Essen. . Die Staatsanwaltschaft hat im Fall „Todespfleger“ fünf versetzte Kripobeamte entlastet. Der Essener Polizeipräsident Richter kündigt Aufklärung „auf allen Ebenen“ an.

Normalerweise ermitteln Polizeibeamte außerhalb des ehrwürdigen Präsidiums, jetzt muss eine möglicherweise folgenschwere Panne im eigenen Hause aufgeklärt werden. In ungewöhnlich scharfer Form hat Polizeipräsident Frank Richter deshalb seiner Verärgerung jetzt Luft gemacht: per Rundschreiben auf der Intranetseite der Behörde an alle 3000 Beschäftigten.

Welche Rolle spielte Kriminaldirektorin?

Der Behördenchef dringt auf eine lückenlose Aufklärung auf allen Ebenen. Auch die Rolle der Leitenden Kriminaldirektorin Martina Thon werde beleuchtet, so Polizeisprecher Ulrich Faßbender.

Es geht um die Frage, ob Essener und Mülheimer Kripobeamte im Fall des unter Mordverdacht stehenden und inhaftierten polnischen Hilfspflegers Gregorz Stanislaw W. versagt haben. Im Frühjahr 2017 soll der 36-jährige Pole in Mülheim einem 91-Jährigen Insulin verabreicht haben.

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Der Rentner erkrankte lebensbedrohlich und wurde am 25. Mai 2017 ins Krankenhaus eingeliefert. Die Tochter des Rentners stellte deshalb am 6. Juni 2017 Strafanzeige gegen den Pfleger, aber ein Haftbefehl wurde nicht erlassen. Sechs Wochen später, am 11. Juli 2017, sei der 91-Jährige im Pflegeheim „aufgrund einer natürlichen Todesursache verstorben“, ermittelte die Staatsanwaltschaft Duisburg.

Wie sich später herausstelle, war der polnische Hilfspfleger in 57 Einrichtungen in Deutschland tätig gewesen, ehe er in Ottobrunn bei München verhaftet wurde. Gregorz Stanislaw W. soll dort einen Rentner mit Insulin getötet haben soll.

Staatsanwaltschaft: „Kein strafrechtlicher Anfangsverdacht“

Seitdem stellt man sich im Polizeipräsidium Essen diese beklemmende Frage: Hätten dieses und andere mutmaßliche Verbrechen verhindert werden können, wenn die Essener Kripobeamten nach der Mülheimer Strafanzeige anders reagiert hätten?

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Auf einer Pressekonferenz vor gut fünf Monaten räumte Polizeipräsident Frank Richter Fehler ein. Fünf Kommissare – drei in Mülheim (Kriminalkommissariat 35) und zwei in Essen (KK 11) – sind versetzt worden. Auch ihre Dienstwaffen mussten sie abgeben. Ein zwischenzeitliches Verbot, die Dienstgeschäfte zu führen, sei inzwischen wieder aufgehoben worden, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender.

Die von der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf beauftragte Staatsanwaltschaft Krefeld hat die fünf Kripobeamten vor wenigen Tagen entlastet. Die Ermittlungen haben ergeben, „dass kein strafrechtlicher Anfangsverdacht“ gegen die beschuldigten Beamten bestehe und „kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird“.

Sprecher: „Es geht nicht darum, den Beamten eins auszuwischen“

Der Polizeipräsident gibt sich mit dieser Entlastung jedoch nicht zufrieden. In seinem aktuellen Rundschreiben heißt es unmissverständlich: „Unabhängig von der strafrechtlichen Prüfung stelle ich fest, dass die bisherige Aufklärung Versäumnisse und Geschehnisse erkennbar werden ließ, die ich als Behördenleiter in dieser Form nicht akzeptieren kann und für die Zukunft ausgeschlossen wissen möchte.“

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Der Polizeisprecher betont, dass es sich bei den behördeninternen Ermittlungen um einen „üblichen Vorgang“ handele. „Es geht nicht darum, den Beamten eins auszuwischen“, stellt Faßbender klar.

Im Behördenapparat wird die Vorgehensweise des Polizeipräsidenten als „ungewöhnlich“ empfunden und zum Teil mit Kopfschütteln und Empörung quittiert. Es entstehe der Eindruck, dass „mit aller Gewalt gegen Kollegen“ vorgegangen werde, heißt es.

Frank Richter: „Missfallen über die erbrachten Leistungen“

Auf Nachfrage bestätigt der Polizeisprecher, dass die Behördenleitung den im Frühjahr versetzten Kripobeamten die Dienstrechner abgenommen habe. „Sie befinden sich immer noch unter Verschluss.“

Der Polizeipräsident macht kein Hehl daraus, wie die demnächst anstehenden Einzelgespräche verlaufen könnten. Falls erforderlich werde er sein „Missfallen über die erbrachten Leistungen der Beteiligten auf der Sacharbeiter- und Führungsebene zum Ausdruck bringen“. Rücksicht auf Hierarchien werde er bei der Nachbereitung nicht nehmen. „Dabei stehen alle Ebenen im Focus!“, kündigt Richter an.