Bottrop/Essen. . Ein Heißluftballon hat sich in der Hochspannungsleitung nahe der A42 in Bottrop verfangen. Höhenretter mussten die Passagiere befreien.

Es ist der Alptraum aller Ballonfahrer: Ein prall gefüllter Heißluftballon verfängt sich an einem Hochspannungsmast und droht in Flammen aufzugehen. Am Sonntagabend ist genau dies in Bottrop an der Stadtgrenze zu Essen passiert. Ein mit sechs Personen besetzter Ballon – darunter zwei junge Frauen aus Bottrop – bleibt gegen 17.45 Uhr an der Spitze des etwa 80 Meter hohen Mastes hängen.

Direkt unter dem 80-Meter-Riesen verlaufen die Autobahn A 42 und eine Güterbahnstrecke. Hoch droben flattert die schlaffe Ballonhülle im Wind. Nach Angaben der Leitstelle der Polizei hat es die Besatzung nach der Kollision nicht aus eigener Kraft geschafft, von dem Strommast wieder wegzukommen. Zum Glück schaffte es die Besatzung mit der Ausrüstung an Bord, den Ballon zu sichern. Ein dramatischer Unfall, der eine mehrstündige Rettungsaktion auslöst. Erst gegen 23:30 Uhr vermeldet die Feuerwehr Bottrop, dass alle sechs Passagiere des Heißluftballons gerettet sind.

Am Montag beginnt schließlich die komplizierte Bergung des Ballons. Carsten Stock, Chef des Essener Höhenrettungstrupps, spricht am Tag nach dem Unfall aus, was sich wohl jeder dachte, der Zeuge des atemberaubenden Geschehens wurde: "Die Menschen im Korb hatten Glück im Unglück – und meine Leute auch."

Polizei ermittelt gegen den Ballonpiloten

Alle Personen seien bei der Kollision unverletzt geblieben, entwarnte Feuerwehrsprecher Michael Duckheim bereits am Sonntagabend. Allerdings hatten zwei Passagiere einen leichten Schock erlitten. Gegen den 72-Jährigen Ballonpiloten ermittelt die Polizei nun wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung.

Die Bergung des Ballons startete am Montagvormittag. Foto: Rene Anhuth / ANC-NEWS
Die Bergung des Ballons startete am Montagvormittag. Foto: Rene Anhuth / ANC-NEWS

Neben dem Höhenrettungstrupp der Feuerwehr Essen stand eines aus Oberhausen bereit, zwei der 15 Spezialisten kletterten rasch nach oben. „Die Höhenretter müssen zügig hoch, weil wir nicht wissen, wie stabil der Korb ist“, erklärte Duckheim. Die Retter sorgten nicht nur für den nötigen Halt, sie brachten auch Schokoriegel und Getränke für die Fahrgäste mit – in diesem Fall echte Nervennahrung.

Dutzende Feuerwehrleute waren am Boden im Einsatz, die Einsatzstelle musste weiträumig abgesperrt werden. Das DRK richtete einen Betreuungsplatz für Angehörige ein, vorsichtshalber fuhren Rettungstransporter vor: sechs in einer Reihe – genauso viel wie Insassen oben an Bord. Zwischenzeitlich wurde der Strom abgeschaltet.

Unterdessen stieg die Zahl der Schaulustigen. Sie kamen nicht nur aus Bottrop, sondern auch aus Essen und Oberhausen. Ihre Smartphone-Bilder könnten aus einem Katastrophenfilm stammen. Aber das hier war die Wirklichkeit.

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© Gerd Niewerth

Unauffällig unter den zahlreichen Rettungskräften telefonieren zwei junge Männer. „Unsere Freundinnen sind dort oben drin“, sagen sie. Eine von ihnen sitze auf dem Boden des Korbes und weine. Es sind dramatische Augenblicke. Einer der beiden Bottroper zeigt Handyfotos. Sie sind unmittelbar vor dem Start des Heißluftballons entstanden. Zu einem Zeitpunkt, als noch keiner ahnen konnte, dass die Ballonfahrt eine Schreckensfahrt werden würde.

Heißluftballon startete im Revierpark Vonderort

Es sind fünf junge Leute, die den Korb des Heißluftballons am Sonntag im Revierpark Vonderort bestiegen haben. Gebucht haben sie die Fahrt beim Essener Peter H., der die Heißluftballohnfahrten über die Website Ballonstart.de anbietet. Der Fahrer seines Begleitfahrzeuges, Rudolf Koppitz, steht am Abend an der Unglücksstelle. Der Mülheimer sagt, Peter H. (72). habe 40 Jahre Erfahrung als Ballonfahrer und habe mehr als 650 Fahrten absolviert. Eine Fahrt kostet 190 Euro.

Am Sonntagnachmittag habe es Fallwinde gegeben, berichtet Koppitz weiter. Daraufhin habe der Pilot den Ballon angeheizt, um aufzusteigen. Doch dann hätten Seitenwinde den Ballon gegen den Hochspannungsmasten gedrückt.

Abseilen im Inneren des Mastes

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© Gerd Niewerth

Gegen 20 Uhr baumelte ein fast 80 Meter langes Seil im Innern des stählernen Masten – das Rettungsseil, an dem die sechs Personen später heruntergelassen wurden. Weil die Dunkelheit über Bottrop anbrach, schickten sie einen Polizeihubschrauber mit einem starken Scheinwerfer an den Himmel. Auch von unten wurde die Szenerie hoch oben angestrahlt.

Die Bottroper Feuerwehr hat gleich nach der ersten Rückmeldung der Höhenretter gesagt: Das wird ein mehrstündiger Einsatz. Keiner der Feuerwehrleute kann sich an einen ähnlich spektakulären Einsatz wie diesen erinnern. Um kurz nach 20 Uhr bereiteten sich die Höhenretter auf die Bergung der ersten Person vor. Doch dann verzögerte sie sich. „Wir brauchen mehr Licht da oben, damit die Höhenretter vernünftig arbeiten können“, sagte der Feuerwehrsprecher.

Sorgte der Ballon erst vor kurzem für Schlagzeilen?

Unter Rettungskräften und Polizisten kursieren derweil Gerüchte, dass der havarierte Ballon bereits vor einem Monat in Bochum mit einer waghalsigen Landung in einem Wohngebiet für Schlagzeilen gesorgt haben soll. Tatsächlich ist ein Ballon mit derselben auberginefarbenen Hülle im August in Bochum zwischen zwei Straßenzügen gelandet. Ein Zwischenfall, bei dem Augenzeugen von zwei weiteren angeblich ungeplanten Landungen berichten. Später erklärt allerdings eine Mitfahrerin, dass zumindest die Landung in Bochum komplett geplant verlaufen ist. Heißluftballon landet mitten in Wohngebiet in Bochum-LindenHeißluftballon landet mitten in Wohngebiet in Bochum-Linden

Es vergeht noch eine gute Stunde, dann atmen die Rettungskräfte auf. Die erste gerettete Person ist an dem Rettungsseil heruntergelassen worden und hat wieder festen Boden unter den Füßen. Etwa im Halbstunden-Takt bringen die Retter dann die weiteren Passagiere nach unten. Um 23:30 Uhr vermeldet die Feuerwehr Bottrop dann, dass alle Insassen unten angekommen sind. Die Passagiere werden direkt ins Klinikum gebracht.

Die Bergungsarbeiten werden am Montag fortgesetzt. Der Netzbetreiber will dann die Ballonhülle und den Korb vom Strommasten holen. Wie der Pressesprecher des Netzbetreibers Amprion, Thomas Wiede, am frühen Montagmorgen im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte, werde dazu wahrscheinlich ein sogenannter Hubsteiger zum Einsatz kommen - eine ausfahrbare Arbeitsbühne. Für die Zeit der Bergung werden wohl erneut die darunter liegenden Bahn- und Autobahnstrecken zumindest teilweise gesperrt werden müssen. Nach Angaben der Polizei beginne die Bergung um 11 Uhr und werde einige Zeit in Anspruch nehmen.

Wie Amprion-Sprecher Wiede bestätigte, hatten die Ballonfahrer enormes Glück, dass sie den Unfall weitgehend unverletzt überstanden haben. Auf der Stromleitung liege eine Spannung von 380.000 Volt. Derzeit ist der Strom abgestellt. Bei anderen ähnlichen Unglücken mit Ballons, die sich in Hochspannungsleitungen verfangen hatten, waren Tote zu beklagen. Um den Hergang des Unglücks zu klären, haben Vertreter von der Bundesanstalt für Flugsicherung die Untersuchungen aufgenommen.