Essen. . „Nofear“ bei der jungen Triennale: Jugendliche unterschiedlicher Nationalitäten haben mit Menschen in Katernberg über das Thema Sex gesprochen.
Ein leises Röcheln geht durch den Raum, ein Beben und Zucken durch die am Boden liegenden Körper, die gerade noch ein Rendez-vous mit Obstkorb imitiert haben: Bananen-Orgasmus auf der Bühne! Denn die Junge Triennale spricht über Sex. Mit Drag-Queens und Queer-Aktivistinnen, mit Hetero- und Homosexuellen, mit dem örtlichen Imam und einem Katernberger Fußballtrainer. Mit Schülern der Parkschule und Senioren aus dem Katernberger Erzählcafé.
Zwei Brüste als Bühnenbild
„No fear“ heißt schließlich das aktuelle Thema der Jungen Triennale. Keine Angst haben vor Gefühlen, vor Nähe und intimen Fragen. Die haben Olivia, Alex und Luca den Menschen in Katernberg in den vergangenen Monaten viele gestellt. Das Ergebnis ist drei Abende lang in einer performativen Dokumentation auf Pact Zollverein zu erleben.
Aus den vielen Interviews und Begegnungen im Stadtteil ist ein eindrucksvolles Programm geworden, das vermeintliche Tabus zu theatertauglichen Themen erklärt. Aufklärung in Zeiten sexueller Überflutung, in der es alles zu sehen gibt, das Sprechen über Erotik, Liebe und Verhütung aber immer noch schwerfällt. „Viele trauen sich immer noch nicht, darüber zu reden“, weiß auch Joanna, die die Texte des Abends zusammen mit ihren 20 Mitspielern entwickelt hat. Das Theaterkollektiv Berlocken hat bei der szenischen Aufbereitung der Beiträge geholfen, die – von Ton- und Videoeinspielungen begleitet – zwischen zwei aufgeblasenen Plastikbrüsten und einer überlebensgroßen Kunststoff-Vulva vorgetragen werden. Eine ungewohnte Situation für die Jugendlichen, die vielleicht nicht alle so liberal großgeworden sind wie die 16-jährige Emma, die im Stück auch noch einen schönen Song über das erste Mal singt. „Aber wir reden ja nicht über uns. Wir präsentieren ja unsere Recherchen“, erklärt Isabelle. Die Gemeinschaft als Schutz. „Man traut sich in der Gruppe sehr viel mehr“, sagt Joanna. Und so haben sie gelernt, selbst Begriffe wie Polyamorie mit größter Selbstverständlichkeit in den Raum zu stellen, über die früher vielleicht sogar Doktor Sommer gestolpert wäre. Nicht zu kichern, wenn einer sagt, man solle doch bitte mal den Penis verschieben. Und Pascal kann inzwischen sogar auf diesen halsbrecherisch hohen pinken Stiefeletten über die Bühne stolzieren, wenn es um das Thema Drag-Queen geht. Selbstbestimmung und Identität, sind wichtige Themen des Abends.
Die 84-jährige Ilse steht mit auf der Bühne
Das außergewöhnliche Projekt zeigt aber auch, dass die Nachwuchsarbeit bei der Ruhrtriennale keine Eintagsfliege ist. Einige der rund 40 Jugendlichen aus Essen, Bochum, Gelsenkirchen und Duisburg waren schon Teil der Kinderjury, die Heiner Goebbels 2012 ins Rennen schickte. Andere sind seit der Intendanz von Johan Simons 2015 dabei. Die 14- bis 19-Jährigen mit Wurzeln in Ghana, Albanien, Polen oder Syrien treffen sich seither regelmäßig zur Theaterarbeit, etwa die Hälfte davon hat sich für das „School of Sex“-Projekt auf die Bühne getraut. Jungen und Mädchen unterschiedlicher Nationalitäten, deren Eltern vielleicht auch noch Fragen zum Thema haben, wie die 84-jährige Ilse, die nach dem Tag im Seniorenheim gleich mit auf die Bühne wollte, um über das Wort vögeln aufgeklärt zu werden; nach dem mittelhochdeutschen vogelen, gleich begatten. Für die „School of Sex“ ist man eben nicht zu alt.
Einführung und Publikumsgespräch
„#NoFear“: Der Abend ist am 30., 31. August und 1. September, jeweils 20 Uhr, auf Pact Zollverein zu sehen, Bullmannaue. 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn gibt es eine Einführung und ein Publikumsgespräch im Anschluss. Empfohlen wird der Abend ab 12 Jahren.
Info und Tickets (15/erm. 8 Euro) auf ruhr3.com/nofear