Bottrop. . In Bottrop verheddert sich ein Ballon in einem Strommast. Die Polizei ermittelt nun. Fest steht: Die sechs Insassen hatten unglaubliches Glück

Eine Stadt blickt nach oben. Die Autofahrer an der roten Ampel gucken in den Himmel, Passanten legen den Kopf in den Nacken, und die Männer auf der Terrasse des Bäckereicafés am Bottroper Hauptbahnhof haben gleich gar den Sitz- und Logenplatz erwischt.

80 Meter über ihnen, 300 Meter entfernt hängt der havarierte Heißluftballon an dem Strommast, ein Teil verfangen in der Spitze, ein Teil verknäult zwischen den Leitungen – der größte Teil aber schwankt hin und her im starken Wind. Und zwei, drei Menschlein da oben machen irgendwas, nein, es sind wohl vier – richtig gut sieht man das nicht.

Leitungen standen unter Höchstspannung

Mit sechs Menschen im Korb hatte sich der Ballon am Sonntagabend an dem Mast verheddert. Wenige Meter über Hochspannungsleitungen, die zum Zeitpunkt des Unglücks die sogenannte Höchstspannung führten von 380 Kilovolt.

„Die haben unglaubliches Glück gehabt. Wenn der Korb noch weiter abgerutscht wäre in die Hochspannung hinein . . . Ich habe immer nur nach oben geguckt und gedacht: Hoffentlich kommen die da lebend raus“, sagt Heribert Mlinaric am Montag, ein Nachbar.

Abgeseilt über 80 Meter

Sechs Stunden dauert es in der Nacht auf Montag, nahezu bis Mitternacht, die Menschen nach unten zu bringen: Höhenretter aus Oberhausen und Essen schnallen die Verunglückten in Rettungsgeschirren fest und seilen sie im Innern des Mastes 80 Meter ab, immer ein Höhenretter und ein Unfallopfer miteinander verklammert.

Der Ballonfahrer, die vier jungen Frauen und ein Mann werden vorsorglich ins Krankenhaus gebracht, sind eigentlich in gutem Zustand, zwei haben einen leichten Schock.

Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung

Verheddert: der Ballon zwischen den Leitungen.
Verheddert: der Ballon zwischen den Leitungen. © Ralf Rottmann

Hier in Bottrop wird das Drama am Montag zum Spektakel. Andernorts aber sind bereits die Fahnder am Start: Wie konnte das passieren? Hat jemand einen Fehler gemacht?

Die Polizei ermittelt nun gegen den 72-jährigen Piloten aus Essen wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung. Und auch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung aus Braunschweig ist aktiv, eine Mitarbeiterin kommt noch nachts nach Bottrop.

Ein Unfall des Ballons in der Vergangenheit

In der fliegerischen Vergangenheit des Ballons soll es im November 2016 einen Unfall in Bochum mit einem Leichtverletzten gegeben haben. Und Fotos belegen, dass abermals in Bochum derselbe Ballon im August 2018 eine ungewöhnliche Landung mitten in einem Wohngebiet hinlegte.

Die prompte Aufregung kommentierte damals ein Polizeisprecher so: „Was soll der Ballonfahrer denn machen? Er kann ja nicht einfach wieder durchstarten.“ Der Fahrer von Bottrop ist am Montag nicht zu erreichen. Unklar bleibt zunächst, ob er auch in Bochum den Ballon steuerte.

Oben hängt „bestimmt eine halbe Tonne“

Und beim Spektakel? Ungefährlich ist es auch hier nicht. Dass sich Dinge in den Leitungen verfangen, kommt immer mal wieder vor: Flugdrachen gern und Folien von Feldern, alles, was sich losreißen kann. Aber ein Heißluftballon?

„Unsere Leute können den Ballon nicht einfach losmachen, damit er nicht unkontrolliert abstürzt“, sagt Solveig Wright, die Sprecherin des Netzbetreibers „Amprion“ aus Dortmund. Denn unten ist die Autobahn 42, unten ist die Bahnlinie, unten wohnen Leute – und oben hängt „bestimmt eine halbe Tonne“, sagt ein Fachmann.

Schritt für Schritt voran

Von der Hebebühne aus fällt die Arbeit etwas leichter.
Von der Hebebühne aus fällt die Arbeit etwas leichter. © Ralf Rottmann

So kommen die Leitungsbauer von Amprion auf dem Mast nur Schritt für Schritt voran. Sichern die Gasflaschen aus dem Korb. Trennen den Korb von der Hülle, die sich in dem scharfen Wind da oben immer wieder aufbläht und – so wirkt es – wegzufliegen versucht und doch nur abstürzen würde.

Auch die höchste deutsche Hebebühne ist vorgefahren, sie erreicht 103 Meter, und von ihr aus ist es leichter, verhedderte Hülle zu lösen und zu zerschneiden. Irgendwann nachmittags bringt die Hebebühne die ersten Fetzen herab. Dann beginnen sie oben, die Hülle am Mast festzubinden, damit sie sich nicht mehr so aufblähen kann. Eine Stadt blickt nach oben.