur möglichen Unfallursache: „Es gab Fallwinde, die den Ballon runterdrückten. Der Pilot gab Gas und der Ballon gewann Höhe, doch dann drückten ihn Seitenwinde gegen den Mast.“ Mit rund 1700 Fahrten sei der Pilot ein sehr erfahrener und umsichtiger Ballöner. Höhenretter Tobias Ravalli holte die sechste und letzte Person Sonntagabend um 23.20 Uhr zurück auf die Erde. Alle kamen vorsichtshalber ins Krankenhaus, nur zwei hatten einen leichten Schock erlitten.
>>> Ballon „D-OKHP“ hatte 2016 einen Unfall
Der verunglückte Ballon trägt die Kennung „D-OKHP“. Die BFU erfasste denselben Ballon 2016 wegen eines Unfalls in Bochum. „Ein Mensch wurde dabei verletzt“, so der BFU-Sprecher. Der Ballon in Bottrop wurde von dem Essener gesteuert.
Der Pilot bietet Ballonfahrten (185 Euro je Person) über ein Internet-Portal an acht Orten zwischen Aachen und dem Ruhrgebiet an.
Im Moment des Ballon-Crashs führten die Leitungen auf den drei oberen Traversen des Strommastes 380 Kilovolt-Höchstspannung. Bei der Bergung wurden nicht alle Leitungen abgeschaltet. Sonst wären einige Essener Stadtteilen ohne Strom gewesen.